Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 10 St. Jacobi 1323, 1.H.15.Jh., 1645, 1686
Beschreibung
Grabplatte für Johannes Letzenitz (A), Elisabeth (Wikbold, B2), Martin Gültzow (C) und Andreas Odebrecht (D). Kalkstein. Hochrechteckige Platte, im zweiten Joch des nördlichen Seitenschiffs, an der Außenwand aufgestellt. Bis zu den Umbauarbeiten 1979 lag sie im Fußboden des Mittelschiffs direkt vor dem Chor.1) Verfärbungen und Mörtelreste an der oberen Schmalseite verweisen darauf, dass sie in diesem Bereich von der Chorstufe bedeckt wurde. Die Oberfläche ist stellenweise abgetreten, die rechte obere Ecke abgebrochen. Zwischen zwei Linien umlaufend Inschrift A für Johannes Letzenitz. In den Ecken quadratisch gerahmte Flechtband- oder Blattornamente. Schriftverlust jeweils am Ende der oberen und der linken Zeile. Als Worttrenner Doppelpunkte. Die beiden Teile der im Vergleich zu A jüngeren, stark abgetretenen Inschrift B bilden ein zweites Schriftband, das an der Innenseite von Inschrift A umläuft. Schriftverlust vor allem an den beiden Schmalseiten und der linken Langseite. Die Ecken werden ebenfalls durch Quadrate gefüllt, deren Ornamente nicht mehr erhalten sind. Inschrift B1 beginnt rechts unten auf dem Kopf stehend. Inschrift B2 für Elisabeth (Wikbold) schließt links oben an und bricht am Ende in der rechten unteren Ecke oberhalb des Zeilenanfangs von B1 nach links um. Im Innenfeld auf der oberen Plattenhälfte Inschrift C für Martin Gültzow. Darunter folgt D für Andreas Odebrecht, mit kurzen, doppelten Schrägstrichen auf der Grundlinie als Trennzeichen am Zeilenende. Inschrift C ragt rechts in die Schriftleiste von B hinein, D überlagert den Umriss eines zerstörten, wohl zu A gehörenden Wappens. Auf der linken Hälfte des Innenfeldes unterhalb von D die auf dem Kopf stehende Ritzzeichnung eines Pilgerstabes und einer Muschel als Besitzzeichen der Jacobikirche. Inschrift B erhaben in vertiefter Zeile, die übrigen eingehauen.
Inschrift B1 ergänzt nach Pyl.
Maße: H. 233 cm, Br. 143 cm. Bu. 8,5 cm (A), 6,5 cm (B, D), 4,5 cm (C).
Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel mit Versalien (B), Kapitalis (C), mit Versalien (D).
- A
ANNO D(OMI)NI M C[CC] / XX ˑ IIIa) : IN : DIE : LAMBERTI : EP(ISCOP)I : O(BIIT) : / IOH(ANN)ES : DE : LECEN/ISCE : CO(N)SUL : CIUITATI[S] FILI(US) L[AMBERTI]b)
- B1
Annọ d[ - - - ]c) / [ - - - in profesto - - - ] lecenisze p(ro)co(n)sulis
- B2
Anno d(omi)ni [ - - - ] / [ - - - ] magdalene ˑ o(biit)d) ˑ elyzabet ˑ vxor raphaeḷịṣ ˑ letze/nize ọṛ(ate) deu(m)e) p̣(ro) ẹạ
- C
DIESER STEIN VND BEGREB/NIS GEHORET MARTEN GVLTZO / VND SEINEN ERBEN / ANNO 1645
- D
DIESER STEIN UND / BEGRAEBNIS GEHÖ=/RET ANDREAS ODE=/BRECHT. VND SEINEN / ERBEN / ANNO 1686.
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1323 am Tag des Bischofs Lambert (17. September) starb Johannes von Letzenitz, Ratsherr dieser Stadt, Sohn des Lambert. (A)
Im Jahr des Herrn (...) am Tag vor (...) Letzenitz, des Bürgermeisters. (B1)
Im Jahr des Herrn (... Tag der heiligen) Magdalena (22. Juli) starb Elisabeth, Ehefrau des Raphael Letzenitz. Betet zu Gott für sie. (B2)
Textkritischer Apparat
- ANNO D(OMI)NI M C[CC] / XX ˑ III] Da die Platte im 19. Jahrhundert im oberen Bereich von der untersten Chorstufe verdeckt war, konnte zu dieser Zeit der Anfang der Inschrift nicht gelesen werden. Pyl hat nur die letzten beiden Zeichen der Jahreszahl II wiedergegeben (und das Davorstehende nach eigenem Dafürhalten ergänzt), Kirchner und Haselberg die letzten vier Ziffern XIII.
- Name ergänzt nach Kirchner und Pyl.
- d[ - - - ]] Zu ergänzen zu ‚domini‘.
- o(biit)] Fehlt bei Pyl.
de u(m)] Fehlt bei Haselberg und Pyl.
Anmerkungen
- Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Jacobi, Nr. 2.
- Zur Grabplatte für Lambert und Sophia, früher in St. Jacobi, heute in der Marienkirche, siehe Kat.-Nr. 9.
- Pyl, Genealogien 2, S. 393; Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 642, 647; Pyl, Genealogien 4, S. 69 (Nr. 101).
- Kirchner, Letzenitzen, S. 135, mit Verweis auf Balthasar, Nachricht, S. 1 der Zusätze.
- Seine dritte Ehefrau überlebte ihn und ging 1450 eine zweite Ehe mit Hermann Dambek ein. Pyl, Genealogien 2, S. 393; Pyl, Genealogien 4, S. 164 (Nr. 187); Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 646.
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 646.
- Gesterding, Zweite Fortsetzung, S. 142 (Nr. 14), S. 143 (Nr. 17, 18, 22); Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 579–581, 657f.; Lange, Vitae Pomeranorum, S. 127; Landeskirchliches Archiv Greifswald, St. Jacobi, Taufregister, ohne Blattzählung. – Andreas Odebrecht erwarb bereits 1656 eine Grabstelle in der Jacobikirche. Die zugehörige Platte befindet sich heute in der Marienkirche (Kat.-Nr. 57).
Nachweise
- Kirchner, Letzenitzen, S. 135 (A), 136 (B).
- Haselberg, Kreis Greifswald, S. 90 (A, B).
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 646 (A, B), 657 (C, D).
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 10 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0001006.
Kommentar
Bei dieser Grabplatte handelt es sich um die älteste erhaltene in der Jacobikirche. Johannes Letzenitz (A) war der Sohn des Bürgermeisters Lambert Letzenitz († 1320) und der Sophia († zwischen 1326 und 1329).2) Er wurde 1320 Ratsherr in Greifswald und war mit Trude, die vor 1323 starb und ebenfalls in der Jacobikirche beigesetzt wurde (Kat.-Nr. 11), verheiratet. Da im 19. Jahrhundert die Jahreszahl auf seiner Grabplatte zum Teil verdeckt war und dadurch nicht vollständig gelesen werden konnte, nahm Pyl an, dass er 1327 oder 1328 starb.3) Allerdings hatte Kirchner (1845) bereits in Erwägung gezogen, dass es sich um die Grabplatte handeln könnte, für welche Balthasar (1750) das Jahr 1323 mitgeteilt hatte.4) Aus der nun wieder vollständig sichtbaren Inschrift geht hervor, dass der Sterbetag des Johannes der 17. September 1323 war. Elisabeth Wikbold (B2), Tochter des Ratsherrn Vinzenz Wikbold († 1418), war die erste Ehefrau des Ratsherrn (1419–1446) Raphael Letzenitz. Die Vermählung fand 1414 statt. Nach dem Tod Elisabeths heiratete Raphael Katharina Gnewekow und nach deren Tod Katharina Boldekow.5) Welcher Person Inschrift B1 gewidmet war, geht aus den noch vorhandenen Resten nicht hervor. Pyl schloss vermutlich aus dem zeitlichen und familiären Zusammenhang, dass sie zum Gedenken an Taleke, die zweite Ehefrau des Bürgermeisters Arnold Letzenitz angefertigt wurde.6) Die Platte kam 1645 in den Besitz von Martin Gültzow (C), Sohn von Johann Gültzow (1589–1629) und Anna Gruwel, zuerst verheiratet mit Margareta Schultz, später (1656) mit Modesta Stevelin. Martin besaß auch eine Grabplatte in der Marienkirche (Kat.-Nr. 380), erwarb zwei Häuser in der Langen Straße und eine Bude vor dem Vettentor und starb 1656. Nach Gesterding heiratete seine Tochter Margarete den Bürger und Altermann der Kleinhändler Andreas Odebrecht († 1695), an den die Grabplatte 1686 auf dem Erbweg gelangte (D). Bei Margarete könnte es sich aber auch um die im Mai 1660 geborene Enkelin von Martin Gültzow, Tochter seines gleichnamigen Sohnes, handeln. Der Besitzwechsel der Platte auf Andreas Odebrecht 1686 wäre dann, was näher liegt, nach dem Tod des jüngeren Martin Gültzow erfolgt.7)