Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 100 Göttingen, Barfüßerstr. 5 1547–49

Beschreibung

Hausinschrift an der südöstlichen Eckkonsole des Erkers. Inschrift zweizeilig an vier Seiten des Balkens.

Maße: Bu. (n) 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel, erhaben.

Jennifer Moos [1/4]

  1. seyta) · dat · Ist · dat · lam godesb) · dasc) ·derd) · Welte) · svndef)Drechtg) Johanesh) · ani) · Ij) ·1)

Kommentar

Hervorzuheben sind die Ligaturen zwischen d und e; einige Versalien – W in Welt und D in Drecht – sind Kapitalis-Buchstaben. Über dem v in svnde ein Punkt. – Unter der Inschrift , ihrem Text entsprechend, das Medaillon Johannes d. T., der auf Christus deutet.

In einer mit der Inschrift etwa gleichzeitigen nd. Bibelausgabe (nach Luthers Übersetzung) lautet die entsprechende Stelle: „Sehet/ dat ys dat Lam Gades/ welckere der Werlt sunde drecht.“2) Trotz des abweichenden Relativpronomens (das: ‚welckere‘) und differierender Schreibungen einiger Wörter (godes: ‚Gades‘; Welt: ‚Werlt‘) ist die Übereinstimmung zwischen schriftlicher und inschriftlicher Überlieferung deutlich zu erkennen.

Erbauer des Hauses war Berthold Kastrop, der Maler der Altäre in der Geismarer Martinskirche (Nr. 57) und der Göttinger Marienkirche (Nr. 87). Kastrops Witwe verkaufte das Haus 1541 an Bürgermeister Giseler Swanenflogel.3) Er ließ zwischen 1547 und 1549 den Erker mit der Inschrift einbauen.4) Sein und seiner Frau Othilia Wappen sind über dem Eingang angebracht.5) Ihre Bildnisse (?) finden sich am Eckpfeiler unterhalb des Inschriftbalkens.

An der Ostseite des Hauses (Jüdenstraße) Figurenschmuck: Über fünf Medaillons (Ahnenbilder ?) die Evangelisten Matthäus, Markus (mit zeitgenössischer Kopfbedeckung), Lukas und Johannes sowie die Apostel Petrus und Paulus; darüber die sieben Planeten Saturn, Merkur, Sol, Mars, Venus, Jupiter und Luna, vielleicht nach Vorlagen Hans Burgkmairs d. Ä.6)

Textkritischer Apparat

  1. sye Kdm., Saathoff.
  2. gods Andrae.
  3. dat Kdm., Saathoff.
  4. dr Andrae.
  5. werlt Kdm., Saathoff.
  6. su(n)de Kdm.; sünd Andrae; Synd Behrendsen; süde Saathoff.
  7. dregt Kdm., Saathoff.
  8. Johannis Behrendsen; johannes Saathoff.
  9. am Kdm., Behrendsen, Saathoff.
  10. Johanes · an · I · fehlt Fahlbusch, Junkernhaus.

Anmerkungen

  1. Joh. 1,29.
  2. Biblia: Dat ys:/ De gantze Hilli=/ge Schrifft. Vorduedt=/schet dorch. D. Marti. Luth. Magdeburg 1545 (bei Hans Walther), Joh. 1 (ohne Verszählung).
  3. O. Fahlbusch, Das ‚Junkernhaus‘ in Göttingen 22; 24f.
  4. O. Fahlbusch, Alt-Göttinger Bürgerhäuser IV.
  5. Swanenflogels Frau Othilia war eine geb. Geilfuchs, daher in ihrem Wappen ein Fuchs, der nach einer Weintraube schnappt, vgl. Fahlbusch, ebd.
  6. Fahlbusch, ebd. – Die entsprechenden Holzschnitte Burgkmairs sind wiedergegeben bei: F. W. H. Hollstein, German Engravings, etchings and Woodcuts ca. 1400–1700, Vol. 5, Amsterdam (1957), 94f.

Nachweise

  1. Kdm. II 88.
  2. Andrae, Hausinschriften 33.
  3. Behrendsen, Junkernshaus 7, Anm. 2.
  4. Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen I, 220.
  5. O. Fahlbusch, Das ‚Junkernhaus‘ in Göttingen, in: Gabe des Geschichtsvereins für Göttingen und Umgebung 3 (1940) 22–32; hier 29.
  6. Ameln/Giese, Göttingen, Abb. 23.
  7. O. Fahlbusch, Alt-Göttinger Bürgerhäuser IV, in: Göttinger Tageblatt 65 (17.31964).
  8. Fahlbusch, Göttingen im Wandel der Zeiten 37 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 100 (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0010009.