Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 163† Göttingen, St. Johanniskirche 1621

Beschreibung

Grabstein des Friedrich Sengebähr. Über den Verbleib ist nichts bekannt, vielleicht ist der Stein beim Umbau der Kirche 1791/92 verlorengegangen.

Inschrift nach Dransfeld, Prodromus.

  1. Quem tegit hic tumulus, jam terra matre renasci,Jam Scenae reddi cor, pia corda voventa)Usq(ue) adeo, ut fatum si ferret, serior aetasEruerit denis unguibus inde virum.Eccur sic, quaeris? si lis de dogmate mota est,Lynceus hanc visu solvere scitus erat.Si sacrab) de cathedra plebem è regione docebat,Re[m]c) verbis penetrans fervor in ore fuit.Quarum cum modo sint plantarum semina rara,Heu quem defectum posthuma sec(u)la ferent?O quid commeruit reproborum concio noxae?Fors fuit auriculis concio vera sudes?Hoc itad) quod fugit nostro de lumine LVMENE Templo, è nostra confugite) umbra Schola.Natus est Cellae 1592. obiit anno 1621.

Übersetzung:

Möge der, den dieses Grabmal deckt, bald aus der Mutter Erde wiedergeboren, möge das Herz bald der Bühne zurückgegeben werden, bitten fromme Herzen so inständig, daß eine spätere Zeit – wenn das Schicksal es doch fügen wollte! – den Mann dann mit (allen) zehn Fingern ausgraben sollte. Warum, so fragst du? Wenn ein Streit um die Lehre entstand, war er in der Lage, als Lynceus1) ihn mit einem Blick zu lösen. Wenn er dagegenf) von der Kanzel die Gemeinde die heiligen Dinge lehrte, war Leidenschaft in seiner Stimme, sobald er mit den Worten in die Sache drang. Da die Samen dieser Pflanzen nur selten sind, ach! welchen Mangel werden zukünftige Zeitalter erleiden? Oh! Welches Vergehen hat die Schar der Verworfenen begangen? War die wahre Rede den Ohren vielleicht ein Stachel? Weil das Licht so von unserem Licht weicht, flieht (sein) Schatten aus der Kirche, aus unserer Schule. Er wurde 1592 in Celle geboren, er starb im Jahr 1621.

Versmaß: Distichen.

Kommentar

Auffällig ist, daß der Name des Verstorbenen in der Inschrift nicht genannt wird. Vermutlich stand er über ihrem Text und ist von Dransfeld nicht mitgeteilt worden.

Friedrich Sengebähr studierte 1608–1613 in Wittenberg, wo er den Magistergrad erwarb, und setzte seine Studien anschließend in Helmstedt fort.2) Nach mehrjähriger Tätigkeit als Pfarrer und Superintendent in Niederfreden (bei Lichtenberg) wurde er 1619 als Generalsuperintendent, Pastor primarius und Professor des Pädagogiums nach Göttingen berufen.3) Sengebähr wurde durch den Streit bekannt, den er mit dem Hildesheimer Pfarrer Albert Westphal in gegenseitigen Schriften voll heftiger Polemik über die Frage der Trennung von praktischer und theoretischer Theologie führte.4)

Textkritischer Apparat

  1. Punkt hinter vovent Dransfeld.
  2. Komma hinter sacra Dransfeld.
  3. Re Dransfeld.
  4. itae Dransfeld.
  5. ceu fugit Stuss.
  6. e regione als Adv. übersetzt; oder ist regio als Subst. mit der Bedeutung: ‚Gegend, Umgebung‘ aufzufassen?

Anmerkungen

  1. Lynceus war für seinen scharfen Blick bekannt, vgl. RE XIII, 2, 2470.
  2. Alb. Acad. Vitebergensis I, 596: Promotion am 23.3.1613. Alb. Acad. Helmstad., 245, Nr. 6: Immatrikulation am 2.7.1615. Stuss 311.
  3. Stuss 312, 315f.
  4. Ausführliche Schilderung des Disputs ebd. 312ff.

Nachweise

  1. Dransfeld, Prodromus 40.
  2. J. H. Stuss, Memoria beati Theodori Berckelmanni 332.

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 163† (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0016305.