Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 377† Tüntenhausen, Pfk. St. Michael 1613

Beschreibung

Gemälde mit Stifterinschrift des Propstes von Neustift bei Freising, Johannes III. Dollinger. Öl auf Holz1). Altarbild des an der Nordwand des Kirchenschiffs über der Grabstätte des hl. Eberhard errichteten Wallfahrtsaltars. Darstellung des Heiligen als Viehpatron: Eberhard, mit strahlenumkränztem Haupt, als Hirte mit Tasche und Stab in der Rechten kniend, mit der Linken empordeutend auf das Auge Gottes; um Eberhard herum Ochsen, Kühe und Schafe2). Die Inschrift im unteren Bildbereich3). Das Gemälde wohl um 1728/33 beseitigt.

Beschreibung und Text nach AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 Actorum Rotulus prod. 61.

  1. Ob Singulare(m) B. Eberhardi Confessoris, cuius hic ossa continentur, memoria(m) et veneratione(m) hoc eiusde(m) virtutum et meritorum memoriale ponere voluit R(everendus) P(ater) et D(omi)n(us) Joan(n)es Praepositus monasterij Novae=Cellae prope Frisinga(m) an(n)o. 1613.

Übersetzung:

Wegen des außerordentlichen Andenkens und der Verehrung des seligen Bekenners Eberhard, dessen Gebeine hier enthalten sind, wollte dies Gedächtnis seiner Tugenden und Verdienste aufstellen der hochwürdige Vater und Herr Johannes, Propst des Klosters Neustift bei Freising, im Jahre 1613.

Kommentar

Die Lebensdaten des als heilig verehrten Eberhard – sie schwanken zwischen 1000 und 1312 – sind ebenso unbekannt wie dessen Herkunft oder Vita. Die Tradition sieht ihn als frommen Schafhirten aus Tüntenhausen. Ausgangspunkt der bis zum 18. Jahrhundert stetig anwachsenden Wallfahrt war sein Grab in der Tüntenhausener Kirche4). Dessen Erde wurde wundersame Heilwirkung besonders bei Viehkrankheiten zugesprochen. Bereits 1312 war Kloster Neustift die Haindlfinger Filialkirche Tüntenhausen durch Bischof Gottfried inkorporiert worden, 1456 bekam es durch Herzog Ludwig den Reichen auch noch die Verwaltung der Wallfahrt übertragen5).

Möglicherweise steht die Stiftung des Gemäldes in Zusammenhang mit der zwischen 1613 und 1618 auf Veranlassung von Propst Johannes III. Dollinger erfolgten Renovierung der Wallfahrtskirche. Der erste und zugleich letzte Nachweis des Altarbildes findet sich in den von 1728 bis 1737 erwachsenen Akten des von Kloster Neustift angestrengten außerordentlichen Kanonisationsverfahrens des Eberhard6). Offenbar ging das Bild verloren, als 1728 anläßlich der Graberöffnung der 1717 errichtete Wallfahrtsaltar komplett abgetragen wurde7). Im April 1733, also ein Jahr vor der förmlichen Anerkennung des Eberhard-Kultes und der Rückführung der Reliquien von Neustift nach Tüntenhausen8), wird es als nicht mehr vorhanden bezeichnet9). Im Altaraufbau von 1717 diente das Bild als Altarblatt10). Zwar war in der Bestätigungsurkunde von 1734 festgelegt, der Altar solle wieder genauso aufgebaut werden wie vor seinem Abbruch11), doch nahm die Mitte des neuen Altars nun eine große Schnitzfigur des Heiligen ein.

Der Freisinger Maler Lorenz Peter Herdegen vertrat 1731 die Meinung, das Bild sei zu zeiten des schwarzen [= Christoph Schwarz] eines yberaus gueten Künstlers gemahlet worden sein12), doch widersprechen dieser Annahme allein schon die Lebensdaten von Christoph Schwarz, vgl. Nr. 376†. Möglicherweise kommt der Münchner Hofmaler Peter Candid in Frage, der wohl bald nach 1602 – das Jahr, in dem Propst Peter II. Schlaich Matthäus Rader die geforderten Informationen über den heiligen Eberhard zukommen ließ – die Vorzeichnung zu Raphael Sadelers Kupferstich mit der Darstellung des heiligen Eberhard für Matthäus Raders Bavaria Sancta lieferte13) und auch später noch nach Freising verpflichtet worden ist, s. Nr. 327†, 407. Der 1615 publizierte Kupferstich jedoch weicht in einigen entscheidenden Punkten vom 1613 gemalten Altargemälde ab: So fehlt hier ein gemalter Vorhang, der die Szene bühnenhaft umrahmt; zudem deutet der sel. Eberhard nicht mit seiner Linken auf das im Himmel über ihm schwebende Auge Gottes, sondern hat beide Hände zum Gebet gefaltet, den Himmel aber nimmt eine Engelsglorie ein, die das Lamm Gottes umfängt14).

Zu einer weiteren Gemäldebeischrift von Propst Johannes III. Dollinger s. Nr. 129.

Zum beschrifteten Gitter, das die Grabstätte des hl. Eberhard umgab, s. Nr. 388a†.

Anmerkungen

  1. Aussage des Freisinger Malers Dominicus Poo: Hint bey der Kürchenthür ist S: Eberhard auf holz gemahlen linkher handt der Kürchen ist ein guettes fleissiges gemahl, wirt über hundert jahr alt sein, und mit der jahrzahl .1613. übereintreffen; s. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 46 p. 5; ebd. Fasz. 2 Protocollum super cultu p. 33; ebd. Fasz. 2 prod. 61 fol. 13v; ebd. Band Processu Beati Eberhardi, Kap. Acta Processûs Super visitatione p. 66, Acta et Processus super Casu Excepto (Protocollum) p. 25, Acta et Processus super Cultu p. 113; DBMF Hs. 335 Acta Utriusque Processus p. 97, Acta Processus super Casu Excepto (Protocollum) p. 37, Acta et Processus Super Cultu p. 196.
  2. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 61 fol. 3v: in cuius medio effigies Ven(erabilis) Servi Dei Eberhardi flectentis in forma et habitu pastoris cu(m) baculo, pera et radijs depicti, circumiacentib(us) hinc inde pecoribus, videl(icet) bob(us), vaccis, et ovibus; s. auch ebd. Fasz. 1 Protocollum Super Actu p. 8 Nr. 22,2 (der für die Gemäldeinschrift vorgesehene Platz bei Nr. 22,3 hier nicht ausgefüllt); ebd. Band Processu Beati Eberhardi, Kap. Acta Processûs Super visitatione p. 94; DBMF Hs. 335 Protocollum super visitatione p. 6; Evodius, Graberöffnung Nr. 21, 2; Heilmaier, Eberhard 3. Die Beschreibung ergänzt durch den Bericht des P. Hermann Mader aus Neustift von 1717/18 in Heilmaier, Eberhard 3. Danach befand sich das Bild im Zentrum eines Altars, der von Pilastern, dicken, blumenumwundenen Schraubensäulen und den prämonstratensischen Assistenzfiguren des hl. Norbert von Xanten und des sel. Hermann Joseph flankiert war.
  3. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 Protocollum Super Actu p. 8 Nr. 22,2.
  4. Vgl. Hundt/Gewold, Metropolis Salisburgensis II2 528, II3 365.
  5. Manz, Eberhard 220f.
  6. Zum Verhältnis der Originalakten des AEM zu einer Kopie des 18. Jahrhunderts in der DBMF s. Heilmaier, Handschrift Nr. 3, 4 bzw. 38f. (Sonderdr.); Heilmaier, Verehrung Nr. 32, 1 bzw. 428 (Sonderdr.). Allerdings ist Heilmaiers Vermutung, die Originalakten würden die Stifterinschrift nicht enthalten, unzutreffend; zum Kanonisationsverfahren s. Evodius, Graberöffnung; Heilmaier, Eberhard; Goerge, Eberhardus.
  7. Prior P. Marian Milbauer beruft sich 1728 in seinem Schreiben an die Deputierten bezüglich der mitgeteilten Stifterinschrift des Gemäldes auf eine von ihm im Jahre 1718 angefertigte Abschrift, s. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 41 p. 3.
  8. Crammer, Magnifica Sanctitatis 123; Evodius, Graberöffnung Nr. 22, 3.
  9. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 2 prod. 57 p. 4; ebd. Band Processu Beati Eberhardi, Kap. Acta et Processus Super Cultu p. 79; DBMF Hs. 335 Acta et Processus Super Cultu p. 136.
  10. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 41 p. 13; ebd. Fasz. 1 prod. 61 fol. 11v; ebd. Band Processu Beati Eberhardi, Kap. Acta Processus Super visitatione p. 50, 111. Die Standortangabe der Inschrift ad pedem altaris bezieht sich nicht auf den Altarantritt, sondern auf den Sockelbereich des Altaraufbaus; vgl. Heilmaier, Eberhard 3.
  11. Evodius, Graberöffnung Nr. 22, 3.
  12. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 46 p. 3; ebd., Fasz. 2 Protocollum super cultu, p. 29f.; ebd. Fasz. 2 prod. 61 fol. 13r; DBMF Hs. 335 Acta Utriusque Processus p. 94, Acta Processus super Casu Excepto (Protocollum) p. 34f., Acta et Processus Super Cultu p. 194.
  13. Rader, Bavaria Sancta I Taf. 33; Manz, Eberhard Abb. nach 256; Zink, Eberhardsbild 1 bzw. 89 (Sonderdr.); Goerge, Landratsamt 60. Dagegen spricht der Maler Lorenz Peter Herdegen davon, daß das obere blädl, und die undtere khündl [...] von dem Meister Rotthamer, welcher gelebet a(nn)o: 1600 gemalt worden seien, s. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 46 p. 5; ebd., Fasz. 2 Protocollum super cultu, p. 30; ebd., Fasz. 2 prod. 61 fol. 13r; ebd. Band Processu Beati Eberhardi, Kap. Acta Processûs Super visitatione p. 63, Acta et Processus super Casu Excepto (Protocollum) p. 23, Acta et Processus Super Cultu p. 112; DBMF Hs. 335 Acta Utriusque Processus p. 94, Acta Processus Super Casu Excepto (Protocollum) p. 34f., Acta et Processus Super Cultu p. 194; Goerge, Eberhardus 622.
  14. Diese Bilddetails nach Heilmaier, Eberhard 3.

Nachweise

  1. AEM PfA Haindlfing, Akt V, Filialkirche Tüntenhausen, Fasz. 1 prod. 41 p. 3; ebd. Fasz. 1 prod. 61 fol. 10r; ebd. Band Processu Beati Eberhardi, Kap. Acta et Processus (Prothocollum) p. 5, Acta Processûs Super visitatione p. 43, 108; DBMF Hs. 335 Kap. Protocollum super visitatione p. 6, Acta Utriusque Processus p. 65, 163; Heilmaier, Eberhard 3f.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 377† (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0037707.