Inschriftenkatalog: Stadt Goslar
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 45: Stadt Goslar (1997)
Nr. 76† Markt 5 1521, 1617
Beschreibung
Kramergildehaus. Das 1862 zerstörte, ehemals reich verzierte Kramergildehaus1) bestand aus einem massiven Hauptbau und einem Flügelbau im Hof mit massivem Erdgeschoß und zwei vorkragenden Obergeschossen, auf deren Schwellbalken die Inschriften A und B angebracht waren. Auf einem steinernen Tür- oder Lukensturz eines weiteren Anbaus mit massivem Erdgeschoß und einem Fachwerkobergeschoß war die Jahreszahl C eingemeißelt2).
Inschriften nach Mithoff, Archiv.
- A
Zu diesem Hauß Herr Jesu ChristDein Segen gib zu aller FristLaß alles drin gedein wollSo ist es Deiner gnaden vollWaß Du segenst bleibt bestehnOhn Dein Hülf thut alles vergehn
- B
Rathsherrn: Henni Vogt. Stephan Pfanschmidta). Tile Kegellb). Hieronimus Tacken. Wortc): Georg Brügman. Taffd): Johann Schütte. Vore): Christian Brenneken. Hans Henne. Monats Augusti Anno 1617f)
- C
1521
Textkritischer Apparat
- Pfanschmidt] Name von Mithoff wahrscheinlich normalisiert wiedergegeben, da in den Bürgeraufnahmen (vgl. Anm. 7) immer von Steffen oder Steffan Panschmidt die Rede ist; die Schreibung der Namensendung variiert.
- Kegell] Regell Mithoff. Dieser Name ist in Goslar nicht zu belegen, wohl aber eine Person namens Tile Kegel (vgl. den Kommentar).
- Wort ] Gekürzt, ‘Worthalter’.
- Taff ] Gekürzt, ‘Tafelherr’.
- Vor] Gekürzt, ‘Vormund’.
- 1617] 1717 Griep.
Anmerkungen
- Vgl. Kdm. Stadt Goslar, S. 313.
- Vgl. Mithoff, Archiv, Tf. 36, wo der Hof des Kramergildehauses mit diesem Anbau abgebildet ist.
- Zu den Gildeämtern vgl. Engemann, S. 20–28.
- StA Goslar, Kopialbuch der Kramergilde 1281–1643, A 9581, S. 2f.
- Goslarer Bürgerbuch 1, 1601/2, 1609/37, 1617/63.
- StA Goslar, Urkunde Stadt Goslar Nr. 1339b (1599 Sept. 29; genannt wird Henning Vogt ).
- Goslarer Bürgerbuch 1, 1601/75, 1603/55, 1604/38 u. 39, 1609/9, 1614/34, 1615/58, 1618/31, 1621/29, 1642/22. In einem weiteren Fall bezahlt er das Bürgergeld für die Braut eines anderen Mannes (ebd., 1624/22). Zur Familie Panschmidt vgl. Engemann, S. 106f; StA Goslar, Urkunde Stadt Goslar Nr. 1343 (1601 April 4).
- Goslarer Bürgerbuch 1, 1603/22, 1611/40, 1616/29, 1617/19. In Eintrag 1611/43 ist er außerdem als Zeuge eines Bürgereids genannt.
- StA Goslar, Urkunde Stadt Goslar Nr. 1411k1 (1630 Juni 15).
- StA Goslar, Urkunde St. Annenhospital/St. Annenhaus Nr. 21 (1616 Feb. 11), Urkunde Kloster Neuwerk Nr. 55 (1626 Feb. 2), Urkunde Brüdernkloster Nr. 14 (1599 Juni 24/1628 Dez. 20). Bereits 1602 verpachtete das Petersbergstift Land an Tackes Tochter Anne (Urkunde Petersbergstift Nr. 137 [1602 Sept. 29]). Noch 1634 wird er als Schwiegervater erwähnt (Goslarer Bürgerbuch 1, 1634/21). Bei demjenigen Hieronymus Tacke, der 1644 das Bürgergeld entrichtete (ebd., 1644/52), muß es sich um einen Verwandten, möglicherweise seinen Sohn handeln.
- Jürgen Brüg(ge)mann: Goslarer Bürgerbuch 1, 1602/56; StA Goslar, Kopialbuch der Kramergilde 1281–1643, A 9581, S. 136a [1614]).
- Goslarer Bürgerbuch 1, 1610/60. Personen dieses Namens sind 1562 (StA Goslar, Urkunde Stadt Goslar Nr. 1244a [1562 Apr. 30]) und 1645–1648 als Ratsherren nachzuweisen (Bonhoff, Bürgermeister, S. 4).
- Goslarer Bürgerbuch 1, 1603/84, 1629/54; StA Goslar, Urkunde Stadt Goslar Nr. 1411f (1624 Juni 24); nach Bonhoff, Bürgermeister, S. 3, auch ab 1640 im Rat; möglicherweise 1650 verstorben.
- Goslarer Bürgerbuch 1, 1605/69, 1611/38, 1613/57 (Hans Henni ).
- StA Goslar, Brandes, Chronica, S. 168.
- Frölich, Straßennamen, S. 96.
Nachweise
- Mithoff, Archiv, S. 38 (A, B); Tf. 36 (C).
- Mithoff, Kunstdenkmale, S. 71 (A, B).
- Griep, Bürgerhaus, S. 133.
Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 76† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0007603.
Kommentar
Die Bauweise des Hauses und die Jahreszahl 1521 lassen darauf schließen, daß der gesamte Bau ein deutlich höheres Alter aufwies, als durch die 1617 angebrachte Inschrift bezeugt wird.
In Inschrift B werden die wichtigsten Amtsträger der Kramergilde genannt. Den Gilderatsherren oblag zusammen mit den Vormunden die Gildegerichtsbarkeit. Letztere waren Bevollmächtigte der Gilde in allen rechtlichen Angelegenheiten, verwalteten das Gildevermögen, beriefen Versammlungen ein und überwachten die Warenqualität. Das Amt des Worthalters gab es nur in der Kaufleute- und der Kramergilde. Für das 16. Jahrhundert wird er zu den Vormunden gezählt und als Verbindungsperson zum städtischen Rat bezeichnet. Das Amt der Tafelherren umfaßte die Versorgung der Gildemitglieder bei Festmahlen und die Verwaltung der Vorräte3).
Henni Vogt wird 1598, Christian Brendeke 1586, Steffen Panschmidt 1613 und Tile Kegel 1614 als Ratsherr der Kramergilde genannt4). Henni Vogt tritt in den Jahren 1601, 1609 und 1617 als Bürge auf5); bereits 1599 bezeugt er einen Grundstücksverkauf6). Steffen Panschmidt, Angehöriger einer alten Goslarer Kramerfamilie, ist zwischen 1601 und 1624 bei zehn Bürgeraufnahmen als Bürge sowie als Zeuge für eine gerichtliche Vorladung nachzuweisen7). Tile Kegel trat zwischen 1603 und 1617 viermal als Bürge auf8). Im Jahr 1630 war er außerdem Zeuge bei der Übergabe der Kaiserpfalz durch die Stadt Goslar an die Jesuiten9). Hieronymus Tacke begegnet in Urkunden bis 1628 als Ratsherr, Vormund des Klosters Neuwerk und Vertreter des Franziskanerklosters10). Georg Brügmann ist möglicherweise als Bürge bei Bürger- und Gildeaufnahmen nachzuweisen11). Johann Schütte wird 1610 als Bürge genannt12). Christian Brendeke entrichtete 1603 das Bürgergeld und ist später als Bürge und Ratsherr nachweisbar13). Die beiden Letztgenannten stifteten 1611 Wappenscheiben für die St. Katharinenkapelle (Nr. 141). Ein Hans Henne, in Ilmenau geborener Sattler, erwarb 1605 das Bürgerrecht und trat 1611 und 1613 als Bürge auf14).
In einer 1729 entstandenen Abschrift der Chronik des Hans Caspar Brandes wird berichtet, das Gildehaus der Kramer am Markt, der ‘Güldene Löwe’, sei 1488 zunächst als Wirtshaus erbaut worden; später hätten es die Kramer erworben. Ihre Verkaufsbuden befanden sich vor dem Haus15). Das ältere, nach 1500 aufgegebene Gildehaus der Kramer stand an der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes in der Nähe der Einmündung der Breiten Straße16).