Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 179† Göttingen, St. Johanniskirche 1645

Beschreibung

Grabstein des Theodor Berckelmann. Über den Verbleib ist nichts bekannt, möglicherweise beim Umbau der Kirche 1791/92 abhanden gekommen.

Inschrift nach Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann.

  1. D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRUM) VIR PLVRIMVM VENERANDVS D(OMI)N(US) THEODORVS BERCKELMAN S(ACERRIMAE) TH(EOLOGIAE) DOCT(OR) ABBAS AMELUNXBORNENSIS, AC SUPERINTENDENS DIOECESEOS GOTTINGENSIS GENERALIS INQUE PAEDAGOGIO PROFESSOR: CUM DIGNITATE ILLA XX. PER ANNOS HOC MUNERE UNA FUNCTUS ESSET XV. ET ANTEA TRIENNIO SCHOLAE RIDDAGSHUSANAE CUM CURA PRAEFUISSET, GERMANIAEQUE ACADEMIIS ULTERIUS PERLUSTRATIS IN JULIA1) SUBSTITISSET S(ACERRIMAE) THEOLOGIAE XVII. ANNIS PROF(ESSOR) ERUDITIONE, SCRIPTIS, INDUSTRIA CELEBRITATEM INDEPTUS, POSTREMUM HOC CULMEN CONTIGIT. MORTALIUM ADVERSUS NEMINI, SUMMIS, IMIS, MEDIOXIMIS; BONISQUE GRATUS OMNIBUS: ANNO M DC XLV. DIE XXX. JULII CUM MAGNO BONORUM DOLORE PIE VITA FUNCTUS EST. RELICTA CONJVX MOESTISSIMA SOPHIA MEERDORFIA LIBERIQVE X. EX XII. SVPERSTITES CORPVS HEIC CONDIDERE CVM POTIOREM EIVS PARTEM AD SE REVOCASSET ET IN TEMPLA AETERNITATIS TRANSTVLISSET AETERNVS VITAE NECISQVE ARBITER. SED PLVRA SAXVM NON CAPIT. SIC ERGO LECTOR VIVE, QVO MORIARE VT VIXIT HIC VT MORTVVS EST DE MORTE TRIVMPHANS.

Übersetzung:

Dem gnädigsten, größten Gott geweiht. Der höchst verehrungswürdige Herr Theodor Berckelmann, Doktor der heiligen Theologie, Abt von Amelungsborn, Generalsuperintendent der Diözese Göttingen und Professor am Pädagogium, hat, nachdem er jene Würde zwanzig Jahre (und) gleichzeitig dieses Amt fünfzehn Jahre hindurch innegehabt sowie zuvor die Schule in Riddagshausen drei Jahre mit Sorgfalt verwaltet hatte und – nach weiterem Besuch von Universitäten Deutschlands – für siebzehn Jahre als Professor der heiligen Theologie an der Julia geblieben war, wo er durch Bildung, Veröffentlichungen (und) Fleiß Ruhm erlangte, endlich diesen Gipfel erklommen.

Niemandem unter den Sterblichen verhaßt, den Höchsten, den Niedrigsten, den in der Mitte Stehenden, und allen Guten willkommen, hat er im Jahr 1645 am 30. Juli unter großem Schmerz der Guten gottesfürchtig sein Leben vollendet. Die zurückgebliebene, zutiefst betrübte Ehefrau Sophia Meerdorf und die zehn noch lebenden der zwölf Kinder haben den Leib hier bestattet, nachdem der ewige Herr über Leben und Tod seinen besseren Teil zu sich zurückgerufen und in die Tempel der Ewigkeit überführt hatte.

Aber mehr faßt der Stein nicht. So also lebe, Leser, damit du stirbst, wie er gelebt hat, wie er gestorben ist, im Triumph über den Tod.

Kommentar

Theodor Berckelmann studierte seit 1598 Theologie und Philosophie in Helmstedt.2) 1601 erwarb er den Magistergrad der philosophischen Fakultät, 1602 wurde er Rektor der Klosterschule in Riddagshausen.3) 1605 schickte ihn Herzog Heinrich Julius zu einem Studienaufenthalt nach Tübingen, wo er „sub optimis celeberrimis Magistris ipse Magister, docendo ac praesidendo disputationibus se perficiens“4) enge Beziehungen zu den Theologen Matthias Hafenreffer und Lukas II. Osiander knüpfte.5) Nach seiner Rückkehr wurde Berckelmann 1609 zum außerordentlichen Professor und 1612 zum Ordinarius für Theologie an der Helmstedter Universität ernannt.6) Die theologische Fakultät verlieh ihm 1616 die Doktorwürde, 1625 folgte die Ernennung zum Abt von Amelungsborn.7) Als Tilly 1626 Helmstedt eroberte, floh Berckelmann nach Amelungsborn. Nach Erlaß des Restitutionsedikts 1629 mußte er das Kloster wieder verlassen und folgte 1630 dem Ruf als Generalsuperintendent und Pastor primarius an die Johanniskirche nach Göttingen.8)

Berckelmann beschäftigte sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem mit den Geschichtsbüchern des Alten Testaments und den Paulinischen Briefen, außerdem ist von ihm eine Einführung in das Theologiestudium überliefert.9) In Helmstedt zählte er zu dem Kreis um Johannes Caselius, der als Melanchthonschüler eine humanistisch geprägte und der aristotelischen Tradition verpflichtete Theologie vertrat.10)

Daher war es nur folgerichtig, daß sich Berckelmann über den ramistischen Einfluß am Göttinger Pädagogium beklagte und sogar einmal gegenüber Calixtus einen herzoglichen Erlaß gegen den Unterricht dieser Philosophie wünschte. Dazu ist es aber offensichtlich nicht gekommen, jedenfalls ist über ein offizielles Vorgehen in dieser Angelegenheit nichts bekannt.11)

Anmerkungen

  1. Die Universität Helmstedt (Academia Julia) wurde 1576 durch Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel gegründet und 1810 durch Beschluß der damaligen französischen Regierung aufgehoben.
  2. Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann 49.
  3. Alb. Acad. Helmstad. 159. Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann 49f.
  4. G. Th. Meier, Monumenta Julia 30.
  5. Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann 50f. – Immatrikulation in Tübingen am 19.4.1605, vgl. A. Bürk/W. Wille (Bearb.), Die Matrikeln der Universität Tübingen II, Nr. 17 510. Über Hafenreffer vgl. RGG III, 22; über Lukas II. Osiander RGG IV, 1731.
  6. Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann 52.
  7. Ebd. 52ff.
  8. Alb. Acad. Helmstad. 380. Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann 55ff.
  9. Isagoge Theologica de studio theologiae inchoando et continuando quinque dissertationibus comprehensa, Helmstedt 1619. – Dissertationes biblicae, s. l. et a. – Dissertationes IX. in epistolam ad Galatas. s. l. et a., vgl. Stuss 27f. – De scriptura sacra, s. l. 1612. – Tractatus de lege Dei morali, caerimoniali et forensi, s. l. 1624. – Tractatus de disćrimine legis et evangelii, s. l. 1624, vgl. Chrysander 98.
  10. E. L. Th. Henke, Georg Calixtus und seine Zeit I, Halle 1853, 55. – Johannes Caselius wird in Nr. 121 erwähnt.
  11. Henke, Calixtus I, 453, Anm. 2. Steinmetz, Generalsuperintendenten 142, 148. Zum Einfluß der ramistischen Philosophie am Pädagogium vgl. auch den Kommentar zu Nr. 159.

Nachweise

  1. Friedekindt, Leichenpredigt für Th. Berckelmann 67.
  2. G. Th. Meier, Monumenta Julia 31.
  3. Dransfeld, Prodromus 41.
  4. J. H. Stuss, Memoria beati Theodori Berckelmanni 38ff.
  5. W. Chr. J. Chrysander, Diptycha Professorum Theologiae 97f. (unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 179† (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0017902.