Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 63† Göttingen, Paulinerkirche 15. Jh. (?)

Beschreibung

Städtenamen mit Stiftungsjahren von Dominikanerklöstern über beiden Reihen des Chorgestühls. Das Gestühl soll Anfang des 19. Jahrhunderts an einen anderen Ort (Heiligenstadt?) verschenkt worden sein.1)

Inschrift nach ZGB Göttingen.

  1. A)

    Rechte ChorseiteDOMINVS PATER PROVINCIALISa)MAGDEBURGENSIS. 1220.2)LVBECENSIS. 1229.3)LIPSIENSIS. 1229.4)HILDENSEMENSIS. 1353.5)VRIBERGENSIS. 1236.6)ISENACENSIS. b) 1236.7)SOZAGENSIS. 1241.8)LINVARDENSIS. 1245.9)SVNDENSIS. 1251.10)SEHVSENSIS. 1255.11)NORDENSIS. 1264.12)HALLENSIS. 1271.13)SOLDINENSIS. 1275.14)WINSEMENSIS. 1280.15)NORTHVSENSIS. 1286.16)ROBELENSIS. 1287.17)MOLHVSENSIS. 1289.18)

  2. B)

    Linke ChorseiteBREMENSIS. 1225.19)ERPHORDENSIS. 1229.20)HALBERSTADENSIS. 1231.21)TRAIECTENSIS. 1232.22)HAMBORGENSIS. 1236.23)MINDENSIS. 1234.24)RVPINENSIS. 1246.25)RIGENSIS. 1249.26)ROSTOCIENSIS. 1256.27)STRVSHEIMENSIS. 1274.28)PRENSLAVIENSIS.c) 1275.29)PLAWENSIS. 1266.30)WARTEBVRGENSIS. 1282.31)SIRIXCENSIS. 1279.32)MARPVRGENSIS. 1292.33)IENENSIS. 1286.34)BRANDENBVRGENSIS. 1287.35)SVTPHANIENSIS.d) 1288.36)

Kommentar

In den hier genannten Städten der Ordensprovinz Saxonia haben die Dominikaner während des 13. Jahrhunderts Klöster gegründet. Die Jahreszahlen nennen das Gründungsjahr nach der Ordenstradition. Bei der Versammlung des Provinzialkapitels nahmen die Priore der einzelnen Klöster auf den ihnen vorbehaltenen Stühlen Platz. Die Sitzordnung war dabei chronologisch entsprechend der Folge der Klostergründungen.37) Bei der vorliegenden Inschrift ist die Chronologie nicht durchgängig eingehalten. Es läßt sich jedoch nicht mehr entscheiden, ob dieser Befund der Quelle entspricht oder auf die literarische Überlieferung zurückzuführen ist.

Auffällig ist, daß das 1294 gegründete Göttinger Dominikanerkloster38) in der Inschrift gar nicht erwähnt wird. Möglicherweise ist das Chorgestühl ursprünglich für ein anderes Kloster angefertigt worden und erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Göttingen gelangt. Lubecus zählt in seiner Chronik eine ganze Reihe auch hier genannter Dominikanerklöster auf, erwähnt jedoch nicht das Göttinger Chorgestühl, das man sonst als Quelle seiner Angaben vermuten könnte.39) Provinzialkapitel wurden in Göttingen, soweit die Überlieferung darüber Auskunft gibt, zwischen 1350 und 1501 abgehalten.40)

Über die Entstehungszeit lassen sich nur Vermutungen anstellen. Als terminus post quem kann sicher nicht das mit 1353 völlig unkorrekt wiedergegebene Gründungsjahr des Hildesheimer Klosters (vgl. Anm. 5) angesehen werden. Daher ist von 1292 (Stiftungsjahr des Marburger Konvents) als terminus post quem auszugehen. Ein terminus ante quem ist den Inschriften nicht zu entnehmen.

Zieht man Parallelbeispiele heran, so könnte die Inschrift wohl im 15. Jahrhundert entstanden sein. Darauf deuten einige Verzeichnisse von Dominikanerklöstern aus dieser Zeit, deren Angaben mit denen der Göttinger Inschrift weitgehend übereinstimmen.41) Vom Chorgestühl des Klosters Röbel (vgl. Anm. 17) ist eine Inschrift gleicher Art von 1519 überliefert.42) Auch die dort aufgeführten Klöster sind zum großen Teil mit den hier genannten identisch; die Gründungsdaten differieren in einigen Fällen.

Textkritischer Apparat

  1. D.P. PROV., aufgelöst: Dominicani Patres provinciales Dransfeld.
  2. Senacensis Dransfeld.
  3. Prinsiavensis Dransfeld.
  4. Stuphaniensis Dransfeld.

Anmerkungen

  1. W. Rein, Zur Statistik des Dominikanerordens, namentlich in Deutschland 53, Anm. 1.
  2. Nach der Ordenstradition 1224 gegründet, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 11. Frühester Urkundenbeleg 1225: UB Magdeburg I, Nr. 84, S. 41.
  3. 1229 ist das traditionelle Gründungsjahr, vgl. Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281. Der früheste Urkundenbeleg 1234: UB Lübeck I, Nr. 59, S. 68. Hauck, KG IV, 1024.
  4. 1229 traditionelles Gründungsjahr des Leipziger Klosters, vgl. Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281 und Loë, Ordensprovinz Saxonia 11. Die früheste Urkunde von 1231, vgl. Hauck, KG IV, 1027.
  5. Dransfeld, Prodromus 18, nennt 1233. Aus diesem Jahr stammt auch der erste sichere Urkundenbeleg, vgl. UB des Hochstifts Hildesheim II, Nr. 376, S. 175. Eine undatierte Urkunde von ca. 1231 erwähnt bereits ‚predicatores Hildensem‘, vgl. UB Hildesheim I, Nr. 121, S. 62. Hauck, KG IV, 987.
  6. Freiberg/Sachsen. 1236 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 11. In einer Inschrift der ehemaligen Kirchenvorhalle wird 1233 genannt, vgl. Cod. dipl. Sax. reg. II 12, Nr. 572, S. 374. Der älteste Urkundenbeleg stammt von 1243, vgl. ebd. Nr. 492, S. 327. Hauck, KG IV, 1027.
  7. Eisenach. 1236 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Michelsen, Legendarium des Dominikanerklosters zu Eisenach 374. Hauck, KG IV, 981. Kein sicherer Urkundenbeleg aus dieser Zeit.
  8. Soest. 1241 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Frühe Urkunden fehlen, der OP gründete wohl zwischen 1228 und 1232 eine erste Niederlassung in Soest, vgl. Rothert, Zur Kirchengeschichte der ‚ehrenreichen‘ Stadt Soest 46f. Hauck, KG IV, 1003.
  9. Leeuwarden (Ndl.). 1245 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Gründung möglicherweise bereits um 1232, aber unsicher, vgl. Hauck, KG IV, 1011.
  10. Stralsund. 1251 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Möglicherweise bereits 1231 gegründet., vgl. LThK IX, 1103.
  11. Seehausen/Brandenb. 1255 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281.
  12. Norden. 1264 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Lübbing, Das Dominikanerkloster zu Norden 273.
  13. Traditionelles Gründungsjahr 1271, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Der Klosterbau war 1283 fertig, vgl. Hertzberg, Geschichte der Stadt Halle I, 113.
  14. Soldin/Mecklenburg. 1275 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12.
  15. Winsum (Ndl.). 1280 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12.
  16. Nordhausen/Thür. 1286 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Der Rat der Stadt überließ 1287 dem OP Bauland, vgl. Regesta diplomatica Thuringae IV, Nr. 2675, S. 382.
  17. Röbel/Meckl. Die Inschrift am Chorgestühl der ehemaligen Dominikanerkirche gibt 1285 als Gründungsjahr an, vgl. Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12, nennt 1287.
  18. Mühlhausen/Thür. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12, nennt 1291 als Gründungsjahr. Ein sicherer Urkundenbeleg fehlt, vgl. UB Mühlhausen, Nr. 355, S. 147.
  19. 1225 wird auch am Röbeler Chorgestühl als Gründungsjahr genannt, vgl. Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281. Urkundenüberlieferung seit 1227, vgl. Bremisches UB I, Nr. 145, S. 167. Hauck, KG IV, 1022.
  20. Hauck, KG IV, 980 nennt 1228 als Gründungsjahr; 1229 hatte sich der OP in Erfurt bereits niedergelassen, vgl. Regesta archiepiscoporum Maguntinensium II, Nr. 583, S. 201f., 1230 wurde das Kloster geweiht, vgl. ebd., Nr. 615, S. 205.
  21. 1231 kaufte der OP einen Hof in Halberstadt, vgl. UB Halberstadt I, Nr. 27, S. 35, 1233 wurde ihm ein Ablaß gewährt, vgl. ebd., Nr. 28, S. 36. Hauck, KG IV, 986.
  22. Utrecht. 1232 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 11. Ein Prior des OP ist erst 1244 in Utrecht bezeugt, vgl. Oorkondenboek vam Holland en Zeeland I, Nr. 403, S. 216.
  23. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12, nennt 1240 als Gründungsjahr; ein Prior des OP wird in Hamburg 1245 erwähnt, vgl. Hamburgisches UB I, Nr. 530, S. 448. Hauck, KG IV, 1022.
  24. Nach Loë, Ordensprovinz Saxonia 11, Gründung im Jahre 1236. Frühester Urkundennachweis 1241, vgl. Westfälisches UB VI, Nr. 347, S. 94. Hauck, KG IV, 1008.
  25. Neuruppin. 1246 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Das in Cod. dipl. Brand. I 4, S. 246 neben 1246 in Erwägung gezogene Jahr 1256 bleibt zweifelhaft, da die dabei zugrunde gelegte Inschrift (ebd. Nr. 1, S. 38) kaum original ist. Der früheste Urkundenbeleg stammt von 1302, vgl. Cod. dipl. Brand. I 8, Nr. 133, S. 192. Hauck, KG IV, 1026.
  26. Riga. Traditionelles Gründungsjahr 1244, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12, Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281. Die Gründung wird 1252/53 erfolgt sein. Papst Innozenz IV. beauftragte 1252 den Provinzialprior des OP in Böhmen, dem Deutschen Orden zu Hilfe zu kommen, vgl. Livländisches UB I, Nr. 233, Sp. 292; im Jahre 1253 waren die Dominikaner bereits in Riga, vgl. ebd. Nr. 247, Sp. 325. Hauck, KG IV, 1030.
  27. 1256 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12.
  28. Strausberg/Brandenb. Traditionelles Gründungsjahr 1254, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12; Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281. Früher Urkundenbeleg von 1259, vgl. Cod. dipl. Brand. II 1, Nr. 90, S. 66. Dransfeld, Prodromus 18, nennt 1224 als inschriftliche Überlieferung.
  29. Prenzlau. 1275 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12; Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281. Die Gründung erfolgte vor 1281, dem Todesjahr des Stifters Markgraf Johannes’, vgl. Cod. dipl. Brand. III 1, Nr. 10, S. 13. Sicherer Urkundennachweis von 1303, vgl. Cod. dipl. Brand. I 8, Nr. 135, S. 193.
  30. Plauen/Sachsen. 1266 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Dem Orden wurde 1266 Bauland geschenkt, 1273 begann der Klosterbau, der 1285 vollendet wurde, vgl. Neupert, Werdegang der Stadt Plauen 19f.
  31. Warburg. Bischof Siegfried von Hildesheim erteilte 1282 den Besuchern der Predigerkirche in Warburg einen Ablaß von 40 Tagen; im Text der Urkunde heißt es: ‚Et quia supradicti fratres conventum novum in loco memorato (sc. Warburg) cupiunt instaurare‘, vgl. Westfälisches UB IV, Nr. 1685, S. 793.
  32. Zieriksee (Ndl.). 1279 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12.
  33. 1292 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Möglicherweise erfolgte die Gründung bereits 1291, vgl. LThK VI, 1373.
  34. Jena. 1286 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Ein Dominikanerprior in Jena wird 1288 erwähnt, vgl. Regesta diplomatica Thuringae IV, Nr. 3004, S. 428f.
  35. 1287 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12. Mönche des OP werden 1303 erwähnt, vgl. Cod. dipl. Brand. I 8, Nr. 135, S. 194; 1306 erteilte der Rat die Bauerlaubnis, vgl. Cod. dipl. Brand. I 9, Nr. 9, S. 7.
  36. Zutphen (Ndl.). 1288 traditionelles Gründungsjahr, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 12.
  37. Loë, Ordensprovinz Saxonia 10.
  38. UB Göttingen I, Nr. 41, S. 31.
  39. F. Lubecus, BL-Chronik II, S. 590.
  40. 1350 fand das erste Kapitel statt, vgl. Loë, Ordensprovinz Saxonia 17; Lubecus, Annales f. 194r, erwähnt zuletzt 1501 die Versammlung des Provinzialkapitels in Göttingen.
  41. Loë, Ordensprovinz Saxonia 10: Cod. lat. Vat. 7651 saec. XV f. 71/72; Cod. 28 saec. XV f. 147 der Hofbibliothek Darmstadt.
  42. Cod. dipl. Brand. I 4, Nr. 1, S. 281.

Nachweise

  1. ZGB Göttingen II 3, S. 163.
  2. Dransfeld, Prodromus 18.
  3. Spangenberg, Geschichte und Beschreibung 115 (auf der Rückseite eines dort eingehefteten Blattes).

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 63† (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0006309.