Inschriftenkatalog: Stadt Goslar

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 45: Stadt Goslar (1997)

Nr. 11 St. Peter und Paul zum Frankenberge nach 1265, 1549–1587

Beschreibung

Doppelgrabplatte, wohl für den kaiserlichen Vogt Volkmar (II.) von Goslar und seine Frau1), Sandstein, trapezförmig, aus mehreren Bruchstücken zusammengesetzt, durch Metallklammern und Mörtel miteinander verbunden. Sie wurde 1549 im Boden der Augustinuskapelle gefunden und ist seit etwa 1880 im südlichen Seitenschiff der Frankenberger Kirche aufgestellt. Die Kapelle befand sich südwestlich des Chors auf dem Friedhof und wurde 1830 abgerissen. Auf dem Stein ist links ein kaiserlicher Vogt mit einem Schwert2) in der linken Hand dargestellt, der mit der rechten Hand in einem vornehmen Gestus die Mantelschließe ergreift, daneben eine betende weibliche Figur. Beide tragen lange Gewänder und stehen auf Konsolen. Unterhalb eines mit Sternen besetzten Rundbogenfrieses, der sich an den Seiten der Grabplatte als einfaches Band mit Sternen fortsetzt, ruhen ihre Köpfe auf Kissen.

Die ursprüngliche Inschrift A auf dem oberen Rand des Steins war nur flach eingeritzt und ist darum weitestgehend verwittert oder durch die später am gleichen Ort eingehauene Inschrift B zerstört worden. Die lesbaren Buchstaben befinden sich auf dem oberen, waagerechten Randstreifen. Ob sich an der rechten Langseite oder an beiden Seiten weiterer Text befunden hat, ist nicht mehr zu entscheiden.

Maße: H. 218 cm, Br. oben 126 cm, unten 98 cm, Bu. 3,5 cm (A), 4,5–5 cm (B).

Schriftart(en): Majuskelbuchstaben (A), Kapitalis (B).

Julia Zech [1/1]

  1. A

    [. . .] FEBRVARII · O(BIIT) [. . .]

  2. B

    RAM GOSA

Übersetzung:

(...) des Februar starb (...). (A)

Kommentar

Einen ersten Anhaltspunkt für die Datierung bieten stilistische Übereinstimmungen mit dem um 1235/40 geschaffenen Doppelgrabmal Heinrichs des Löwen und seiner Frau Mathilde im Braunschweiger Dom St. Blasii, das schon kelchartige Blattkonsolen unter den Füßen der Figuren, Kissen unter ihren Köpfen und eine ähnliche Kopfbedeckung der Frau aufweist. Die Qualität und Ausdrucksstärke dieses Vorbilds wird aber keineswegs erreicht.

In Inschrift B treffen sich die nach oben gebogenen Schräghasten des M noch oberhalb der Zeilenmitte und reichen über die Hastenenden hinaus, das G weist eine eingestellte verzierte Cauda auf. Die Sporen von G und S setzen nicht im rechten Winkel, sondern schräg an den Bogenenden an. Diese Merkmale weisen die Inschrift zunächst ins 16. Jahrhundert. Ihre Entstehungszeit läßt sich genauer in die Jahre zwischen 1549 und 1587 eingrenzen3).

Die beiden vor 1587 angebrachten Namen bezeichnen die sagenhaften Gründer Goslars, die einer Sage zufolge dem Rammelsberg und der Stadt selbst ihre Namen gaben: Der Hengst des Ritters Ram scharrte die Silberadern des Rammelsbergs auf; nach der Frau des Ritters wurde der durch Goslar fließende Bach Gose und später die gesamte Stadt benannt. Diese Sage wurde mit der Grabplatte vielleicht deswegen in Zusammenhang gebracht, weil die Augustinuskapelle wohl zu Unrecht als Vorläuferin der Frankenberger Kirche, der ältesten bezeugten Pfarrkirche Goslars, galt.

Es ist ohne nähere Begründung vermutet worden, das Denkmal könnte für den kaiserlichen Vogt Berthold von Gowische und seine Frau bestimmt gewesen sein, in denen man die möglichen Stifter des 1234 gegründeten Magdalenerinnen-Klosters gesehen hat. Die Durchsicht der maßgeblichen Literatur und der archivalischen Quellen führt jedoch zu dem Schluß, daß die Merkmalkombination ‘Datierung des Todestags Februar’, ‘kaiserlicher Vogt’ und ‘bedeutsam für die Frankenberger Kirche’ wohl nur auf Volkmar (II.) von Goslar, den Bruder des kaiserlichen Vogts Giselbert (II.) (vgl. Nr. 10) und Sohn des kaiserlichen Vogts Volkmar (I.) (vgl. Nr. 45) zutrifft4). Wenngleich es nach den Quellen nicht möglich ist, Volkmar (II.) als eigentlichen Stifter des Frankenberger Klosters nachzuweisen, lassen die Urkunden doch erkennen, daß er bei der Vergabe der Kirche an die Magdalenerinnen eine maßgebliche Rolle gespielt haben muß. Wohl aus diesem Grund wurde ihm ein Grabmal zugedacht, das sonst Stiftern im eigentlichen Sinn – also Eigentümern von Grundbesitz, der zum Bau oder zur Ausstattung einer geistlichen Einrichtung übertragen wurde – vorbehalten war.

In zwei Urkunden der Jahre 1264 und 1265 bezeichnen sich Volkmar (III.) und Giselbert (III.) als Söhne Volkmars (II.). Da dem Namen des Vaters kein Attribut beigegeben ist, das ihn als verstorben bezeichnet, kann angenommen werden, daß er noch am Leben war. Als terminus post quem für die Anfertigung der Grabplatte kann daher das Jahr 1265 gelten. Der Name der Ehefrau Volkmars (II.) von Goslar ist nicht zu ermitteln.

Anmerkungen

  1. Zur Beschreibung der Grabplatte und zu den dargestellten Personen, den Inschriften und deren Bedeutung vgl. Magin, passim. Vgl. die Abb. bei Heineccius, nach S. 18; Mithoff, Archiv, Tf. 23; Kdm. Stadt Goslar, Abb. 178 S. 183; Griep, Kunstwerke 1 K, S. 10.
  2. Zum Schwert als Attribut der kaiserlichen Vögte vgl. Einleitung, S. XVII.
  3. Nach Mithoff, Archiv, S. 26 Anm. 3, wurde die Platte im Jahr 1549 gefunden. Da Hans Geismar sie in seiner 1587 abgeschlossenen Chronik bereits als Grabdenkmal für die beiden sagenhaften Stadtgründer bezeichnet, ist davon auszugehen, daß Inschrift B vor diesem Datum angebracht wurde (vgl. Magin, S. 15).
  4. Diese Vermutung wurde schon von Fink, S. 70, geäußert, in der nachfolgenden Literatur aber nicht zur Kenntnis genommen.

Nachweise

  1. Fink, S. 44.
  2. Magin, S. 15f.

Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 11 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0001102.