Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 19: Stadt Göttingen (1980)
Nr. 57 Göttingen, Städtisches Museum 1499
Beschreibung
Triptychon Berthold Kastrops aus der Martinskirche in Geismar. Als Mithoff seine Inventarisierungsarbeit durchführte, stand der Altar hinter einem anderen Altar aus der Barockzeit.1) Später muß er zerstört worden sein. Denn um 1890 fand man ihn, nachdem er 30 Jahre verschwunden war, in fünfzig Teile zerbrochen im Orgelgehäuse der Kirche wieder. Seit der 1895 vorgenommenen Restaurierung befindet er sich im Städtischen Museum.2) Weitere Restaurierungen wurden 1959 und 1967 durchgeführt.3)
Inschriften: A) auf der Außenseite des linken Flügels, B) auf der oberen und unteren Rahmenleiste des Schreins sowie auf der oberen Rahmenleiste des rechten Innenflügels, C) auf den Postamenten der beiden Heiligenfiguren im Schrein links und rechts neben der Mittelgruppe, D) auf den Postamenten der ersten und dritten Figur in der Innenseite des linken Flügels (Fragmente), E) auf den Postamenten der zweiten und dritten Figur in der Innenseite des rechten Flügels (Fragmente), F) Meistersignatur hinter der Mittelgruppe des Schreins.
Inschrift F nach Abb. bei Hellige.
Maße: H. 124,5, B. (Flügel geöffnet) 302,5, Bu. 2 cm.
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A), Renaissance-Kapitalis (B), Gotische Minuskel (C–F).
- A)
§ AVE GRACIA § PLENA § D(OMI)N(U)S § TECV(M) §4)§ ECCE § ANCIL//a) § DOMINI § FIATMICHI § SECV//a) VERBV(M)b) § TVVM5)
- B)
oben:ALTATA · ESc) · SANCTA · DEI · GENITRIX · SVPER · CHOROS · ANGOLORVM · AD · CELESTIA · REGNA ·unten:OMNI · LAVDE · DIGNISSIMA · QVIA · EX · TE · ORTVS · EST · SOL · IVSTICIE · CHRISTVS · DEVS · N(OSTE)R ·d)rechter Flügel oben:A(NN)O · DOMINI · 1 · 4 · 9 · 9 · COMPLETVM · EST ·
- C)
§ S(anctus) § Iohannes ewang(elista) §§ S(anctus) § michael · archang(e)l(us) §
- D)
§ S(anctus) [Martin]us6)§ S(ancta) [Margaretha] § v(irgo) §7)
- E)
[Barbara] virg(o) ·8)§ S(anctus) [Sebastianus]9)
- F)
Anno D(omi)nie) m° cccc° lxxxxix (com)pletu(m)f) e(st) in gottinge(n) p(er) me bartold(us) kastrop de north(e)n
Übersetzung:
Sei gegrüßt, du bist voller Gnade! Der Herr ist mit dir! Siehe die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort. (A)
Erhöht bist du, heilige Mutter Gottes, über die Chöre der Engel in die himmlischen Reiche. In jeder Lobpreisung bist du die Würdigste, weil durch dich die Sonne der Gerechtigkeit geboren worden ist, Christus, unser Gott. Im Jahre des Herrn 1499 vollendet. (B)
Im Jahre des Herrn 1499 fertiggestellt in Göttingen durch mich, Berthold Kastrop aus Nörten. (F)
Textkritischer Apparat
- Wegen Knick des Schriftbandes abgebrochen: ANCIL(LA); bei SECV(NDVM) ist die erste Haste des N noch sichtbar.
- Über dem letzten V ist kein Nasalstrich als Kürzungszeichen zu erkennen.
- Amata celestia · sancta · dei · genetrix · svper · choros · angelorum · ad · celestia · regina Gmelin, Tafelmalerei; ES] EST Kdm., Münzenberger/Beissel.
- IVSTICIE; CHRISTVS; N(OSTE)R fehlt Kdm., CHRISTVS fehlt Münzenberger/Beissel; iustici · Christus · devs Gmelin, Tafelmalerei.
- dm Hellige 68.
- cpletm Hellige 68.
Anmerkungen
- Kdm. II 61.
- M. Heyne, in: Protokolle über die Sitzungen des Vereins für die Geschichte Göttingens 1894/95, 81f. Hellige 65f.
- Hellige 67. Gmelin, Tafelmalerei Nr. 174, S. 517.
- Luk. 1,28.
- Luk. 1,38.
- Ergänzungen der Inschriften aufgrund der figürlichen Darstellungen.
- Ergänzungen der Inschriften aufgrund der figürlichen Darstellungen.
- Ergänzungen der Inschriften aufgrund der figürlichen Darstellungen.
- Ergänzungen der Inschriften aufgrund der figürlichen Darstellungen.
- Mithoff (Kdm. II 61) berichtet über die Figuren in folgender Weise: „In den Flügeln befanden sich sechs Figuren: St. Sebastian, St. Martin Bischof, St. Barbara, St. Dorothea und noch zwei weibliche Heilige.“ Diese Mitteilung läßt vermuten, daß die Figuren des Altars zu jener Zeit abgeräumt waren und Mithoffs Beschreibung hier auf Informationen Dritter beruht.
- Hellige 65.
- Ebd. 68.
- DI 66 (LK Göttingen), Nr. 116. F. Buhmann, Berthold Kastrop, ein Maler der Marien-Altäre in Süd-Niedersachsen, in: Göttinger Bll. für Geschichte und Heimatkunde Südhannovers NF 4 (1938) H. 3, 16–20, Abb. neben S. 88.
- H. Kelterborn, Die Göttinger Bürgeraufnahmen I, S. 132.
- Stuttmann/v. d. Osten, Niedersächsische Bildschnitzerei 98.
- Breviarium Romanum, Venedig 1496, f. 301r ff., 367r.
Nachweise
- Kdm. II 61 (unvollständig).
- Münzenberger/Beissel, Mittelalterliche Altäre II, S. 186 (unvollständig).
- W. Hellige, Der Geismarer Marienaltar 65; 68; 74 (Abb.) (unvollständig).
- Gmelin, Tafelmalerei Nr. 174, S. 516ff. (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 57 (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0005704.
Kommentar
Im Schrein des Altars ist die Marienkrönung dargestellt; links Johannes ev., rechts Erzengel Michael. In der Innenseite des linken Flügels der hl. Martin und die hl. Margarethe. Zwischen ihnen stand vermutlich die hl. Dorothea.10) Die Figur fehlte bereits bei der ersten Restaurierung.11) Im rechten Innenflügel die Statuen der hl. Katharina, Barbara und Sebastian. Auf der Außenseite des linken Flügels die Verkündigung, auf der des rechten Flügels die Anbetung.
Die Signatur Berthold Kastrops wurde erst bei der Restaurierung 1959 entdeckt.12) Bereits 1938 hatte F. Buhmann einen ähnlichen Vermerk Kastrops aus dem Jahr 1509 am Altar der Kirche in Hetjershausen (LK Göttingen) gefunden.13) Daraus geht hervor, daß der Künstler in Nörten geboren wurde und damals in Göttingen, wo er 1499 das Bürgerrecht erworben hatte,14) an der Ecke Barfüßer-/Jüdenstraße im Haus der heutigen ‚Junkernschänke‘ wohnte. In Göttingen fertigte er 1524 zusammen mit Heinrich Heise auch den Altar für die Marienkirche an (Nr. 87). Seine Tätigkeit ist außerdem in Einbeck und Osterode nachgewiesen worden, wo er als Mitarbeiter Hans Raphons fungiert haben soll.15)
Zu B): ALTATA – REGNA: Antiphon aus dem Offizium zur Feier des Festes Mariä Himmelfahrt, OMNI – N(OSTE)R: Responsorium aus dem ‚Officium parvum beatae Mariae‘.16)
Die Schrift auf dem Außenflügel zeigt Merkmale der frühhumanistischen Kapitalis (I mit kleinen Ausbuchtungen in der Schaftmitte, E aus zwei symmetrischen Halbkreisen gebildet).