Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 19: Stadt Göttingen (1980)

Nr. 3† Göttingen-Geismar, St. Martinskirche 13. Jh.

Beschreibung

Glocke, die 1882 umgegossen wurde. Die – wohl umlaufende – Inschrift stand am Schlag.1) Nach Mithoffs Zeichnung gotische Majuskel.2)

Inschrift nach Kdm. II, T. IV.

  1. + HEC · NOLA SIT RESONANS CV(M) DIVINE FACIEI NOS REPLET I(N)TVITV[S]a) FILII [PEDS]b)

Übersetzung:

Diese Glocke soll erklingen, wenn der Anblick des göttlichen Gesichts des [. . . . . . . .] Sohnes uns erfüllt.

Kommentar

Die Inschrift war überwiegend in Kapitalisbuchstaben geschrieben; nur für E ist neben der kapitalen Form auch die offene und geschlossene gotische Unziale verwendet worden. Das S in NOS ist in Mithoffs Zeichnung auffälligerweise als Schaft-s wiedergegeben. Bemerkenswert ist ferner, daß in FILII das erste und zweite I als Enklaven zu den jeweils vorhergehenden Buchstaben (F, L) standen.

Der Schluß der Inschrift – [PEDS] – ist in Kdm. II vermutlich nicht korrekt wiedergegeben. Die dort vorgeschlagene Auflösung ‚pendentis‘3) (vgl. Anm. b) läßt sich nicht mit dem Versmaß vereinbaren. Beabsichtigt war sicher ein Distichon, dessen Pentameter jedoch zerstört ist.

Textkritischer Apparat

  1. S fehlt in der Zeichnung, nach dem Text Kdm. II 61 eingesetzt.
  2. Unklar. In Kdm. II 61 ‚pendentis‘ aufgelöst. Das S wird in der Zeichnung horizontal auf dem D liegend dargestellt. Mithoff fügt dem Text folgende Anmerkung hinzu: „Nach Mitteilung Archivrats Dr. Grotefend zu konstruieren: ‚Haec nola sit resonans, cum (oder dum) intuitus divinae faciei filii pendentis nos replet‘, und, da am Schluß des zweiten Verses (wegen Mangel an Raum auf der Glocke) drei Silben weggelassen, vermutlich ‚amore‘ zu ergänzen“ (Kdm. II, Anm. 3).

Anmerkungen

  1. Otto 124.
  2. Kdm. II T. IV.
  3. FILII PENDENTIS zeigt Anklang an Str. 1, V. 3 des Stabat mater: „Stabat mater dolorosa/ Iuxta crucem lacrimosa/ Dum pendebat filius“, vgl. Cl. Blume/H. M. Bannister (Hrsg.), Liturgische Prosen des Übergangsstiles und der zweiten Epoche (= Analecta hymnica medii aevi 54), Leipzig 1915, Nr. 201: ‚De Compassione Beatae M. V.‘

Nachweise

  1. Kdm, II 61 und T. IV.
  2. C. O(tto), Geschichtliche und artistische Notizen über Glocken, in: Organ für christliche Kunst 21 (1871) Nr. 11, S. 121–125, hier 124.

Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 3† (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0000307.