Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 30† Göttingen, St. Jakobikirche nach 1402

Beschreibung

Inschriftfragment in einem Fresko. Die Wandmalerei befand sich in einer Kapelle, die 1402 von Johannes und Berthold v. Waake gestiftet worden sein soll.1) Von der Kapelle fehlt heute jede Spur. Ernst Spangenberg, nach dem die Inschrift hier zitiert wird, schreibt zu der Malerei: „Noch bemerkt man die Figur eines alten Mannes im rothen Talar, welcher einen Zettel in der Hand hat, auf welchem die Worte (folgt die Inschrift), und zu dessen Füßen halb verwischte Gestalten knieen. Die Zeichnung ist durchaus unrichtig.“2)

Inschrift nach Spangenberg, Beiträge.

  1. HI[. . . . . .]R BONEIa) SANCTI JACOBESEINE BROEDER VND SWESTERN

Kommentar

Jakobus d. Ä. wurde seit dem 14. Jahrhundert gerade in Norddeutschland durch Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela, seinem legendären Begräbnisort, in hohem Maße verehrt. Eine, allerdings zweifelhafte, Tradition des frühen 16. Jahrhunderts sagt, seine Legende sei in allen ihm geweihten Kirchen dargestellt.3) Für Göttingen bestätigt der Altar der Jakobikirche von 1402 (Nr. 28) diese Überlieferung.

Vermutlich gehörte auch die von Spangenberg mitgeteilte Malerei in einen Zyklus der Jakobuslegende. Die Beschreibung (kniende Figuren) läßt an eine Segnung oder Anbetung denken. Ein solches Motiv findet sich nur in vereinzelten Darstellungen der Jakobus-Legende.4) Ein Bild der von Mantegna in der Eremitanikirche (Capella Ovetari) in Padua gemalten Fresken zeigt Jakobus, der einen vor ihm knienden Mann segnet (Heilung des Gichtbrüchigen)5). Möglicherweise war auch die Pilgerkrönung durch Jakobus oder aber das Schutzmantelmotiv dargestellt.6) Diese Szenen entsprechen in ihrer Figurenanordnung in etwa der Spangenbergschen Beschreibung.

Der Anfang der tradierten Inschrift ist zerstört. Auch BONEI ergibt keinen Sinn und ist sicherlich falsch überliefert.

Johannes v. Waake, einer der Stifter der Kapelle, war Ratsherr 1392–1414, Bürgermeister 1410–1414; von Beruf war er Kaufmann.7) Der Mitstifter Berthold v. Waake läßt sich nicht mit Sicherheit identifizieren. Ein Berthold v. Waake war Ratsmitglied 1363–1397, seit 1391 als Bürgermeister; 1397 ist er verstorben.8) In einem Kaufvertrag mit dem Rat aus dem gleichen Jahr wird ebenfalls ein Berthold v. Waake genannt, der jedoch ausdrücklich als Sohn Hans v. Waakes sen. (vgl. über ihn Nr. 22) bezeichnet wird.9) Vielleicht war er der zweite Stifter.

Textkritischer Apparat

  1. [. . .] HI [. . .] R · ONET Spangenberg, Geschichte und Beschreibung 92f. Vielleicht ist zu ergänzen: HI[R ER]MONET (den Vorschlag zu dieser Konjektur verdanke ich Herrn Prof. Dr. Rudolf Kloos, München).

Anmerkungen

  1. Spangenberg, Beiträge 442. Zur Stiftung der Kapelle vgl. Lubecus, Annales f. 95v, wo die Wandmalerei nicht erwähnt wird.
  2. Spangenberg, Beiträge 442.
  3. K. Künstle, Die Legende der drei Lebenden und der drei Toten und der Totentanz nebst einem Exkurs über die Jakobuslegende, Freiburg/Br. 1908, 18, 21.
  4. Vgl. Künstle, Ikonographie der christlichen Kunst II 318–325, wo die überlieferten Motive zusammengestellt sind.
  5. F. Knapp (hrsg.). Andrea Mantegna. Des Meisters Gemälde und Kupferstiche, 2. Aufl. Stuttgart/Berlin/Leipzig (1924), Abb. 13. E. Tietze-Conrat, Mantegna, London 1955, Abb. 23 (Zeichnung). – Mantegnas Gemälde entstand 1451; es wurde 1944 zerstört.
  6. Beispiele für beide Motive in Jakobusdarstellungen bei P. Clemen, Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 32), Düsseldorf 1916, S. 609–613, Fig. 420–424.
  7. Ritter, Ratsherren 58.
  8. UB Göttingen I, S. 429f.
  9. UB Göttingen I, Nr. 367, S. 395f.

Nachweise

  1. Spangenberg, Beiträge 442.
  2. Spangenberg, Geschichte und Beschreibung 92f.

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 30† (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0003004.