Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 187 Göttingen, Pauluskirche 1. H. 17. Jh.

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Kreuzigungsbild in der Sakristei. Inschrift: Dreisprachiger Titulus über dem Kreuz. Die hebräische Schrift (oberste Zeile) ist stark verblaßt und nur noch fragmentarisch zu lesen.

Mareike Brosenne [1/2]

  1. [. . . . . . . . . . . . . . . .] וֹשׁוע [. . . . . . .]ΙΗΣΟΥΣ Ο ΝΑΖΩΡΑΙΟΣ Ο ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΤΩΝ ΙΟΥΔΑΙΩΝIESVS NAZARENVS REX IVDAEORVM1)

Kommentar

Der dreisprachige Titulus findet sich vor allem auf Kreuzigungsbildern des späten Mittelalters (Jan van Eyck) und der frühen Neuzeit (El Greco, P. P. Rubens).2) Die Inschrift des Göttinger Bildes ist nicht auf eine Tafel, sondern auf einen gemalten Zettel geschrieben, der an den Kreuzstamm angeheftet ist. Auch das ist ein Merkmal des ausgehenden Mittelalters.3)

W. Stechow hat die These vertreten, daß dieses Bild der Mittelteil des 1636 von Ludolph Büsinck aus Münden gemalten Altars der Johanniskirche sei (vgl. Nr. 171).4) Diese These ist sehr unsicher, da Stechow sich dabei allein auf einen Stilvergleich mit einem einzigen Holzschnitt Büsincks stützt (‚Der Lauenspieler‘, 1630)5) Die festgestellten Gemeinsamkeiten – gleiche Gesichtszüge mit „großen runden Augen und (. . .) runden Mund“, eine bestimmte Zeichnung der Gewandfalten, die Darstellung der Hände6) – können zudem nicht recht überzeugen. Da das Bild gerahmt ist, lassen sich keine Spuren von Scharnieren feststellen, die auf einen Flügelaltar hindeuten könnten.

Das Bild zeigt in der Gestaltung der Figuren deutlichen Einfluß der niederländischen Schule (Rembrandt, Rubens). Bemerkenswert ist, daß die Gruppe der trauernden Frauen in den Hintergrund gerückt ist. Christus am Kreuz hat den Kopf nach links geneigt.

Anmerkungen

  1. Joh. 19,19.
  2. Jan van Eyck: Christus am Kreuz, 1430/40 (Berlin-Dahlem, Staatl. Museum), Abb. s. L. Baldass, Jan van Eyck, London 1952, Abb. 162. – El Greco: Kreuzigung (Paris, Louvre), Abb. s. K. Pfister, El Greco, Wien 1941, 103. – P. P. Rubens: Kreuzigung, 1620 (Antwerpen, Museum), Abb. s. H. G. Evers, Peter Paul Rubens, München 1942, Abb. 173, S. 310.
  3. Ebenfalls auf einem Zettel gemalt ist der Titulus z. B. bei M. Grünewald: Isenheimer Altar, 1513/15 (Kolmar), Abb. s. P. Thoby, Le Crucifix des origines au Concile de Trente, Nantes 1959, Abb. 375ff.; vgl. auch Rubens Kreuzigung, 1620.
  4. Stechow, Ludolph Büsinck, 6 Anm. 4.
  5. Ebd. 10; Abb. des Holzschnitts ebd. 5.
  6. Ebd. 10.
Addenda & Corrigenda (Stand: 18. April 2017):

Das Gemälde befindet sich heute in der Kirche St. Johannis.

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 187 (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0018701.