Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 19† Dom Mariä Geburt und St. Korbinian (1311)

Beschreibung

Grabinschrift für Bischof Emicho. Im nördlichen Seitenschiff in der Georgskapelle. Möglicherweise im Zuge der Domrenovierung 1621–1624 abgegangen. Genaues Aussehen nicht bekannt.

Standort und Text nach AEM H 5.

  1. Cleria) flos Emicho, sedb) nu(n)c velut echo.Hic subterrat(us) presul iacet incinerat(us). Ut luti testa deus o requie(m)c) sibi presta. Parcat et examen iusti sibi iudicis Amen.

Übersetzung:

Emicho, Blüte der Geistlichkeit, aber nun ebenso wie ein Echo. Hier liegt der bestattete Bischof, zu Asche geworden, wie in einem Gefäß aus Ton. Gott, o verleihe ihm die Ruhe und daß die Prüfung des gerechten Richters ihn verschonen möge. Amen.

Versmaß: Hexameter mit leoninischem Reim.

Kommentar

Emicho war der Sohn des Wildgrafen Emicho I. aus der älteren Linie Kirburg und der Elisabeth von Montfort, Bruder u. a. des Wildgrafen Konrad und Neffe von Bischof Konrad II. (1258–1278, Nr. 16)1). 1260 ist er als Freisinger Domherr2) belegt, von 1266 bis 1283 als Propst des Kollegiatstifts St. Andreas3) und 1272/73 als Domdekan zu Bamberg4). Noch 1272 wird er auch als Propst der Alten Kapelle in Regensburg und als Pfarrer in Nittenau präsentiert5). Emicho bewarb sich nach dem Tod seines Onkels um das Freisinger Bischofsamt, konnte sich jedoch gegen Friedrich von Montalban (1279–1282, Nr. 93) zunächst nicht durchsetzen. Nach dessen nur dreijähriger Regierung wurde Emicho am 24. Januar 1283 zum Bischof gewählt6).

Während seiner Regierungszeit erwarb Emicho wichtige Güter, die die territoriale Grundlage des Hochstifts Freising bildeten. Vor allem war der Kauf des südlichen Teils der Grafschaft Eschenlohe mit den Hauptorten Partenkirchen und Mittenwald im Jahre 1294 von Bedeutung, da auf diese Weise zusammen mit dem bereits 1249 von Freising erworbenen, unmittelbar angrenzenden Bezirk Garmisch ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet – die Grafschaft Werdenfels – geschaffen wurde, das wegen seines Holzreichtums, seiner Erzbergwerke und seiner strategischen Lage eine Schlüsselstellung für das gesamte Hochstift einnahm7). Trotz dieser und anderer Erwerbungen war die finanzielle Situation des Hochstifts unter Emicho durchaus positiv8). Er starb am 28. Juli 1311 in Wien während einer Reise durch die österreichischen Besitzungen des Freisinger Hochstifts. Sein Leichnam wurde nach Freising überführt und im Dom vor dem Georgsaltar beigesetzt9). Für ihn sind Meßstiftungen an die Freisinger Domkirche nachgewiesen10).

Eine Gedenkplatte, die die vermutlich im Zuge der ersten Dombarockisierung 1621–1624 abgegangene Platte von 1311 ersetzte, dürfte gemäß ihrer stilistischen Einordnung dem frühen 18. Jahrhundert angehören, könnte also im Hinblick auf die 1000-Jahr-Feier des Bistums 1724 oder wenige Jahre zuvor angefertigt worden sein. Als terminus post quem kann dabei die Auffindung der Gebeine von Bischof Emicho am 24. Mai 1701 nahe dem Michaels-und-Castulus-Altar gelten11). Mit einem Zeitansatz in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts läßt sich ebenso die Ornamentik der Kartusche um Bischofs- und Kreuzstab vereinbaren, die auf die Stilphase des Régence verweist. Der Standort dieser Platte war im inneren nördlichen Seitenschiff im Boden zwischen dem Michaels-und-Castulus- und dem Georgsaltar12). Die oberen zwei Drittel nahm eine Fünfpaß-Kartusche aus gerollten C-Bogen ein, darin befanden sich ein Bischofsstab und ein Kreuzstab überkreuzt, die oberen Zwickel waren mit Blättern, die unteren mit Blüten gefüllt, das untere Drittel der Platte beinhaltete die Grabinschrift: ENICHO EP(ISCOPVS) FRISING(ENSIS) / XX. REXIT. XXIX. ANNIS / MORT(VVS). V. CAL(ENDAS) AVG(VSTI) IN DIE PAN=/TH(A)LEO(N)IS A(NNO) D(OMI)NI. M: CCCXI13).

Außerdem gab es im Dom eine quadratische Bodenplatte aus der Zeit von Bischof Eckher mit der Inschrift: Emicho Com(es) de Witlspach Ep(iscop)us XXVIIII. Fris(ingensis) O(biit) 23. Julii A(nno) 131114). Diese Platte ging spätestens im Zuge der Bodenerneuerung 1842 verloren.

Textkritischer Apparat

  1. AEM H 602: Erste Zeile fehlt.
  2. AEM H 253 p. 129, BSB Cgm 1716, BSB Cgm 1725, BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161, BSB Clm 1292, AEM H 291, AEM H 8a, Deutinger, Kataloge: quondam sed.
  3. AEM H 291: Nachfolgender Text bis iusti fehlt.

Anmerkungen

  1. Meichelbeck, Chronica 189; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 123; Heckenstaller, Dissertatio 40; Strzewitzek, Sippenbeziehungen 245.
  2. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 64v.
  3. BSB Cgm 1716 Praepositi S. Andreae Frisingae fol. 18r; AEM FS 118 p. 2; Prechtl, St. Andreas 64f., 111.
  4. Deutinger, Päpstliche Urkunden 22 Nr. 7. Der bei Prechtl, St. Andreas 64, genannte Emicho, Graf von Ruxingen, der von 1285 bis 1342 die Propstwürde von Maria Wörth bekleidete und die Pfarrei St. Peter am Kammerberg besaß, war ein naher Verwandter des Freisinger Bischofs Emicho, ist mit diesem also nicht identisch, vgl. Pagitz, Maria Wörth 161-163; Maria Wörth (im Wörthersee), Pol. Bez. Klagenfurt-Land, Kärnten, Österreich.
  5. Schmid, Alte Kapelle 1 Nr. 49f.; Nittenau, Lkr. Schwandorf, Opf.
  6. Meichelbeck, Chronica 189; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 92; Lang/Freyberg, Regesta Boicarum III 438; Geiß, Ungedruckte Urkunden 199 Anm. 3; Schlecht, Inschriften II 6; Bischofs-Chronik II 21 Anm. 5; Strzewitzek, Sippenbeziehungen 245.
  7. Gatz, Bischöfe I 193; Garmisch und Mittenwald, Lkr. Garmisch-Partenkirchen.
  8. Maß, Bistum 233.
  9. Meichelbeck, Chronica 195; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 114; Hundt/Gewold, Metropolis Salisburgensis I2 168; Deutinger, Matrikeln I 16; Deutinger, Kataloge 49f., 78, 181; Baumgärtner, Meichelbeck’s Geschichte 134f.; Leidinger, Veit Arnpeck 887; Schlecht, Inschriften II 5f.; Bischofs-Chronik II 22; Strzewitzek, Sippenbeziehungen 246; Gams, Series episcoporum 275; Maß, Bistum 238.
  10. BayHStA HL Freising Nr. 617 fol. 8r, 13r, 15r; BayHStA HL Freising Nr. 569 p. 28, 49b; BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 9v, 29r; MGH Necrologia III Liber Oblagiorum 90, 92f.; Boegl, Jahrtagsverzeichnis 4; vgl. MGH Necrologia III Scheftlariense 126, Tegernseense 148.
  11. Meichelbeck, Chronica 195f.; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 114; AEM H 8a p. 551.
  12. Nach AEM H 291 p. 383 und AEM H 8a p. 551 Standort der Platte nahe dem Michaels-und-Castulus-Altar, nach BSB Cgm 1725 p. 167 nahe dem östlich benachbarten Georgsaltar – tatsächlich also wohl zwischen beiden Altären.
  13. BSB Cgm 1725 p. 167; AEM H 57 p. 116; AEM H 482a p. 1099, 1118; BSB Cgm 1718 7 nach p. 564 (beides nur gekürzt); AEM H 8a p. 42, 551; AEM H 291 p. 383; AEM H 464 fol. 14v; HVO Ms. 318 fol. 20r; AEM H 467; AEM B 8 II p. 218; Glaser, Grabsteinbuch 309 Nr. 33. Bei AEM H 8a p. 42, 551 und AEM H 464 lautet die Ordnungszahl korrekt XXIX anstatt XX; bei Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 114, H 291 p. 383 und BSB Cgm 1725 p. 167 dieselbe Textstelle: 29 rexit 29 Annis mortuus 5 cal(endas), ebd. die Jahreszahl 1311. Die Höhe der Platte wird allgemein mit decussatim bezeichnet, betrug also eine bayerische Elle (entspricht 83,3 cm), vgl. u. a. AEM H 8a p. 551.
  14. BSB Oefeleana 10 IV p. 34; AEM H 482a p. 1053; BSB Cgm 1718 1 nach p. 537; AEM H 76 p. 316, 317; AEM H 465 fol. 281r; Schlecht, Inschriften II 5f. Nr. 69. Einen irrigen Text überliefert Heckenstaller in AEM H 8a p. 551: ENICHO COM(ES) DE FISCHPACH EP(ISCOPU)S XXIX O(BIIT) 28 July A(nn)o 1311.

Nachweise

  1. AEM H 5 p. 129; HABW Cod. Helmst. 205 fol. 257r; AEM H 602 p. 73; Hundt/Gewold, Metropolis Salisburgensis I2 168, I3 113; BSB Cgm 5805 fol. 41r; AEM H 669 fol. 34v; AEM H 666 p. 55; AEM H 253 p. 47, 129; BSB Cgm 1725 p. 167; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 114; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 86v; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 162 p. 255; BSB Clm 1292 p. 109; AEM H 291 p. 383; AEM H 8a p. 42, 551; AEM H 462; AEM H 464 fol. 14r; AEM H 467; AEM B 8 II p. 218; AEM H 270; Deutinger, Kataloge 182; Deutinger, Viti Arnpeckhii 520; Leidinger, Veit Arnpeck 887; MGH SS XXIV 325; Schlecht, Altäre 40; Bischofs-Chronik II 23; Bischofs-Chronik, Neuausgabe 39.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 19† (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0001905.