Inschriftenkatalog: Stadt Goslar

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 45: Stadt Goslar (1997)

Nr. 45 Neuwerkkirche 15. Jh.

Beschreibung

Deckplatte der Tumba für die Stifter des Neuwerkklosters und der Neuwerkkirche, den kaiserlichen Vogt Volkmar (I.), genannt von Wildenstein, aus der Familie von Goslar und seine Frau; Sandstein, aus drei Bruchstücken bestehend. Die Platte befindet sich jetzt im nördlichen Querhaus und war früher in der Vierung aufgestellt. Die Deckplatte wurde verkürzt, um auf den möglicherweise älteren und ursprünglich anderweitig verwendeten Unterbau aufgesetzt werden zu können. Diese Veränderung könnte im Zusammenhang mit dem Umbau des Lettners 1843 vorgenommen worden sein1).

In spätgotischer Nischenarchitektur sind ein Mann mit Topfhelm (Grafenhut), einem Schwert als Zeichen der Vogtwürde2) und einem Umhang dargestellt, neben ihm eine Frau mit Haube und langem Umhang über dem Kleid, ein geöffnetes Buch haltend. Oberhalb der Figuren sind zwei Wappenschilde angebracht. Die Inschrift ist auf den beiden Langseiten der Platte eingehauen.

Maße: H. 263 cm, Br. 181 cm, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal in gotischer Majuskel.

Inschriftenkommission Göttingen [1/5]

  1. Consepulti · su(n)t · hic · strenuus · miles · d(omi)n(u)s volcmar(us) de · wildensteyn · et hel[e(n)a]a) · uxor / eius fundatores (et)b) dotatores hui(us) · monasterij · qui · floruer(un)t · circa · annos [. . .] <iii>c) mcc quor(um) a(n)i(m)e requiesca(n)t in · pace

Übersetzung:

Hier sind zusammen begraben der tüchtige Ritter Herr Volkmar von Wildenstein und seine Ehefrau Helena, Stifter und Ausstatter dieses Klosters, die um die Jahre 12(..) lebten. Mögen ihre Seelen in Frieden ruhen.

Wappen:
von Goslar3)?4)

Kommentar

Die Darstellung geht vermutlich auf ein Grabmal aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück, das bewußt kopiert, mit spätgotischen Architekturbögen versehen und in Schrift- und Darstellungsformen Gewohnheiten des 15. Jahrhunderts angepaßt wurde. Dabei wurden der Name des Stifters (de wildensteyn) und wohl auch die im späten 12. Jahrhundert noch nicht gebräuchliche Standesbezeichnung (miles) angeglichen5). Volkmar (I.) starb nach 1191 und ist in Urkunden wohl seit 1151 nachweisbar6). Das Wappen und somit die Identität der Ehefrau Volkmars (I.) ist nicht bekannt7). Die Deckplatte wird ohne Angabe von Gründen in die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert8).

Der in der Inschrift angegebene Familienname des Vogts Volkmar, von Wildenstein, findet sich in Urkunden erst ab 12619). Als Mitglied der seit dem 13. Jahrhundert so genannten Familie von Goslar ist Volkmar (I.) jedoch auch Vorfahr der Herren von Wildenstein10). In der Stiftungsurkunde des Nonnenklosters Neuwerk wird Volkmar nur als Goslariensis advocatus bezeichnet11). Der offensichtlich sehr wohlhabende Vogt gründete 1186 das Kloster und dotierte es mit Besitz in der Stadt und mit Land12). Die Grabmäler zweier seiner Söhne, der kaiserlichen Vögte Giselbert (II.) und Volkmar (II.), sind im Gegensatz zu dem Volkmars (I.) im Original erhalten (Nr. 10, 11).

Textkritischer Apparat

  1. hel [e(n)a]] Nach den ersten drei Buchstaben des Vornamens nur drei Schäfte zu erkennen. Die Ergänzung erfolgt nach der urkundlichen Überlieferung (wie Anm. 11).
  2. Tironisches et mit diagonal darübergesetztem Kürzungsstrich.
  3. Die drei Hasten iii der Datumsangabe stehen auf Mörtel, der eine Bruchstelle in der Deckplatte ausfüllt, und sind kleiner als die übrigen Buchstaben. Es ist also davon auszugehen, daß sie nachträglich angebracht wurden. Ob sie dem ursprünglichen Wortlaut der Inschrift entsprechen, ist nicht zu entscheiden; MC.C... Asche; M. CC Büsching; m. cc Mithoff, Archiv.

Anmerkungen

  1. So Griep, Neuwerk, S. 75. Eine Rekonstruktion des Unterbaus bei Griep, Ausgrabungen 3, in: Harz-Zs. 22/23, 1970/71, S. 16–19.
  2. Vgl. Einleitung, S. XVII.
  3. Wappen von Goslar (Balken; vgl. Bonhoff/Griep, Nr. 561).
  4. Wappen ? (geteilt, oben ein halbes, nach unten geöffnetes Rad).
  5. Nach Wolfgang Petke, Pfalzstadt und Reichsministerialität. Über einen neuen Beitrag zur Reichsgut- und Pfalzenforschung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 109, 1973, S. 270–304, hier S. 295, ist diese Bezeichnung generell seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts, in Goslar erstmalig im Jahr 1227 belegbar.
  6. Vgl. ebd., S. 290.
  7. Nach Werner Deich, Das Goslarer Reichsvogteigeld. Staufische Burgenpolitik in Niedersachsen und auf dem Eichsfeld (Historische Studien 425), Lübeck 1974, S. 161, handelt es sich bei ihr um eine „Helene (von Depenau)“. Für seine Vermutung führt der Autor jedoch keinen Nachweis an.
  8. Griep, Kunstwerke 1 K, S. 13; auch ders., Neuwerk, S. 73.
  9. Vgl. UB Goslar 2, Nr. 77 S. 157 (Borchardus de Wildensten); dazu Wilke, S. 230. Im Ende des 13. Jahrhunderts angefertigten Auszug aus dem Nekrolog des Stifts St. Simon und Judas (StA Goslar, Domstift, Kopialbuch A, Bestand B [unverzeichneter Teil], S. 5–8) findet sich dieser Familienname nicht. Es werden nur Verstorbene der Familie de Goslaria genannt.
  10. Vgl. den Stammbaum der beiden Familien bei Wilke, Anhang (o. S.).
  11. UB Goslar 1, Nr. 306 S. 341f, hier S. 341. So oder ähnlich auch in Urkunden der Jahre 1173–1191/97, in denen Volkmar als Zeuge auftritt. Vgl. Wilke, S. 217 Nr. 1–3, S. 218 Nr. 7, S. 219f Nr. 9–12. Ebd., S. 218 Nr. 5 (1187) wird er als vir illustris bezeichnet, S. 220 Nr. 15 (1219) erstmals als Volcmarus de Goslaria; S. 221f Nr. 22 wie sein Bruder, der Vogt Giselbert, als dominus.
  12. Wilke, S. 121, bezeichnet ihn als „Großunternehmer im Bergwesen“. Zum Umfang der Stiftung vgl. ebd.

Nachweise

  1. Heineccius, Abb. nach S. 162.
  2. Büsching, S. 292f.
  3. Mithoff, Archiv, S. 22; Tf. 23.
  4. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 53.
  5. Kdm. Stadt Goslar, S. 109.
  6. Asche, Kaiserpfalz, S. 116.
  7. Griep, Kunstwerke 1 K, S. 13.
  8. Wilke, S. 119.
  9. Griep, Neuwerk, S. 73.

Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 45 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0004508.