Inschriftenkatalog: Stadt Goslar

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 45: Stadt Goslar (1997)

Nr. 72 Goslarer Museum 1520

Beschreibung

Triumphkreuzgruppe, Lindenholz mit Leinwandüberzug. Die Skulpturen waren in der Stiftskirche St. Simon und Judas über dem Lettner auf einem hölzernen Kielbogen angebracht1). Zu der Gruppe gehörten Christus am Kreuz, die beiden Schächer, Maria, Johannes, Joseph von Arimathäa und Nikodemus; weitere Apostelfiguren sind verschollen. Die Gewandsauminschriften sind auf dem Hemd des Schächers (A) rechts von Christus und auf dem Gewand des Johannes (B) in dunkler Farbe aufgemalt. Die Buchstabenreste auf dem Gewand Mariens sind nicht mehr lesbar. Die Gruppe wurde im 19. Jahrhundert2), 1931, um 1950 und zuletzt 1991/92 restauriert3).

Maße: H. 248 cm (Christusfigur), 210 cm (übrige Figuren), Bu. ca. 9–12 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A

    V · G · M · Sa)

  2. B

    O R A N I V

Kommentar

Die mehrfach vorgenommenen Versuche, die Buchstaben von Inschrift A als Initialen der an der Entstehung der Kreuzigungsgruppe beteiligten Meister zu deuten, überzeugen nicht4). Da vielen Gewandsauminschriften lediglich eine ornamentale Funktion zukommt und sie aus sinnlosen Buchstabenfolgen bestehen5), erübrigt sich hier wie auch in anderen Fällen die Suche nach ihrer Bedeutung.

Im Kopf der Christusfigur befand sich eine während der Restaurierung im Jahr 19326) gefundene kleine gedrechselte und farbig bemalte Dose. Sie enthielt einen Pergamentstreifen mit einem Fertigungsvermerk, dem zufolge die Skulpturen 1520 entstanden7).

Textkritischer Apparat

  1. V · G · M · S] H V G M [H] S Griep. Zu dieser Lesung vgl. Anm. 4.

Anmerkungen

  1. Zur ehemaligen Anordnung der Figuren am Lettner vgl. Abb. bei Griep, Kunstwerke 1 D, S. 19; auch Hölscher, Gottesdienst, S. 13.
  2. In eine Falte des Kopftuchs der Maria ist mit einem scharfen Gegenstand der Name Hans Brandes eingeritzt, den man für den des Schnitzers gehalten hat (so Stuttmann/von der Osten, S. 18f). Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen Vermerk aus der Entstehungszeit, sondern um eine Zutat des Braunschweiger Malers, der im 19. Jahrhundert die Kreuzigungsgruppe mit Ölfarbe behandelte.
  3. Vgl. die Angaben auf den Erläuterungstafeln im sog. Domraum des Museums.
  4. Griep liest Inschrift A als H V G M [H] S und möchte sie als „Hans Voget Goslar, Meister Hans Sohn, oder Hans Snider“ deuten (Griep, Kunstwerke 1 D, S. 17). Er liest dabei das byzantinische M an vierter Stelle irrtümlicherweise als Ligatur aus M und H. Ebenso Heinrich Siebern, Die Kreuzigungsgruppe des Lettners im ehemaligen Dom zu Goslar, in: Zs. für Denkmalpflege 7, 1933, S. 167–169, hier S. 168, beruhend auf Überlegungen von Buhmann: „H(ans) V(ogt) G(oslar) M(aler) S(culpteur)“; vgl. StA Goslar, Buhmann, S. 17. Hans Vogt war angeblich auch an der Ausmalung der Ratsstube im Rathaus beteiligt (vgl. die Inschrift in der Füllung der Tür von der Halle in den Verbindungsgang zur Ratsstube, A1 um 1505 – nach 1510).
  5. Vgl. Einleitung, S. XXIX.
  6. Vgl. StA Goslar, Buhmann, S. 17.
  7. anno domini Mo Quingentesimo xxo est erecta ista crux tempore Leonis pape decimi. Reliquie de sancta cruce et de alijs sanctis ut videtur (?) ad honorum dei et patronorum (StA Goslar, Photosammlung Bau- und Kunstdenkmäler; nur teilweise wiedergegeben bei Siebern [wie Anm. 4], S. 168). Außerdem enthielt die Dose zehn von buntem Stoff umhüllte, verschnürte und teilweise versiegelte Reliquienpäckchen, deren Inhalt auf jeweils angehefteten Pergamentstreifen angegeben war.

Nachweise

  1. Heinrich Siebern, Die Kreuzigungsgruppe des Lettners im ehemaligen Dom zu Goslar, in: Zs. für Denkmalpflege 7, 1933, S. 167–169, hier S. 168 (A).
  2. Stuttmann/von der Osten, S. 19 (A).
  3. Griep, Kunstwerke 1 D, S. 17 (A).

Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 72 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0007205.