Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 157 Göttingen, St. Johanniskirche 1616

Beschreibung

Glocke im Südturm. Der Schlag ist an einigen Stellen beschädigt. Inschriften: A) zweizeilige Schulterinschrift zwischen glatten Stegen, B) Titulus über dem Kruzifix eines Medaillons auf der Flanke, C) Gießerinschrift am Schlag zwischen glatten Stegen.

Maße: H. (mit Krone) 153, Du. 144, Bu. 1,2–2,2 cm (N).

Schriftart(en): Renaissance-Kapitalis, erhaben.

Jennifer Moos [1/3]

  1. A)

    + SOLI DEO GLORIA1) · DIE VORSTEHER DER KIRCHEN · S(ANCTI) IOHANNISa) · HERR CHRISTOFb) HOPPEN · HERR HEINRICH WECKENESEL · HERR WILHELM KEMMER · VND HERR LVDOWIG - / HELMOLT · IOANc) : I · SIHEd) DAS IST · GOTTES LAMB · WELCHSe) DER WELT SVNDE TREGT ·2)

  2. B)

    I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDAEORUM)3)

  3. C)

    · ANNO · 1616 · DEN 12f) · AVGVSTI · BIN JCH DVRCH · GOTTES · GNADg) DVRCHS FEVERh) GEFLOSSEN · VND DVCRHi) · THOMAS SIMON · FRANCOY BREVTEL · MONT FAICTE ·

Kommentar

Über und unter Inschrift A) ein Friesband mit Ornamenten. Ein ebenso ornamentiertes Taukreuz auf der Flanke. Medaillons auf der Flanke: Kruzifix, Maria mit dem Kind auf der Mondsichel, zwei Gießerzeichen (Schilde mit Glocke), siebenstrahliger Stern, Reiter, Engel mit einem Palmenzweig (?)4), Löwe.

In C) erwartet man auf GEFLOSSEN als Reimwort ‚GEGOSSEN‘. Stattdessen steht die französische Wendung MONT FAICTE. Sie findet sich im 17. Jahrhundert dort, wo Gießer aus Lothringen gearbeitet haben.5) Der bei MONT ausgefallene Vokal ‚A‘ (M[A]ONT) ist nicht apostrophiert worden. In der Schreibweise des Part. praet. ‚fait, e‘ steht während des ganzen 16. und 17. Jahrhunderts die Form mit ‚c‘ (‚faict, e‘) neben der ohne ‚c‘6), so daß man hier nicht von einem Archaismus sprechen kann.

Thoman Simon und François Breutel haben 1617 auch drei Glocken in Bischofrode (Kr. Worbis) gegossen. Breutel, nennt sich dort ‚Cousin‘7), womit wahrscheinlich eine Verwandtschaftsbeziehung zu Simon angegeben wird.8)

Christoph Hoppe(n) (1597–1626), Heinrich Weckenesel (1611–1621) und Ludwig Helmoldt (1613–1624) waren Ratsherren.9) Über Wilhelm Kemmer läßt sich nichts mitteilen.

Textkritischer Apparat

  1. St. JOHANNIS ZGB Göttingen.
  2. CHRISTOPH Mirow.
  3. Ioann. ZGB Göttingen.
  4. SIEHE Mirow.
  5. Welches ZGB Göttingen.
  6. 12.] 2. ZGB Göttingen.
  7. Gnade ZGB Göttingen.
  8. Feveer ZGB Göttingen.
  9. Sic! Durch ZGB Göttingen.

Anmerkungen

  1. 1. Tim. 1,17.
  2. Joh. 1,29.
  3. Joh. 19,19.
  4. ZGB Göttingen I 2, S. 76 bezeichnet die Gestalt als Hohenpriester, der in der rechten Hand einen Palmzweig und in der linken ein Rauchfaß halte. Eine klare Entscheidung läßt sich nicht mehr treffen, da die Figur in dem Medaillon nur noch undeutlich zu erkennen ist. Ein Rauchfaß ist im übrigen nicht nur Attribut des Hohenpriesters. sondern läßt sich auch als Engel-Attribut nachweisen, vgl. Art. ‚Engel‘, in: RDK V, 341–555 (K.-A. Wirth), hier 414.
  5. Dt. Glockenatlas I, Nr. 1174; 1959; II, Nr. 4. Verzeichnis von Lothringer Glockengießern ebd. I, S. 643ff.; II, S. 534ff.
  6. E. Huguet, Dictionaire de la langue française du seizième siècle IV 15–19 (faire); 20f. (fait, Subst.).
  7. Otte, Glockenkunde 210.
  8. F. Breutel stammte aus Lothringen. Zusammen mit seinem Bruder Magnus arbeitete er auch in verschiedenen Orten Schleswig-Holsteins, u. a. waren sie an der Marienkirche in Flensburg beschäftigt, vgl. E. Wernicke, Lothringische Glockengießer in Deutschland, in: Jb. der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde 3 (1891) 401–408, hier 406f.
  9. Ritter, Ratsverfassung 8, 9, 13.

Nachweise

  1. ZGB Göttingen I 2, S. 76.
  2. Spangenberg, Geschichte und Beschreibung 87f. (Marginalie).
  3. Mirow, Die Göttinger Kirchenglocken 90 (nur A).
  4. Bielefeld, Göttinger Glockenkunde (Katalog, Ms.).

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 157 (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0015700.