Inschriftenkatalog: Stadt Goslar

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 45: Stadt Goslar (1997)

Nr. 22 St. Stephani vor 1331, 2. H. 14. Jh.

Beschreibung

Hostienpyxis, Silber, vergoldet, aus der Neuwerkkirche; modernes Ciborium mit Halbfiguren von Heiligen, die an der Pyxis befestigt waren.

Hostienpyxis. Auf einem wohl noch im Laufe des 14. Jahrhunderts ergänzten runden Fuß und dem Schaft mit geripptem Nodus ist die runde Büchse befestigt. Auf der Wandung befinden sich unter Rundbogenarkaden und vor abwechselnd gemustertem und glattem Hintergrund eingravierte Brustbilder der zwölf Apostel mit Namenbeischriften (A), die abwechselnd über und in dem Rundbogen angebracht sind. Weiterhin ist am oberen (B) und unteren Rand (C) der Pyxiswandung je ein Inschriftenband plaziert, dort außerdem zwanzig Ösen, an denen kleine Glöckchen befestigt waren.

Auf dem kegelförmigen, aufklappbaren Deckel mit später ergänzter Spitze ist die um den Rand umlaufende Inschrift D angebracht sowie unter Dreipaßbögen Brustbilder von Christus, flankiert von zwei Engeln, und von Maria, der Patronin der Neuwerkkirche, mit dem Jesuskind. Die Tituli (E) sind jeweils um die Bogenscheitel herum plaziert. Schließlich sind beidseitig neben Maria Darstellungen der betenden Stifter zu sehen, senkrecht zum Deckelrand ihre Namen (F). Alle Inschriften sind eingraviert. In den Inschriften B–F sind kreuzförmige Worttrenner verwendet worden.

Ciborium mit Halbfiguren von Heiligen. Wohl gleichzeitig mit der Ergänzung des Fußes und der Deckelspitze, also noch während des 14. Jahrhunderts, wurden auch die Halbfiguren der Heiligen Gregor, Cyriacus und Johannes Ev. mit den dazugehörigen Tituli (G) auf Schriftbändern an der Wandung der Pyxis aufgenietet. Auf dem Deckel befanden sich drei Medaillons mit Darstellungen der Kreuzigung – am Kreuz der Titulus H – sowie der Auferstehung und der Marienkrönung. Alle ergänzten Stücke bestehen aus zusammmengelöteten und gegossenen Teilen sowie getriebenen und ausgefüllten Silberblechstücken, die nachträglich vergoldet wurden, und sind seit 1938 auf dem modernen Ciborium angebracht. Die Inschriften G und H sind aus dem schraffiert gravierten Hintergrund herausgearbeitet.

Maße: H. 28 cm, Du. 9,5 cm, Bu. 0,2 cm (A), 0,7 cm (B, C), 0,5 cm (D), 0,3 cm (E), ca. 0,4 cm (F, G), 0,2 cm (H).

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Inschriftenkommission Göttingen [1/8]

  1. A

    · PETRVS // PAV·LVS · // PHILIPP(VS) // · JACOBVS · // IVDAS // · SIMON · // MATHIAS // · JOHNAN/ESa) · // MATHEVS // BARTHOLO·/MEVS // · THOMAS · // · ANDREAS

  2. B

    + HOC · IACET · IN · VASE · CELESTIS · VICTIMA · PHASE1)

  3. C

    + VITA · SALVTARIS · SEMEL · IN · CRVCE · SEMPER · IN · ARIS

  4. D

    + VIUE PANIS · VIVAX VNDA+ VERA VITIS2) ET FECVNDA ·· TV NOS PASCE · TV NOS MVNDA

  5. E

    · ANGELVS · // · SALVATOSb) · // ANGELVS // · S · MARIA

  6. F

    THJ(DERICVS) · / P(RE)POSITVS // ABB(ATISS)A · / · ADELHEI(DI)S ·

  7. G

    S GREGORIVS // S SIRIACVS // S IOHANES EWAc)

  8. H

    INRI

Übersetzung:

In diesem Gefäß liegt das Opfer des himmlischen Osterlamms. (B)

Das heilbringende Leben, einmal am Kreuz, immer auf den Altären. (C)

Lebendiges Brot, lebende Quelle, wahrer und fruchtbarer Weinstock, ernähre uns, reinige uns. (D)

Ein Engel. Der Erlöser. Ein Engel. Die hl. Maria. (E)

Propst Dietrich. Äbtissin Adelheid. (F)

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt (B, C), Hymnenvers (D).

Kommentar

Die Inschriften A–F sind in einer entwickelten gotischen Majuskel ausgeführt. Es finden sich runde Formen von E, F, H, M, N und T. C und E sind abgeschlossen, die Sporen an den übrigen Buchstaben ebenso ausgeprägt wie die Schwellungen an Hasten und Bögen. Bogenschwellungen weisen oft gerade Innenkonturen auf und sind gelegentlich spitz ausgezogen; besonders variantenreich ist A ausgeführt.

Die Schrift der Tituli zu den später angebrachten Heiligenfiguren unterscheidet sich deutlich von der auf der Pyxis verwendeten. Auf unregelmäßig schraffiertem Untergrund und in den Proportionen wesentlich schlanker ausgeführt, finden sich geschwungene oder als Spaltung von Buchstabenschäften ausgezogene Sporen (I) und spitz ausgezogene Schwellungen. Diese Zierformen finden sich auch auf dem Reliquienarm der hl. Margarete in der Trinitatiskapelle des Rathauses (Nr. 25), der wohl in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angefertigt wurde.

In den Inschriften B–D wird auf die in der Pyxis aufbewahrten Hostien und die Eucharistie Bezug genommen. Der Propst Dietrich und die Äbtissin Adelheid, die in Inschrift F als Stifter namentlich genannt werden, sind in zahlreichen Urkunden des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts nachweisbar3). Sie stellten im Jahr 1296 gemeinsam eine Urkunde aus4). Daß sie auch noch nach 1300 zusammen amtierten, belegt ein Dokument von 13255). Da im Jahr 1331 Propst Dietrich als quondam praepositus bezeichnet wird6), muß die Hostienpyxis vor diesem Zeitpunkt angefertigt worden sein. Eine Datierung „um 1290“7) ist somit zwar nicht ausgeschlossen, aber wohl angesichts der beiden gemeinsamen urkundlichen Nennungen der Stifter 1296 und 1325 zu früh angesetzt. Auf welche Weise die Pyxis aus der Neuwerkkirche nach St. Stephani gelangte, ist nicht bekannt.

Textkritischer Apparat

  1. JOHNANES] Richtig JOHANNES.
  2. SALVATOS] Richtig SALVATOR.
  3. Inschrift bricht aus Platzgründen ab, zu ergänzen ist EWA[NGELISTA].

Anmerkungen

  1. VICTIMA PHASE vgl. Ex. 34,25: victima sollemnitatis phase.
  2. VERA VITIS Io. 15,1.
  3. UB Goslar 2, Register, S. 618; UB Goslar 3, Register, S. 730.
  4. UB Goslar 2, Nr. 513 S. 504f.
  5. UB Goslar 3, Nr. 704 S. 480.
  6. Ebd., Nr. 892 S. 591f.
  7. Griep, Kunstwerke 1 A, S. 18; ders., Neuwerk, S. 105.

Nachweise

  1. Griep, Kunstwerke 1 A, S. 18f.
  2. Griep, Neuwerk, S. 105–107.
  3. Geyer, Abb. S. 131.
  4. Hasselbring, Stephanikirche, S. 65f.

Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 22 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0002205.