Inschriftenkatalog: Stadt Goslar

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 45: Stadt Goslar (1997)

Nr. 28† St. Peter und Paul zum Frankenberge 14. Jh.

Beschreibung

Glocke, im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Die Krone wies eine Perlstabverzierung auf. Inschrift A war oben und unten von je zwei einfachen Schnüren eingefaßt. Worttrenner bestanden nach den ersten beiden Wörtern aus fünf kreuzförmig angeordneten Punkten. Inschrift B war unterhalb von A in wesentlich kleineren, aber ungleichmäßig hohen Buchstaben angebracht. Die Buchstaben eines Teils von Inschrift B wurden während der Herstellung der Glocke so in den Mantel eingeritzt, daß sie nach der Fertigstellung von rechts nach links gelesen werden mußten.

Inschrift A nach Mithoff, Archiv; Inschrift B nach Kdm. Stadt Goslar.

Maße: Du. 121 cm, Bu. 3 cm (B)1).

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. A

    + AVE · MARIA · GR(ATI)A · PLENA · D(OMI)N(V)S · TECVM2)

  2. B

    DV(M) · ME · PVLSATOR · TVNC · O(MN)E · MALIN · FVGIAT · FVSOR · GAVD(ER)ICVM · · SV · FVS · EX ERE · LAVDES · XPO · DABO · VEREa)

  3. Emendationsvorschlag:

    B

    DV(M) · ME · PVLSATOR · [PVLSAT ·] TVNC · O(MN)E · MALVMb) · FVGIAT · FVSOR · GAVDERICVSc) .SV(M) · FVS[A] · EX · ERE · LAVDES · (CHRISTO) · DABO · VEREd)

Übersetzung:

Sei gegrüßt, Maria, Gnadenvolle, der Herr ist mit dir. (A)

Wenn mich der Glöckner schlägt, dann soll jedes Übel fliehen. Der Gießer ist Gaudericus. Ich bin aus Erz gegossen, Lob werde ich Christus wahrhaft bringene). (B)

Versmaß: Unvollständiger Hexameter (B, Z. 1), Pentameter (Z. 2), Hexameter zweisilbig leoninisch gereimt (Z. 3).

Kommentar

Inschrift A wies unziales E, M mit nach außen gebogenen Hastenenden und rundes N auf. Offenbar war diese Glocke einer noch erhaltenen, ebenfalls mit einer Inschrift versehenen Glocke der Neuwerkkirche (Nr. 26) außerordentlich ähnlich: Die Buchstaben der Frankenberger Glocke waren ebenfalls mit Binnenzeichnungen bestehend aus Strichen, Punkten und Gittern versehen, die Sporen als blattförmige Verzierungen ausgezogen. Beide Glocken werden von dem sich auf der Frankenberger Glocke namentlich nennenden Gießer Gaudericus gegossen worden sein. Die Form der Glocken ebenso wie die Buchstabenformen weisen ins 14. Jahrhundert3). In Inschrift B wird in der Tradition von apotropäischen Glockensprüchen um Schutz vor Übel gebeten4).

Textkritischer Apparat

  1. SV bis VERE auf der Glocke linksläufig angebracht.
  2. MALVM] In Anbetracht eines ähnlichlautenden Glockenspruchs, der an dieser Stelle das Wort malignum aufweist (vgl. Anm. 4 sowie Nr. 27), wäre zu überlegen, ob statt MALVM nicht auch eine gekürzte Form von MALIGNVM anzusetzen ist. In diesem Fall bestünde der Text von DV(M) bis MALIGNVM aus einem Hexameter.
  3. DV(M) ME · PVLSATVR · TVNC · O(MN)E · MALVM · FVGIAT · FVSOR(EM) · GAVDERICVM · Emendation Mithoff für Z. 1–2.
  4. Emendation von Z. 3 nach Mithoff.
  5. Die Übersetzung von Z. 1–2 der Inschrift B folgt dem Emendationsvorschlag, für den ich Prof. Dr. Ulrich Schindel, Göttingen, danke.

Anmerkungen

  1. Durchmesser der Glocke nach Griep, Kunstwerke 1 C, S. 38 Nr. 11; Buchstabenhöhe (B) nach Kdm. Stadt Goslar, S. 182.
  2. Liturgischer Text, nach Lc. 1,28.
  3. Griep, Kunstwerke 1 C, S. 38 Nr. 11, datiert „13. Jh.“. Vgl. dagegen den Datierungsansatz der Neuwerkglocke (Nr. 26). Otte, S. 188, und Walter, S. 737, datieren die Glocke ohne Angabe von Gründen ins Jahr 1325.
  4. Vgl. Favreau, S. 135f; Bindel, passim. Bei Otte, S. 126, ist der Spruch Dum sonat hoc signum, fugiat procul omne malignum belegt.

Nachweise

  1. Mithoff, Archiv, S. 28 (A).
  2. Kdm. Stadt Goslar, S. 182 mit Abb. 177 (B), Abb. 174 S. 180.
  3. Mithoff, Kunstdenk-male, S. 58.
  4. Griep, Kunstwerke 1 C, S. 38 Nr. 11.
  5. Arnold, Nr. 10.

Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 28† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0002807.