Inschriftenkatalog: Stadt Goslar
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 45: Stadt Goslar (1997)
Nr. 26 Neuwerkkirche 14. Jh.
Beschreibung
Glocke. ‘Sonntagsglocke’, größte der insgesamt fünf mittelalterlichen Glocken1). Die Krone weist eine Perlstabverzierung auf. Die Inschrift wird nach oben und unten von je zwei kräftigen Schnüren begrenzt. Die Umrisse der Buchstaben wurden in das Innere des Formmantels eingeritzt; die Konturen sind als feine, leicht erhabene Linien ausgeführt, die Buchstabenkörper weisen aus Punkt- und Strichornamentik bestehende Binnenzeichnungen auf. Auf dem Mantel befinden sich insgesamt neun runde oder vierpaßförmige, plakettenartige Reliefs. Identifizierbar sind in runden Medaillons zweimal ein berittener Engel mit Zepter und Reichsapfel, ein Kampf zwischen einem Löwen und einem Drachen, in Vierpässen der thronende Apostel Paulus mit Schwert, Petrus (?), eine sitzende Figur, die das Lamm Gottes anbetet (hl. Agnes, Joachim, Johannes Bap. ?), sowie eine weitere sitzende, lesende Figur (Evangelist ?). Das Anfangskreuz der Inschrift ist von vier Punkten bewinkelt.
Maße: Du. 131 cm, Bu. 8 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
+ · AVE · MARIA · GRACIA PLENA : DOMINU:Sa) TECVM ·
Übersetzung:
Sei gegrüßt, Maria, Gnadenvolle, der Herr (ist) mit dir.
Textkritischer Apparat
- DOMINU:S] Worttrenner irrtümlich zwischen letzten und vorletzten Buchstaben gesetzt.
Anmerkungen
- Eine Gesamtübersicht der fünf Glocken in Neuwerk bei Peter, S. 127. Die hier beschriebene Glocke trägt nach ihrer Tonhöhe die Ordnungszahl I.
- Vgl. Schilling, vor allem Abb. 256, aber auch Abb. 255, 258, 259 S. 141.
- Griep, Kunstwerke 1 C, S. 37 Nr. 10, datiert die Glocke ins 13. Jahrhundert; ebenso Peter, S. 118.
Nachweise
- Mithoff, Kunstdenkmale, S. 53.
- Mithoff, Kirchen, S. 31.
- Kdm. Stadt Goslar, S. 106, Abb. 106 S. 107.
- Griep, Kunstwerke 1 C, S. 37 Nr. 10.
- Arnold, Nr. 11.
- Peter, S. 119.
Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 26 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0002603.
Kommentar
Es finden sich unziale Formen von A und M (vorne rund geschlossen bzw. offen mit nach außen gebogenen Hastenenden) sowie rundes N. C und E sind abgeschlossen; Bogenschwellungen weisen gerade Innenkonturen auf. Die Schwellungen und Buchstabenenden sind vielfach mit Blattwerk verziert. Eine nicht erhaltene Glocke der Frankenberger Kirche, auf der sich der Gießer Gaudericus nannte (Nr. 28), wies ebenfalls diese sorgfältig ausgeführten Zierelemente der Buchstaben auf. Daher ist zu vermuten, daß auch die Glocke der Neuwerkkirche von diesem Meister gegossen wurde. Da beide Glocken nicht mehr die im 13. Jahrhundert vorherrschende Zuckerhutform zeigen und Glocken mit vergleichbar gestalteten Inschriften vor allem im 14. Jahrhundert zu finden sind2), ist eine Entstehung der Frankenberger und der Neuwerkglocke im 14. Jahrhundert wahrscheinlich3).