Inschriftenkatalog: Stadt Goslar

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 45: Stadt Goslar (1997)

Nr. 55 Marktstr. 1 1502, ?

Beschreibung

Kemenate mit kreuzrippengewölbter Decke im Hinterhaus zur Münzstraße1), heute Teil der Stadtbücherei. Der steinerne, zweigeschossige Bau ist von annähernd quadratischem Grundriß. Die Jahreszahl (A) mit den darunter angebrachten Wappenschilden ist außen auf einem Fenstersturz zur Münzstraße hin eingehauen2). Im Deckengewölbe der Kemenate sind in vier Medaillons Evangelistensymbole mit den zugehörigen Namen auf Schriftbändern (B) aufgemalt; sie sind von Blatt- und Rankenwerk sowie Darstellungen von Grotesken und Masken umgeben3). Im Gewölbefeld mit der Darstellung des Adlers sind heute außerdem zwei Wappen zu sehen (älteres Wappen der Stadt Goslar, Montanen der Stadt Goslar4)), die nicht den auf den steinernen Hausteilen außen und innen angebrachten Wappen entsprechen. Die Malereien wurden 1907 – angeblich ausgehend von vorgefundenen Resten – erneuert5); daß sie dabei mit Sicherheit überformt wurden, machen die heutigen Buchstabenformen deutlich. Den gleichen Schluß legen die detailgenau und mit Schattierungen gemalten Wappeninhalte nahe6).

Die Neufassung der Malereien macht es unmöglich, sicher zu entscheiden, ob die Tituli der Evangelisten ursprünglicher Bestandteil der Malereien gewesen sind. Ebensowenig kann geklärt werden, ob die Ausstattung des Raums mit den Malereien unmittelbar nach seinem Bau 1502 erfolgte. Um den inhaltlichen Zusammenhang zu wahren, wurden die Tituli zusammen mit dem Baudatum des steinernen Fenstersturzes aufgenommen. Die Siegelbilder in den Wappenschilden hingegen werden als Resultat der Übermalung von 1907 angesehen7).

Maße: Du. (eines Medaillons) ca. 140 cm, Bu. ca. 5 cm.

Schriftart(en): Minuskeln mit Versalien.

Inschriftenkommission Göttingen [1/4]

  1. A

    15/02a)

  2. B

    <· St · Lu=/cas · // St · Jo=/hannes // · St · Mat=/thaeus · // · St · Marcus ·>

Wappen:
Mechtshusen8)Grimme9)

Kommentar

Bei Inschrift A handelt es sich um die älteste in arabischen Ziffern ausgeführte Jahreszahl an einem Goslarer Haus. Die Identität der Erbauer der Kemenate läßt sich nicht feststellen. Denkbar wären Barthold Mechtshusen und seine Frau, denn in ihrem Fall lassen sich Beziehungen zur Familie Grimme nachweisen. Bei der Aufnahme Jakob Grimmes in die Kramergilde trat Barthold 1506 als dessen Bürge auf10); vielleicht war er durch seine Frau, geb. Grimme, mit ihm verschwägert.

Textkritischer Apparat

  1. 1502] Liegende eckige 2. 1517 Kdm. Stadt Goslar; ebenso Griep, Bürgerhaus.

Anmerkungen

  1. Der Raum gehörte vermutlich zu einem heute abgerissenen Haus in der Münzstraße. Vgl. dazu Mithoff, Archiv, S. 43; Kdm. Stadt Goslar, S. 341–344; auch Griep, Bürgerhaus, S. 161. Nach Goslar. Das Bild der Stadt, S. 116, wurde die Kemenate 1907 mit dem Haupthaus an der Marktstraße verbunden. Zur Jahresangabe am Türsturz der Stadtbücherei vgl. A1 1526.
  2. Vgl. Kdm. Stadt Goslar, Abb. 324 S. 344.
  3. Vgl. die Beschreibung des Raums bei Griep, Bürgerhaus, S. 115, 161; Kdm. Stadt Goslar, S. 341–345. In Raumkunst in Niedersachsen, Katalog, werden die Malereien nicht erwähnt.
  4. Das Wappen der Stadt (eine Zinnenmauer mit offenem Tor und einem Turm, daneben Brustbilder der Apostel Simon und Judas) weist die von den Aposteln gehaltenen Spruchbänder mit den Buchstaben S SI[M]ON und S IVD auf. Vgl. die Abb. des Stadtsiegels in UB Goslar 2, Tf. VII, dazu S. 687f Nr. 31f. Zu diesem älteren, bis ins 14. Jahrhundert verwendeten Wappen und dem neueren Goslarer Adler vgl. Klemens Stadler, Deutsche Wappen: Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5: Die Gemeindewappen der Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Bremen 1970, S. 43; auch Crusius, S. 130. Zum Verband der Montanen vgl. Einleitung, S. XVII.
  5. Laut Kdm. Stadt Goslar, S. 342, waren 1901 nur geringe Reste der Malereien über dem Kamin und der Tür erhalten. Unter dem Johannes-Medaillon findet sich auf einem Schriftband der Vermerk: Nach vorgef(undenen) Vorbildern neu übermalt 1907. Reinh(ard) Ebeling. K(unst)maler. Hannover.
  6. Es ist sogar zu vermuten, daß der 1907 tätige Maler die vielleicht ursprünglich vorhandenen, aber nur noch in Umrissen erkennbaren Wappenschilde ausgefüllt hat, indem er zwei auf einer Seite angeordnete Abbildungen im Tafelanhang von Band 2 des Goslarer Urkundenbuchs (wie Anm. 4) als Vorlage heranzog.
  7. Vgl. Anm. 5.
  8. Wappen Mechtshusen (gespalten, rechts halber Adler, links drei Balken; Bonhoff/Griep, Nr. 1098).
  9. Wappen Grimme (nach rückwärts gewandter, schießender Zentaur; anders als ebd., Nr. 584). – Die gleichen Wappen sind auch auf den Rippen des Deckengewölbes angebracht. Die auf den Wappenschilden des Kaminsturzes aufgemalten Wappen mögen aus der Entstehungszeit der Kemenate stammen, könnten aber auch auf Ergänzungen des Jahres 1907 zurückgehen.
  10. So Engemann, S. 113.

Nachweise

  1. Kdm. Stadt Goslar, S. 345 (A).
  2. Griep, Kunstwerke 2, Abb. 59, 60 (B).
  3. Griep, Bürgerhaus, S. 115, 161 (A).

Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 55 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0005504.