Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 10† Göttingen, St. Johanniskirche nach 1379

Beschreibung

Inschrift über der ehemaligen Bibliothek, die oberhalb der 1379 erbauten Sakristei eingerichtet war.1) Dieses Datum ist der terminus post quem für die Entstehung der Inschrift. Die Annahme wird gestützt durch Spangenbergs Wiedergabe, der den Text in gotischen Minuskelbuchstaben gezeichnet hat. Die Inschrift war bereits zu seiner Zeit nur noch fragmentarisch erhalten (vielleicht wurde sie beim Abbruch der Sakristei 1792 beschädigt ?), und seine Zeichnung zeigt deutlich, daß er das Fragment größtenteils nicht entziffern konnte. Wegen dieser schlechten Überlieferung läßt sich ein sinnvoller Text nicht mehr herstellen.

Inschrift nach Spangenberg, Geschichte und Beschreibung.

  1. [. . .] vrglegisti p(er)lectio clava libellu(m), epia vox (christi) [velhōtecnl]a) per[. . .]

Kommentar

Aus dem Anfang läßt sich legisti ermitteln, während [. . .]vrg nicht zu ergänzen ist. Das folgende Wort könnte perlectio heißen; vielleicht ist die Abbreviatur p(er) auch als Präposition per mit Akk. lectio(nem) aufzufassen. Eindeutig zu lesen ist libellu(m), ebenso verständlich pia vox (christi); das e vor pia kann in est aufgelöst werden.

Eine Übersetzung dieses Fragments ist nicht möglich.

Die Bücher der Bibliothek soll der Fritzlarer Kanoniker Conrad Hake gestiftet haben, der angeblich auch das Geld für den Bau der Sakristei gegeben hat.2) Hake war 1350 wegen Streitigkeiten mit dem Rat und der Bürgerschaft von Fritzlar nach Göttingen geflohen.3) Er wird allerdings bereits 1377 verstorben genannt4), müßte also diese Stiftungen in seinem Testament festgelegt haben, was sich quellenmäßig nicht belegen läßt.

Über das Schicksal der Bibliothek kann nur wenig mitgeteilt werden. Der größte Teil der Bücher wurde 1630 von Mönchen, die damals infolge der Einnahme Göttingens durch Tilly für kurze Zeit in die Stadt zurückkehren konnten, abtransportiert. Ein Verzeichnis der Bibliothek aus diesem Jahr nennt neben einer Reihe von Predigtensammlungen (in fol.) ‚Duo magna volumina speculorum Vincentij Belvacensis‘ und summarisch ohne nähere Titelangaben weitere 56 Foliobände sowie 10 Quartbände.5) Im Jahre 1734 war nur noch „eine schlechte reliquie“ der Bibliothek vorhanden.6) Als die Kirche 1791/92 renoviert wurde, sollen auch die übriggebliebenen Bücher verkauft worden sein.7)

Die Göttinger Universitätsbibliothek verwahrt noch folgende Handschriften aus dem Besitz der Johanniskirche: Ein Missale aus dem 14. Jh., einen Codex aus dem 14. Jh. (enthält u. a. Bedas Kommentar zur Apokalypse, f. 1ff. und den Kommentar zum Physiologus des Theobaldus , f. 45ff.), ein Brevier (Winterteil) aus dem 15. Jh. und Melanchthons Postille von ‚dominica XIX post Trinitatis‘ 1555 bis ‚dominica Exaudi‘ 1556 (aus dem 16. Jh.).8) Wahrscheinlich gehörten auch diese Handschriften in die aufgelöste Bibliothek.

Textkritischer Apparat

  1. Bei Spangenberg nicht mehr deutlich zu entziffern. (Über dem o ein Kürzungsstrich)

Anmerkungen

  1. Datum nach ZGB Göttingen I 2, S. 73 (ohne Erwähnung einer Inschrift).
  2. ZGB Göttingen I 2, S. 73.
  3. UB Göttingen I, S. 194, Anm. 1. ZGB Göttingen I 1, S. 84.
  4. UB Göttingen I, Nr. 284, S. 296f.
  5. StA Göttingen: Kriegs-Sachen: 30-jähriger Krieg, Nr. 21.
  6. ZGB Göttingen I 2, S. 73.
  7. Spangenberg, Geschichte und Beschreibung 81.
  8. Die Hss. sind beschrieben: Verzeichnis der Handschriften im Preußischen Staate I, Hannover 3, Göttingen 3, 1894, S. 514f., 524f., 525f., 526.

Nachweise

  1. Spangenberg, Geschichte und Beschreibung (schmaler Papierstreifen neben S. 82 eingeheftet).

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 10† (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0001000.