Die Inschriften der Stadt Göttingen

1. Vorwort, Benutzungshinweise und Inschriftenträger

1.1 Vorwort

Die vorliegende Publikation der Inschriften der Stadt Göttingen bis zum Jahr 1650 bildet den ersten Band der Göttinger Reihe des Gemeinschaftswerks der Akademien ‚Die deutschen Inschriften‘. Berücksichtigt wurden alle original und kopial überlieferten Texte, die nicht, wie Siegel-, Münz- und Buchinschriften, Gegenstand eigener Forschungsdisziplinen sind. Bei der Originaltradition ist Vollständigkeit angestrebt, bei der kopialen Überlieferung konnte dieses Ziel aufgrund der verstreuten Quellenlage sicher nicht erreicht werden.

Inschriften wurden innerhalb der Göttinger Lokalforschung bisher nur in geringem Maße berücksichtigt, spezielle Sammlungen aus älterer Zeit fehlen. Die Bearbeitung soll diese Quellen, die die Stadtgeschichte in vielen Einzelheiten ergänzen, zugänglich machen und zugleich ein Beitrag zu einer noch ausstehenden Inventarisierung der Göttinger Kunstdenkmäler sein.

Das vorgelegte Material entspricht in seinem Umfang, trotz nicht genau einzuschätzender Verluste, und seinem Quellenwert dem geistigen Niveau und wohl auch den wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Stadt von mittlerer Größe, die Göttingen bis zum Dreißig-[Druckseite 8]-jährigen Krieg gewesen ist. Den Reichtum an Monumenten, den Städte wie Mainz, München oder Nürnberg1) vorweisen können, und die kunstvolle sprachliche Form, die der Einfluß der Universität bei den Heidelberger Inschriften hervorgerufen hat2), kann man hier nicht erwarten.

Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. Die Abschnitte 1–3 des ersten Teils (Einleitung) dienen der Beschreibung der Inschriftträger (1)3), der Quellen der nichtoriginalen Überlieferung (2) sowie der vorhandenen Schriftformen (3). In Abschnitt 4 ist versucht, die Rolle des in den Inschriften genannten Personenkreises im Rahmen der Stadtgeschichte darzustellen. Die Beschreibung der Schriftformen nimmt hier eine zentrale Stellung ein. Das bedarf einer kurzen Begründung. Ernst Schubert hat in den von ihm bearbeiteten Inschriftensammlungen die „epigraphische Zusammenfassung“ der Inschriften eines regional eng begrenzten Gebiets mit dem Hinweis auf „eine trügerische Statistik“ abgelehnt.4) Der Einwand hat zweifellos Gewicht. Es kann hier auch gar nicht um die Aufstellung einer Statistik gehen, sondern nur darum, Material für die epigraphische Untersuchung eines größeren geographischen Gebiets bereitzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, scheint bei dem durch vielerlei Schwierigkeiten bedingten langsamen Fortgangs der Inschriftensammlungen allerdings kein anderer Weg möglich als der hier eingeschlagene.

Der zweite Teil enthält die Publikation der Inschriften. Die Anordnung der Texte5) richtet sich nach den von der ‚Interakademischen Kommission für die Herausgabe der deutschen Inschriften‘ erlassenen Richtlinien.6) Die untere Zeitgrenze ist dort nicht verbindlich festgesetzt, empfohlen ist seit 1969 das Jahr 1550.7) Aus verschiedenen Gründen wurde demgegenüber hier das Jahr 1650 als untere Grenze gewählt. Einmal sollten die von ihrem Inhalt her interessanten Inschriften des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts nicht unberücksichtigt bleiben. Zum andern bedeutet der Dreißigjährige Krieg für die Geschichte Göttingens eine tiefere Zäsur, da die Stadt, wie so viele andere Städte und Gemeinden, durch die damaligen Ereignisse wirtschaftlich endgültig ruiniert und politisch lange Zeit zur Bedeutungslosigkeit verurteilt wurde. Daher kann 1650 auch als historisch sinnvoller Einschnitt gelten.

Unter geographischem Gesichtspunkt ist die Arbeit auf die Stadt Göttingen und die ihr 1964 eingemeindeten Orte Geismar, Grone, Weende und Nikolausberg beschränkt. Auch wurden – soweit sie mir bekannt geworden sind – alle Inschriften aufgenommen, die ursprünglich aus Göttingen und den genannten Vororten stammen, jetzt aber an andere Stellen versetzt sind.

Die im Anhang beigefügten Abbildungen stellen eine Auswahl dar und sollen die vorhandenen Inschriftentypen repräsentieren. Bei der Herstellung der Aufnahmen hat mich Heino Kuhlmann (Göttingen) mit großer Hilfsbereitschaft unterstützt.

Handschriftliche Quellen stellten mir dankenswerterweise zur Verfügung die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, das Stadtarchiv, das Stadtkirchenarchiv und das Städtische Museum in Göttingen, die Niedersächsische Landesbibliothek und das Niedersächsische Hauptstaatsarchiv Hannover sowie die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Die Damen und Herren der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen haben darüber hinaus über mehrere Jahre mit gleichbleibender Freundlichkeit meinen umfangreichen Bücherwünschen Rechnung getragen.

Für Hinweise und weiterführende Auskünfte danke ich dem Leiter des Göttinger Stadtkirchenarchivs, Herrn Karl-Heinz Bielefeld, Herrn Professor Dr. Bernhard Bischoff (München), Herrn Dr. Martin Last (Göttingen), Frau Dr. Renate Neumüllers-Klauser (Heidelberg), Herrn Professor Dr. Paul-Gerhard Schmidt (Marburg) und vor allem Herrn Archivdirektor Professor Dr. Rudolf M. Kloos (München).

Ermöglicht wurde die Sammlung der Göttinger Inschriften durch die großzügige finanzielle Förderung des Landes Niedersachsen, dem ich dafür danken möchte. Die Edition ist aus einer 1975 von der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen angenommenen Dissertation hervorgegangen, die für den Druck in geringem Umfang gekürzt wurde. Die nach 1975 erschienene Forschungsliteratur konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Herr Professor Dr. Karl Stackmann, der Vorsitzende der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hat das Unternehmen in allen Phasen seines Entstehens mit Anregungen und fördernder Kritik begleitet. Ihm und den übrigen Mitgliedern der Kommission gilt mein Dank in besonderem Maße. In diesen Dank schließe ich den Alfred Druckenmüller Verlag und den Graphischen Großbetrieb Friedrich Pustet (Regensburg) mit ein, die die Herstellung des Buches in vorbildlicher Weise betreut haben.

Wolfenbüttel, im Juni 1980

Werner Arnold

1.2 Benutzungshinweise

[Druckseite 9]

Die Publikation berücksichtigt die 1977 von der Interakademischen Kommission beschlossenen Änderungen der Editionsrichtlinien, die vor allem die drucktechnische Einrichtung der Inschriften betreffen. Die wichtigsten Punkte werden in den nachfolgenden Hinweisen genannt.

Die Inschriften sind chronologisch geordnet. In der Kopfzeile links steht die laufende Nummer, der bei verlorenen Texten ein Kreuz hinzugefügt ist. Darauf folgen der Standort und die Datierung. Inschriftträger, die mehrere Datierungen enthalten, sind nach der ältesten Datierung eingeordnet. Undatierte Inschriften sind nach ihrer Schrift oder nach inhaltlichen Gesichtspunkten auf ein viertel, ein halbes oder ganzes Jahrhundert datiert und jeweils dem Ende der Zeitperiode, für die sie in Anspruch genommen werden, zugewiesen. Undatierte Inschriften, die einem terminus ante oder post quem zugeordnet werden können („nach 1402“), sind unmittelbar vor oder nach dem entsprechenden Jahr verzeichnet. Der Datierungsvorschlag wird im Kommentar begründet. Unsichere Datierungen sind mit einem Fragezeichen versehen. Exakte Datierungen, die nicht in der Inschrift enthalten sind, aber aus anderen Quellen sicher für sie erschlossen wurden, stehen in runden Klammern.

Der erste Absatz enthält genauere Angaben zum Standort, über das Material, zur Ikonographie (Altäre), über Veränderungen und eventuelle Versetzungen des Inschriftenträgers. Die Beschreibung erfolgt dabei vom Betrachter aus. Abschließend werden die Maße des Inschriftenträgers (Höhe x Breite, bei runden Objekten der Durchmesser), die Buchstabenhöhe (N, n als Durchschnittswert) und der Schrifttyp angegeben.

Der Text der Inschrift ist eingerückt. Er ist – im Gegensatz zu früheren Bänden – in allen Fällen mager gerade gesetzt. Auf kopial überlieferte Quellen wird in der Kopfzeile (s.o.) und im Kommentar hingewiesen. Zerstörte Stellen sind durch Punkte in eckigen Klammern gekennzeichnet. Ergänzungen stehen ebenfalls in eckigen Klammern. Zwei Schrägstriche markieren Stellen, an denen Inschriften aus Platzmangel abgebrochen sind. Entsprechende Fälle finden sich vor allem auf Altären. Bemerkungen des Bearbeiters in den Inschriften sind kursiv gesetzt. Abbreviaturen werden in runden Klammern aufgelöst. Dadurch entfällt die bisherige Auflösung unterhalb des Inschriftentextes. Mehrere Inschriften sind mit Großbuchstaben gekennzeichnet.

Bei jeder verlorenen Inschrift ist über dem Text die Quelle genannt, nach der sie zitiert wird. Waren mehrere ältere Lesungen vorhanden, so wurde die glaubwürdigste zugrundegelegt. Kriterium für die Glaubwürdigkeit war neben sprachlichen Gesichtspunkten die Überprüfung der erhaltenen Angaben durch Akten und Urkunden. In der überwiegenden Zahl aller Fälle, nicht immer, erwies sich die älteste Lesung als die beste. Eindeutig fehlerhafte Angaben bei Datierungen und Namen wurden durch bessere Lesarten anderer Quellen ersetzt. Im übrigen sind textkritische Eingriffe nur in geringem Umfang erfolgt. Fremdsprachigen Inschriften ist eine Übersetzung beigefügt.

Der Kommentar beginnt mit der Auflösung der Daten des römischen und des Festkalenders. Bei den anschließenden Wappenbeschreibungen (Blasonierungen) ist der heraldische Standort maßgebend. Die weiteren Angaben bringen Erläuterungen zur Sprache, zu den Schriftformen sowie zu den in der Inschrift genannten Personen und Ereignissen. Ferner werden hier in der Forschung umstrittene Fragen aufgegriffen und diskutiert. Am Schluß des Kommentars wird bei metrischen Inschriften das Versmaß angegeben. Zitate aus dem Inschrifttext sind kursiv gesetzt.

Der Anmerkungsapparat ist geteilt. Die Buchstaben beziehen sich ausschließlich auf den Text der Inschrift. Unter ihnen sind vor allem die abweichenden Lesarten aufgeführt. Orthographische Varianten, die den Sinn nicht verändern, bleiben hier unberücksichtigt.

Die beziffernden Anmerkungen enthalten in erster Linie die Nachweise zum Kommentar, zuweilen dienen sie auch zur Erläuterung bestimmter Begriffe aus dem Inschrifttext. Auch im Anmerkungsapparat sind Textzitate kursiv gedruckt.

Am Schluß stehen Hinweise zur Literatur, in der die jeweilige Inschrift veröffentlicht ist oder aber erwähnt wird. Vollständigkeit konnte hier nicht angestrebt werden. Die Literaturangaben sind chronologisch geordnet. Bei kopial überlieferten Inschriften wird an erster Stelle jedoch stets die Quelle genannt, nach der die Inschrift zitiert wird.

[Druckseite 10]

In den Registern beziehen sich die Ziffern durchgängig auf die Inschriftennummern. Auf das bisher den Publikationen der Reihe beigegebene Register der Abbreviaturen wurde hier verzichtet, da die Abkürzungen, wie erwähnt, nicht mehr nach dem Original wiedergegeben, sondern in den Texten aufgelöst werden.

1.3 Inschriftenträger

Bis zum Jahr 1650 sind in Göttingen 191 Inschriften überliefert, 97 von ihnen sind original erhalten, 94 dagegen nurmehr literarisch tradiert. Kein Göttinger Bauwerk enthält heute noch eine umfangreiche geschlossene Gruppe von Denkmälern mit Inschriften. Diese verteilen sich hingegen auf viele einzelne Fundstätten. Die überwiegende Zahl stammt aus den fünf alten Göttinger Kirchen8), unter denen St. Johannis – die Hauptkirche der Stadt – und St. Jakobi an erster Stelle zu nennen sind. In den Pfarrbezirken dieser beiden Kirchen wohnten, wie auch die in den Inschriften überlieferten Namen deutlich zeigen, die einflußreichsten und wohlhabendsten Bürger der Stadt.9)

Aber auch die kleineren Kirchen St. Albani, St. Nikolai und St. Marien bieten, wenn auch in geringerem Umfang, interessante inschriftliche Quellen. Nur sehr wenig Material ist dagegen aus den Klöstern der Franziskaner und Dominikaner überkommen. Die sicher vorhanden gewesenen Monumente sind nach der Aufhebung der Klöster 1531 weitgehend der Zerstörung zum Opfer gefallen.

Wichtige Fundorte sind ferner das Städtische Museum in Göttingen sowie die Niedersächsische Landesgalerie in Hannover. So wird im Magazin des Museums eine beträchtliche Zahl an beschrifteten Balken von abgerissenen Häusern verwahrt. Der überwiegende Teil der im Spätmittelalter für die Göttinger Kirchen gestifteten Altäre gelangte 1863 in das kurz zuvor neugegründete Welfenmuseum in Hannover, dessen verbliebene Bestände in der heutigen Landesgalerie Aufstellung gefunden haben.18)

Die Differenzierung der Inschriftträger ist bemerkenswert: Neben den umfangreichen Gruppen der Bau- und Hausinschriften (56)19), Grabsteine und Epitaphien (34), sakralen Geräten (21), Glocken (16) und Altartafeln (14) finden sich, um nur wenige Beispiele zu nennen, Inschriften auf einer Altardecke20), an einem Chorgestühl21), auf mehreren Porträts22) und einer Trauerfahne.23)

Es kann nicht überraschen, daß Hausinschriften verhältnismäßig zahlreich vertreten sind. Denn die Landschaft an der Oberweser bildet zusammen mit der näheren Umgebung das Kerngebiet dieser Tradition24), was sich an den erhaltenen Fachwerkhäusern der umliegenden Städte Einbeck, Duderstadt und Hann.-Münden deutlicher als in Göttingen ablesen läßt, wo nur noch Reste der einstigen Altstadt vorhanden sind.

Der ursprüngliche Bestand an Hausinschriften dürfte in Göttingen mindestens doppelt so groß gewesen sein wie der heute bekannte.24) Die älteren Quellen, die für diese Arbeit herangezogen wurden, bieten für Göttingen allerdings wenig Material. Sie enthalten nur inhaltlich hervorragende Haus-[Druckseite 11]-inschriften, wie etwa diejenige an der ehemaligen Ratsschule.25) Der Brauch, an einem Geschoßbalken oder auf einem Türsturz eine Inschrift anzubringen, war aufgrund der seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts üblichen mehrgeschossigen Fachwerkbauweise26) weit verbreitet und die Zahl der von Form und Inhalt her gleichlautenden Inschriften entsprechend groß, so daß sie offensichtlich der Aufzeichnung nicht für wert erachtet wurden.

Die älteste in Göttingen erhaltene Hausinschrift stammt von einem Haus in der Groner Straße aus dem Jahr 1493.27) Sie teilt nur dieses Baujahr mit. In einer Inschrift von 1495 wird bereits der Augustinerkonvent (in Eschwege) als Bauherr genannt.28) Häufiger finden sich Angaben dieser Art in Göttingen jedoch erst einige Jahrzehnte später.29) Bemerkenswert ist, daß sich in den Göttinger Hausinschriften nur zwei Bibelzitate nachweisen lassen, beide sind in niederdeutschen Inschriften enthalten.30) Den Grund für dieses geringe Vorkommen wird man in Zerstörungen durch Krieg und Verlusten durch Bauveränderungen suchen müssen. In den benachbarten Städten sind entsprechende Inschriften in beträchtlichem Umfang überliefert31); daher wäre die Annahme abwegig, daß in Göttingen hoch- und niederdeutsche Bibelübersetzungen als Quelle der Hausinschriften keinen Einfluß gefunden haben sollten.

Die Zahl der Inschriften auf Grabsteinen und Epitaphien (34) ist im Vergleich zu anderen vorliegenden Inschriftensammlungen gering.32) Auf die Frage der Verluste, die hier in Rechnung zu stellen sind, ist noch zurückzukommen. Die Überlieferung von Grabsteinen beginnt in Göttingen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die älteste Inschrift (nach 1386) stammt vom Grabstein Bertholds v. Mackenrode, der Pfarrer an der Albanikirche und Offizial des Nörtener Chorherrenstifts war.33) Es folgen der Sarkophag für Herzogin Elisabeth (1390)34) – hier wird in den hiesigen Inschriften zum ersten Mal sicher nachweisbar der Name einer Frau erwähnt – und der Grabstein für Herzog Bruno (E. 14. Jh.)35).

Unter den älteren Denkmälern ist allein dieser Grabstein erhalten geblieben. Aus dem 15. Jahrhundert findet sich nur in der Kirche von Nikolausberg eine, allerdings stark beschädigte, heute noch erhaltene Grabplatte.35) Gut hundert Jahre später entstand das Epitaph für Theodosius Fabricius, Pfarrer an der Johanniskirche (1600).36) Erst im 17. Jahrhundert wird die originale Überlieferung der Grabinschriften etwas dichter, es sind Grabsteine und Epitaphien aus den Jahren 1612, 1626/27 und 1645 vorhanden.37) Der Text der Grabinschriften ist knapp; er ist im wesentlichen auf Namen und Stand, Beruf, Todestag und Todesjahr beschränkt. Die Nennung des Todestages war wichtig wegen der alljährlich zu haltenden Totenmessen. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, vor allem aber in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden die Angaben zur Biographie der Verstorbenen umfangreicher: Hinweise auf den beruflichen Werdegang, auf Ämter und Würden sowie exakte Daten zu den einzelnen Lebensabschnitten lassen die Grabinschriften zu kurzen Biographien werden und machen ihren Stellenwert als Quelle für die Erforschung der Stadtgeschichte deutlich.38)

[Druckseite 12]

Überraschend groß ist im Gegensatz zu den Grabinschriften die Zahl der Inschriften auf sakralen Geräten (21) und Altarretabeln (14).38)Die Inschriften auf Kelchen, wie auch die Kelche selbst, sind zum überwiegenden Teil hervorragend ausgeführt und lassen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert einen hohen Stand der Goldschmiedekunst erkennen.39)

Die erhaltenen oder durch Quellen überlieferten 14 Flügelaltäre aus Göttingen und seinen jetzt eingemeindeten nächsten Vororten schließlich zeigen, daß die Stadt im späten Mittelalter innerhalb der welfischen Fürstentümer ein Zentrum der Altarmalerei gewesen ist. In der Zeit von 1402 bis 1524 erhielten die Kirchen und einige Kapellen Altarwerke, deren Größe und künstlerische Ausführung deutlich die repräsentative Absicht der Stifter erkennen läßt. Eine Ausnahme bildet hier die Johanniskirche. Durch eine Urkunde von 1491 ist zwar bekannt, daß auch dort eine Altartafel vorhanden war, jedoch fehlt zu ihr jede nähere Angabe.40) Erst aus dem Jahr 1636 ist für diese Kirche ein – aber auch nicht genau beschriebener – Tafelaltar bezeugt.41)

Der größte der Altäre wurde 1424 für die Kirche des Franziskanerklosters fertiggestellt. Zu seinen Stiftern gehörten neben dem Landesherrn elf Adelsfamilien, die in der Umgebung Göttingens ansässig waren und teilweise enge Beziehungen zu dem Konvent unterhielten. Das ungewöhnliche ikonographische Programm der äußeren Altarflügel hat die Forschung in umfangreichem Maße beschäftigt.42) – Bereits aus dem Jahr 1402 stammt der doppelte Flügelaltar in der Jakobikirche mit Szenen aus der Legende des Patrons.43) Die Hauptschaffensperiode der hier tätigen Altarmaler fällt jedoch in das letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts und in den Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Altäre der Paulus geweihten Kirche des Dominikanerkonvents (jetzt Národní-Galerie in Prag)44), der Albanikirche45) und der Geismarer Martinskirche (jetzt Städtisches Museum Göttingen)46) wurden im gleichen Jahr 1499 vollendet. Dieses auffällige Zusammentreffen konnte bis jetzt weder aus den vorhandenen Quellen noch anhand stilistischer Merkmale zufriedenstellend geklärt werden. Zwar sind die Namen der drei Maler bekannt (s. u.), es läßt sich jedoch nur vermuten, daß Verbindungen unter ihnen bestanden haben.47) – Im Jahr 1506 folgte der Altar der ehemaligen St. Georgskapelle.48) Den Abschluß dieser für Göttingen künstlerisch so ertragreichen Zeit bildet der Altar der Marienkirche von 1524.49) Nicht für alle der aufgeführten Werke lassen sich auch die Meister nennen. Unbekannt sind die Maler des Franziskaneraltars und des Altars in der Jakobikirche. Die Altäre im Dominikanerkloster (Paulinerkirche) und in der Georgskapelle schuf Hans Raphon50), der in einer Inschrift auf dem [Druckseite 13] Altar der Paulinerkirche ‚alter Apelles‘ genannt wird. Das gleiche Epitheton haben seine gelehrten Freunde Albrecht Dürer beigegeben.51) Es zeigt den Einfluß des Humanismus auf die Sprache der Inschriften, ein Merkmal, das sich in Göttingen zuerst 1494 in der Widmungsinschrift für die Ratsschule nachweisen läßt (Nr. 54).

Das Triptychon für die Albanikirche fertigte der nur wenig bekannte Hans von Geismar an52), dasjenige für die Martinskirche in Geismar Berthold Kastrop. Er ist zusammen mit Heinrich Heise auch als Meister des Altars in der Marienkirche inschriftlich bezeugt.53)

Beinahe die Hälfte der Göttinger Inschriften ist nicht mehr vorhanden, 94 der 191 publizierten Texte sind nur noch kopial tradiert. Diese Überlieferungslage macht es notwendig, auf die Inschriftengruppen, die – wie die Grabinschriften – von großen Verlusten betroffen waren, noch einmal näher einzugehen. Die Gründe für den Verlust sind vielfältig: Generelle Zerstörung, bei Grabplatten Verwendung zu Bauzwecken, Umguß von Glocken, Plünderungen und Verkauf der Altargeräte (Kelche) kommen, um nur einige Beispiele zu nennen, als Ursache in Frage.54) Aus den vorhandenen Quellen geht deutlich hervor, daß in Göttingen nach Einführung der Reformation 152955) offensichtlich ein guter Teil der betreffenden Monumente abhanden gekommen oder zerstört worden ist. So beklagte sich 1530 in einem Schreiben an den Rat der Hauptmann der Altmark Busse v. Bartensleben als Mitstifter von Altargeräten über Zerstörungen und Plünderungen im Franziskanerkloster, wobei die Chorschranken zerbrochen und die Kelche, Kleinode sowie Meßgewänder mitgenommen worden seien; ähnlich sei es den Nonnen des St. Annenklosters ergangen.56) Der Rat wies in seiner Antwort an Bartensleben diese Vorwürfe zwar zurück, indem er ihn darauf aufmerksam machte, daß die Kelche des Franziskanerklosters auf Verlangen der Mönche aus Sicherheitsgründen in das Rathaus gebracht worden seien, konnte den Vorfall selbst aber nicht abstreiten, sondern nur beschönigend darstellen.57)

Nachdem die Insassen des Franziskaner- und Dominikanerklosters 1532/33 zum Verlassen der Stadt gezwungen worden waren, nahm der Rat das Klosterinventar und verkaufte Kelche, Kreuze und Monstranzen „vmb halb gelt“.58) Die Glocken der Klosterkirchen, der Kapellen St. Georg, St. Bartholomäi und der Hl. Geistkapelle wurden 1544 von dem Braunschweiger Gießer Cord Mente zu Büchsen umgegossen.59) Die Franziskanerkirche fand nach 1533 als Zeughaus, Münze und Bierschenke Verwendung; ähnlich verfuhr man mit der Paulinerkirche, bis sie 1586 das Pädagogium [Druckseite 14] aufnahm.60) Bei dieser Zweckentfremdung dürfte eine nicht geringe Zahl von Inschriften verlorengegangen sein.

Auffällig vor allem ist der Mangel an Grabmonumenten aus älterer Zeit, denn bis zum Jahr 1650 sind in Göttingen nur 8 Denkmäler dieser Art original erhalten und lediglich 26 entsprechende Inschriften kopial überliefert. Dabei müssen die Göttinger Kirchen reich an Grabsteinen und Epitaphien gewesen sein. Der Chronist Johannes Letzner nennt in seiner Ende des 16. Jahrhunderts entstandenen Chronik eine beträchtliche Reihe Adelsfamilien, die Begräbnisstätten in der Franziskanerkirche hatten.61) Über die Johanniskirche schreibt er, daß „viele fuernehme leüte in dieser vielbenandten Kirche ihre sepultur und ruhe statt gewehlet“ und zählt anschließend Namen von dort begrabenen Personen auf, bei denen es sich in erster Linie um Angehörige von Göttinger Ratsfamilien handelt.62)

Etwas Licht in den Verbleib der älteren Grabplatten wirft ein Vorgang aus dem Jahr 1533. Damals forderten die Gilden vom Rat, die Grabsteine aus allen Kirchen, Kirchhöfen und Klöstern aufzunehmen, dazu auch die Altartische, ausgenommen zwei in jeder Kirche, abzubrechen, um mit ihnen die Gebäude der Stadt ausbessern zu können.63) Der Rat wies dieses Ansinnen unter Hinweis auf den zu erwartenden Zorn des katholischen Landesherrn Herzog Erichs I. zurück64), konnte sich aber offensichtlich nicht durchsetzen, denn Franz Lubecus berichtet zum Jahr 1533, die Grabplatten aus der Johannis- und Jakobikirche, aus den Kapellen, von den Kirchhöfen und diejenigen außerhalb der Klöster seien bei den Arbeiten am Wall verwendet worden. Man hat mit ihnen die Mauern des Wallgrabens befestigt.65) Zu diesem Zweck holte man jedoch nicht alle Grabsteine aus den Kirchen. Die Denkmäler der in der Franziskanerkirche begrabenen Angehörigen des Herzogshauses blieben damals erhalten, allerdings sollen die Inschriften – wie Johannes Letzner klagt – stark beschädigt worden sein.66)

Bei dem betreffenden Antrag der Gilden, die ganz überwiegend protestantisch gesonnen waren67), haben sicher weniger Zweckmäßigkeitsüberlegungen eine Rolle gespielt als vielmehr die Absicht, durch einen bewußten Affront die alte Kirche und ihre Einrichtungen zu demütigen. Der Stimmung in den breiten Schichten der Einwohnerschaft dürfte diese Maßnahme jedenfalls nicht zuwider gewesen sein.68) Herzog Erich verhängte nach diesen Zerstörungen keine Sanktionen gegen die Stadt. Er hatte sich am 15. April 1533 mit Göttingen wegen der Religionsstreitigkeiten geeinigt und gegen Zahlung von 5000 rheinischen Goldgulden innerhalb von zehn Jahren die Einführung der Reforma-[Druckseite 15]-tion toleriert.69) Auf diese Summe hätte der Herzog bei seiner hohen Verschuldung wohl kaum verzichten können.70)

Es klingt wie ein später Tadel an jenen Vorgängern aus der Reformationszeit, wenn der Göttinger Ratsherr Georg Mengershausen während des Dreißigjährigen Krieges in sein Diarium schreibt, daß die Gräber der Toten nicht zerstört, sondern als heilig und Gott geweiht verehrt werden sollen.71) Diese Eintragung betrifft jedoch in erster Linie die Ereignisse seiner eigenen Zeit, die die welfischen Fürstentümer stark in Mitleidenschaft zogen.72) Denn die Eroberung Göttingens durch Tilly 1626 und das wechselhafte Schicksal der Stadt in den folgenden Jahren haben viel zur Zerstörung der Architektur und der mit ihr verbundenen Monumente beigetragen.73)

Die Grabsteine und Epitaphien, die die Wirren des Dreißigjährigen- und des Siebenjährigen Krieges, in dem die Kirchen als Speicher benutzt wurden73), überdauert haben, dürften größtenteils bei den nachfolgenden Renovierungen verlorengegangen sein.74) Die Marienkirche besitzt heute noch einen Grabstein (außen an der Ostwand des südlichen Seitenschiffs befestigt, datiert 1612: Nr. 152), in der Jakobikirche sind neben einigen Denkmälern des späten 17. und des 18. Jahrhunderts zwei Grabplatten aus der Zeit vor 1650 erhalten (Nr. 137, 165)75), in der Albani- und in der Johanniskirche sind keine vor 1650 datierten Grabsteine mehr vorhanden. Als die Johanniskirche nach 1791 renoviert wurde, verkaufte man neben dem Inventar auch die dort noch liegenden Grabplatten.76) Vielleicht wurden damals auch die Denkmäler der vor dem Altar begrabenen Göttinger Generalsuperintendenten und Professoren des Pädagogiums veräußert, deren Inschriften in der Literatur des frühen 18. Jahrhunderts überliefert sind.77)

Zitationshinweis:

DI 19, Stadt Göttingen, Einleitung, 1. Vorwort, Benutzungshinweise und Inschriftenträger (Werner Arnold), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di019g001e009.

  1. Die Inschriften der Stadt Mainz, ges. u. bearb. von Fritz V. Arens aufgrund der Vorarbeiten von Konrad F. Bauer (DI II), Stuttgart 1958. Die Inschriften der Stadt und des Landkreises München, ges. u. bearb. von Rudolf M. Kloos (DI V), Stuttgart 1958. Die Inschriften der Nürnberger Friedhöfe St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd, ges. u. bearb. von Peter Zahn (DI XIII), München 1972. »
  2. Die Inschriften der Stadt und des Landkreises Heidelberg, ges. u. bearb. von Renate Neumüllers-Klauser (DI XII), Stuttgart 1970. »
  3. Mit dem Begriff ‚Inschriftträger‘ werden ohne weitere Differenzierung alle Gegenstände bezeichnet, auf denen Inschriften überliefert sind. »
  4. Die Inschriften des Landkreises Naumburg a. d. Saale, ges. u. bearb. von Ernst Schubert (DI IX), Berlin, Stuttgart 1965, S. VII; ähnlich argumentiert Klaus A. Maier, Die Inschriften des Landkreises Saulgau, Phil. Diss. Tübingen 1970, S. XVI. »
  5. Vgl. dazu die Erläuterungen S. 9. »
  6. Einen sehr informationsreichen Überblick über das deutsche Inschriftenunternehmen gibt Rudolf M. Kloos, Die deutschen Inschriften, in: Studi Medievali, XIV, I (1973) 335–362; die Richtlinien der Münchener Inschriftenkommission, die für das gesamte Unternehmen als Vorbild dienen, sind dort als Beispiel S. 356ff. erläutert. »
  7. Vgl. zur Begründung R. M. Kloos, Die deutschen Inschriften 351. »
  8. Die Baugeschichte der Kirchen (St. Johannis, St. Jakobi, St. Albani, St. Nikolai und St. Marien) braucht hier nicht referiert zu werden, da sie in der einschlägigen Literatur wiederholt behandelt worden ist, vgl. H. W. H. Mithoff, Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen, Bd. II, Hannover 1873, 70ff. (zit. Kdm. II); A. Saathoff, Aus Göttingens Kirchengeschichte, Göttingen 1927, 7ff.; O. Fahlbusch, Göttingen im Wandel der Zeiten, 3. erweit. Aufl. Göttingen 1973, 47ff. »
  9. Zum Welfenmuseum und seiner Geschichte vgl. G. v. d. Osten, Katalog der Gemälde alter Meister in der Niedersächsischen Landesgalerie Hannover (zit. Katalog 1954), Hannover 1954, 21f. »
  10. Hierbei sind Widmungsinschriften an Häusern, die ebenfalls die Fertigstellung eines Bauwerks anzeigen, mitgezählt. »
  11. Nr. 9. »
  12. Nr. 62. »
  13. Heinrich Petreus (Nr. 124); Martin Luther (Nr. 131); Philipp Melanchthon (Nr. 132); Hz. Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg (Nr. 153). »
  14. Nr. 120. »
  15. Aus Mangel an entsprechenden Stellen verbieten sich Schätzungen mit genauen Zahlenangaben. W. Kronshage hat versucht, mit Hilfe der Schoßregister eine Übersicht über leerstehende und bewohnte Häuser zwischen 1393 und 1627 zu gewinnen. Die ermittelten Zahlen differieren jedoch so stark (Beispiele: 1551: 34 Häuser; 1612: 203 Häuser), daß sie hier nicht zu Grunde gelegt werden sollen: W. Kronshage, Die Bevölkerung Göttingens (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen 1), Göttingen 1960, 396, Tab. 7b. »
  16. Nr. 54. »
  17. Schmülling, Hausinschriften in Westfalen, hat den Zusammenhang zwischen Bauweise und Aufkommen der Hausinschriften für das Gebiet Westfalens ausführlich untersucht, vgl. ebd. 6–39. Ferner: W. Hansen, Fachwerkbau im Oberweserraum, in: Kunst und Kultur im Weserraum 800–1600. Ausstellung des Landes Nordrhein-Westfalen: Corvey 1966, Bd. I, 2. Aufl. Münster 1966, 296–313, wo die geschlossene Siedlungsform im Oberwesergebiet als Grund für die mehrgeschossige Bauweise genannt wird (ebd. 301). »
  18. Nr. 53. »
  19. Nr. 55. »
  20. Beispiele: ehem. Neustadt 17, 1535, Nr. 91; Barfüßerstr. 12, 1536, Nr. 92. Dieser Zeitpunkt entspricht in etwa auch dem Ergebnis der Untersuchungen Schmüllings, Hausinschriften in Westfalen, vgl. ebd. 135, 137f., 142, 146ff. »
  21. Barfüßerstr. 12, Nr. 92. Barfüßerstr. 5, Nr. 100. »
  22. Beispiele: Duderstadt: Hinterstr. 73, um 1600 (nach Ps. 13); Kurzestr. 22, zweite H. 16. Jh./A. 17. Jh. (Ps. 4,9); Kurzestr. 28, 1608 (Jes. 45,4–6; Joh. 14,23; Joh. 10,9, vgl. Kdm. II 31 [unvollständig]. – Einbeck: ehem. Tiedexertor, 1587 (nach Ps. 127,1, vgl. J. Letzner, Dasselische und Einbeckische Chronica, Erfurt 1596, f. 100v); Auf dem Haspel 4, 1594 (Röm. 8,31, vgl. W. Feise, Allerlei Denkmäler an Bürgerhäusern und Kirchen in Einbeck, in: Jahresbericht des Vereins für Geschichte und Altertümer der Stadt Einbeck 10 (1916) 51–84, hier 56); Marktstr. 31, um 1600 (Spr. 22,1–2, vgl. Feise, Denkmäler in Einbeck 54f.); Steinweg 17, E. 16. Jh. (Ps. 17,8, vgl. Kdm. II 50; Feise, Denkmäler in Einbeck 56). – Hann.-Münden: Langestr. 3, 1565 (Ps. 119,49f., vgl. Kdm. II 145); Marktstr. 58, 1580 (Ps. 68,11, vgl. Kdm. II 145); Langestr. 25, E. 16. Jh./A. 17. Jh. (nach Ps. 127,1, vgl. Kdm. II 145); Rathausstraße, 1648 (Röm. 8,31, vgl. Kdm. II 145; W. Lotze, Geschichte der Stadt Münden nebst Umgebung mit besonderer Hervorhebung der Begebenheiten des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges, 2. Aufl. Münden 1909, XII); Speckstraße, 1649 (Ps. 74,12, vgl. Kdm. II 145). »
  23. Einige Vergleichsbeispiele: Ganz überwiegend Grabinschriften enthalten die Inschriftensammlungen der Stadt Mainz (DI II), der Städte und Landkreise München (DI V) und Heidelberg (DI XII); im Main- und Taubergrund (Wertheim/Tauberbischofsheim) gehören von 563 Inschriften 239 (ca. 42%) zu den Grab- und Gedächtnisinschriften (DI I), unter den Inschriften der Stadt Merseburg (DI XI) sind knapp ein Drittel der Inschriftträger Grabsteine und –platten. »
  24. Nr. 11. »
  25. Nr. 13. »
  26. Nr. 66. »
  27. Nr. 130. »
  28. Nr. 152, 165, 180. »
  29. Durch den Bildersturm während der Reformationszeit sind in anderen Städten, wie Heidelberg, alle Altäre und Kelche zerstört worden oder abhanden gekommen (DI XII, S. XII). Ein Altarretabel und 8 Kelche finden sich noch unter der Inschriftträgern des Main- und Taubergrundes (DI I); keinen Kelch, aber 12 Altartafeln (einschließlich eines Altarbildes und einer Antependientafel) zählt das Register des Münchener Inschriftenbandes (DI V); in Merseburg schließlich sind Inschriften auf 8 Altarretabeln und 4 Kelche sowie einer Patene tradiert (DI XI, Register: Inschriftträger). »
  30. Hier sind die Kelche aus St. Johannis, Nr. 15, 17, 22; St. Jakobi, Nr. 18, 44, 83 und der Kreuzkirche (früher im Besitz der Johanniskirche) Nr. 19, 74 zu nennen. – In einer Göttinger Urkunde von 1377 wird ein Goldschmied ‚Herman‘ genannt, in einer Urkunde von 1380 sein Sohn ‚Hans‘, ebenfalls Goldschmied: Urkundenbuch der Stadt Göttingen, Bd. I/II, bearb. von G. Schmidt (= Urkundenbuch des histor. Vereins f. Niedersachsen, H. 6/7), Hannover 1863–67 (zit. UB Göttingen), hier UB Göttingen I, Nr. 286, 293. W. Scheffler, Goldschmiede Niedersachsens, 1. Halbbd. Berlin 1965, weist Hermann die Kelche Nr. 17 und 19 (Stifter: Johannes v. Waake) zu, für Hans nimmt er die Kelche Nr. 15 (Stifter: Detmar Medebecke) und Nr. 19 (Stifter: Heyso v. Esebeck) in Anspruch (ebd. 371). Die Zuweisungen sind hypothetisch, für Kelch Nr. 19 dürfte Hermann kaum mehr in Frage kommen, da er in der Urkunde von 1380 (UB Göttingen I, Nr. 293) bereits als verstorben erwähnt ist. »
  31. UB Göttingen II, Nr. 378, S. 368: „De wigelbisschup hildt de missen yme chore vor deme hogen altare uppe dat herlickeste dorch opent der grotin taffiln (. . .)“. »
  32. Nr. 171. »
  33. Nr. 38. »
  34. Nr. 28. »
  35. Nr. 56. »
  36. Nr. 59. »
  37. Nr. 57. »
  38. H. Busch nimmt Abhängigkeit zwischen Raphon und Hans von Geismar an, vgl. H. Busch, Meister Wolter und sein Kreis (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 286), Straßburg 1931, 179ff. und: Die niederdeutsche Renaissance und der Maler Hans Raphon, in: Unser Eichsfeld 26 (1931) 217–235, hier 223, 233; ferner den Art. ‚Hans Raphon‘, in: Thieme/Becker 28, 16f. Die gleiche Ansicht vertritt K. Hahn, Das Werk des niedersächsischen Malers Hans Raphon, in: Göttinger Jb. 1965, 39–75, hier 53. Zuletzt hat H. G. Gmelin diese Frage untersucht (Spätgotische Tafelmalerei in Niedersachsen und Bremen, 1974, 64ff.). Sein Ergebnis: „Es darf, bei aller Verschiedenheit beider Meister, mit einer engen Zusammenarbeit mit Hans von Geismar bis zu dessen Tod 1502 gerechnet werden“ (ebd. S. 70); mir scheint, daß die dürftige Quellenlage eine Aussage in dieser Form nicht zuläßt. »
  39. Nr. 80. »
  40. Nr. 87. H. Busch beurteilt die Malereien dieses Altars „als späte(n) Nachklang des Raphonschen Stiles“: Die nd. Renaissance und der Maler Hans Raphon 224, 233. »
  41. Über Raphon: K. Hahn, Das Werk des niedersächsischen Malers Hans Raphon; dort ist auch die älteste Literatur zitiert. Ferner: K. Hahn-Jänecke, Ein wiederentdeckter Altar des Hans Raphon in der Národní-Galerie zu Prag, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 4 (1965) 115–136. H. Kelterborn, Zur Frage der Herkunft des Hans Raphon, in: Göttinger Jb. 1965, 71–75. Ders., Hans Raphon, ein Göttinger Bürgersohn, in: Göttinger Jb. 1966, 127–130. »
  42. Vgl. dazu den Kommentar zu Nr. 56. »
  43. Vgl. über ihn: Thieme/Becker 19, S. 53; verstreute Hinweise bei K. Hahn, Das Werk des niedersächsischen Malers Hans Raphon 53ff. Weitere Werkzuweisungen: R. Behrens, Malerei der Gotik und Renaissance 1300–1600, in: Kunst und Kultur im Weserraum II, 2. Aufl. Münster 1966, 397–422, hier 403ff. Gmelin, Tafelmalerei 65ff., 500ff. »
  44. Vgl. Nr. 87. Zu Kastrop s. W. Hellige, Der Geismarer Marienaltar. Ein frühes Werk des Göttinger Meisters Barthold Kastrop, in: Göttinger Jb. 1970, 65–75 mit Hinweisen auf weitere Werke Kastrops und Zitierung der älteren Literatur. Über Heise vgl. H. G. Gmelin, Zum Werk des Göttinger Malers Heinrich Heisen, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 5 (1966) 161–180. R. Behrens, Malerei der Gotik und Renaissance 1300–1600, 407ff. (Werkzuweisungen). »
  45. Soweit die Quellen darüber Aufschluß geben, wurde bei der Bearbeitung der verlorenen Inschriften die Überlieferungsgeschichte berücksichtigt, vgl. z. B. Nr. 13. »
  46. Zur Einführung der Reformation in Göttingen s. die Schilderung des Chronisten Franciscus Lubecus in der ‚Braunschweig-Lüneburgische(n) Chronik‘, Bd. II, S. 624–644: Ms. StA Göttingen III 2a/III 2b (zit. Lubecus, BL-Chronik mit Bandziffer); H. Volz hat diese Darstellung unter dem Titel: ‚Franz Lubecus Bericht über die Einführung der Reformation in Göttingen im Jahre 1529‘, Göttingen 1967, ediert. Ferner: H. Volz, Die Reformation in Göttingen, in: Göttinger Jb. 1967, 49–71 mit Nennung der älteren Literatur 52, Anm. 9. »
  47. A. Hasselblatt/G. Kaestner (Bearb.), Urkunden der Stadt Göttingen aus dem 16. Jahrhundert. Beiträge zur Geschichte von Braunschweig-Lüneburg 1500–1533, Göttingen 1881, Nr. 474, S. 222f. (zit. Urkunden der Stadt Göttingen aus dem 16. Jh.). »
  48. Urkunden der Stadt Göttingen aus dem 16. Jh., Nr. 477, S. 224. In einem Inventar von 1530 des Franziskanerklosters werden die Ratsherren genannt, die die Kelche ins Rathaus brachten: StA Göttingen: Klostersachen – Barfüßer-Kloster, Nr. 1. Vgl. auch G. Erdmann, Geschichte der Kirchen-Reformation in der Stadt Göttingen, Göttingen 1888, 44. »
  49. Lubecus, BL-Chronik II, S. 643f. Das Zitat bezieht sich auf den Verkauf des Inventars aus dem Dominikanerkloster, dessen Erlös 150 Mark Göttinger Währung betrug: Erdmann, Kirchen-Reformation 50, Anm. 4. Zu der Veräußerung des Besitzes der Franziskanermönche bemerkt Lubecus kritisch, der Rat habe „nie keine Rechnung hir von gethan widder dem Fursten noch den Munniche(n)“ (BL-Chronik II, S. 644). – Inventare des Klosterbesitzes waren bereits 1526 (für das Dominikanerkloster) und 1530 (für beide Klöster) angelegt worden; der Verkauf wurde 1533 durchgeführt, offensichtlich unmittelbar nach Abzug der Mönche (Inventar- und Verkaufslisten: StA Göttingen: Klostersachen – Barfüßer-Kloster Nr. 1; vgl. auch Erdmann, Kirchen-Reformation 44, 50). Nach den Inventarlisten besaß das Franziskanerkloster 6 Kelche, das Dominikanerkloster dagegen 11 Kelche „meth patenen kleyn vnde groet“. »
  50. Franciscus Lubecus, Chroni[ca und] Annales der [. . .] Statd (!) Gottin[gen], f. 258r (Ms. StA Göttingen III 1, zit. Lubecus, Annales). Vgl. ferner: A. Ritter, Über die Gotteshäuser der Stadt Göttingen in der Reformationszeit, in: Göttinger Jb. 1954, 18–24, hier 22. »
  51. Lubecus, BL-Chronik II, S. 644. Ritter, Gotteshäuser 22. »
  52. Johannis Letzneri Herdeshani, (Drittes Buch der) Braunschw(eig)-Lüneb(ur)g(ischen) und Gottingischen Chronic, S. 534: Univers.-Bibl. Göttingen: Cod. Ms. hist. 248, zit. Letzner, Chronik. Die genannten Familien gehören zu den Stiftern des Hochaltars der Franziskanerkirche, vgl. Nr. 38. »
  53. Letzner, Chronik, S. 527 (Zitat), S. 528: „Und anno Christi 1392 starb H. Dieterich von Meden, Ein Ehrbahrer Raths Herr, und ward in diese Kirch begraben./ Anno 1546 starb Hildebrand Dichhoff, und ward in S. Johannis Kirch begraben./ Anno 1555 Montages nach Scholasticae, starb Caspar Walpodt./ Anno 1557 Sonnabends post Crucis starb Ludolph Ruschenplate. Burgermeister zu Göttingen./ Anno 1558 Sontages Post Viti starb Hermann Witzenhausen, Burgermeister./ Anno Christi 1562 den letzten febr.: starb Johannes Kogell./ Anno 1566 den 3 (septem)bris starb Marcus Stockleff burgermeister./ Anno 1567. starb Tilo Ludolph. Sind alle in S. Johannis Kirch begraben.“ »
  54. Urkunden der Stadt Göttingen aus dem 16. Jh., Nr. 733, S. 392f. »
  55. Ebd. – Herzog Erich war Patron der Göttinger Kirchen, ausgenommen die Marienkirche, deren Patronat der Deutsche Orden besaß. »
  56. Lubecus, BL-Chronik II, S. 10. Auch „vill steinern klotz vnd gotze so in den/ Kirch[en] als abgotze geehret gwesen“, baute man bei gleicher Gelegenheit in die Befestigungsanlagen ein (ebd.). Vgl. auch Ritter, Gotteshäuser 22. O. Fahlbusch, Topographie der Stadt Göttingen (= Studien und Vorarbeiten zum historischen Atlas Nds. 21), Göttingen 1952, 73f. »
  57. Letzner, Chronik, S. 534: „Man hat aber in der Religions Verenderung in dieser Kirche also gehandelt, daß man die Jahreszahlen, an den Fürstlichen begräbnißen nicht eigentlich mehr sehen noch erkennen kan.“ – Als die Franziskanerkirche 1820 abgebrochen wurde, fand man die Grabplatte für Hz. Bruno (Nr. 21) und die – beschädigte – Platte vom Sarkophag für Hzg. Elisabeth (Nr. 13); die auf diesen Monumenten überlieferten Inschriften waren nicht zerstört. Es ist unbekannt, ob noch weitere Angehörige des Herzogshauses dort beigesetzt worden sind. »
  58. Vgl. Volz, Franz Lubecus Bericht, passim. An führender Stelle standen die „neuen Wollenweber“ (‚Drapener‘), deren erste Mitglieder 1476 aus den Niederlanden nach Göttingen übergesiedelt waren: Urkunden der Stadt Göttingen aus dem 16. Jh., S. 389f., Anm. 2; W. Nissen, Die Göttinger Tuchmacher und ihr Einfluß bei der Einführung der Reformation in der Stadt, in: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag, Bd. I (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 36/I), Göttingen 1971, 684–697, hier 692ff. »
  59. Franz Lubecus berichtet über die Haltung der Einwohnerschaft im Jahr 1529: „Es waren(!) gar ein aufrührischer Geist unter ihnen, daß sie nicht alleine die Bilder (. . .) wollten abbrechen, vorbrennen, sondern alle Klocken herunterwerfen, die Altar abreißen, ja ganz und gar alle Kapelln und Pfarrkirchen in den Grund abbrechen gesinnet, daß dem Rade hierüber und frommen Predigern genug zu tunde war“ (Volz, Franz Lubecus Bericht 30). »
  60. Urkunden der Stadt Göttingen aus dem 16. Jh., Nr. 687, S. 352ff.; Nr. 688, S. 354f. Saathoff, Kirchengeschichte 135. »
  61. Über die Verschuldung Hz. Erichs vgl. W. Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg II, Göttingen 1855, 297ff. »
  62. Georg Mengershausen, Diarium Gottingicum (StA Göttingen: III 5, Bd. I–IV), Bd. I, f. 22v: „Placet sepulchra mortuorum non violari sed ea veluti sancta Deo(que) sacrata venerari.“ »
  63. Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg II 582ff. »
  64. Einzelheiten bei Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen II 44ff. und Kirchengeschichte 203. »
  65. Zu den Kirchenrenovierungen seit Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Saathoff, Kirchengeschichte 204ff., 239ff. »
  66. Die an der Wand des nördlichen Seitenschiffs befestigten beiden Platten sind so stark beschädigt, daß eine genauere Datierung unmöglich ist. »
  67. Staatsarchiv Hannover, Akte Han. 83 II 1971: ‚Acta betr. die Abnahme der Rechnung über die Baureparatur an der hiesigen St. Johannis Hauptkirche vom Jahre 1791–1792‘, darin Bl. 55–67: ‚Summarischer Beleg Verkaufter abständiger Sachen und alter Bau Materialien“. Man verkaufte die Grabsteine ihrer Größe entsprechend; als höchster Preis für einen Stein wurden 2 Taler bezahlt (ebd. Bl. 62v, 64r). – Die Rechnung über den Abbruch des Altars und das Aufnehmen der Grabsteine in der gleichen Akte, Bl. 91r. »