Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 293 Pfk. St. Georg 1576

Beschreibung

Zwei Doppel-Bildfenster des Bischofs Ernst von Bayern. Davon ein Doppelfenster mit Wappen (oben) und Schriftfeld (unten) im Fenster der nordöstlichen Chorschräge, das andere mit Darstellung des hl. Geistes (oben) und der Marienkrönung (unten) im Fenster der südöstlichen Chorschräge, jeweils in der zweiten und dritten Reihe der zweiten und dritten Fensterbahn von links. Ursprünglicher Standort nicht bekannt, 1888 in den Fenstern der Chorschrägen, jedoch gegenüber den heutigen Standorten mit vertauschten Plätzen, 1924 wohl ebenso, ab 1955 das Doppel-Bildfenster mit Heilig-Geist-Taube und Marienkrönung in der Turmkapelle im westlichen Fenster, das Wappenfenster ebenda im nördlichen Fenster, das Schriftfeld ebenda im südlichen Fenster, seit der Restaurierung 2000–2001 am heutigen Standort1).

Beschreibung des nordöstlichen Doppelfensters: Oben Vollwappen des Bischofs in einem Medaillon, dessen Rahmen mit Schuppenleiste belegt, in den Orthogonalen teils mit Maskaronen besetzte Klammern zur umgebenden Ädikulaarchitektur; diese in Form ornamentierter Säulen mit hinterlegten Pilastern und Horizontalgiebel; in den Zwickelflächen zwischen Medaillon und Architektur vegetabile Versatzstücke. Unten Stifterinschrift (I) in querformatiger Schrifttafel, diese oben und unten bilobiert, der Rahmen mit Schuppenleiste belegt, die Ecken mit Blüten und Blättern besetzt, rechts und links Klammern zur umgebenden Architektur; diese als Unterhang gestaltet, die seitlichen Konsolen mit Maskaronen besetzt, oben Tafel mit geflügeltem Engelskopf, die Restflächen um den Unterhang mit Festons und vegetabilen Versatzstücken gefüllt. Zwischen dem Wappen- und dem Schriftfenster Füllstreifen mit Textfragmenten des zerstörten Bildfensters Nr. 288 eingefügt.

Beschreibung des südöstlichen Doppelfensters: Oben Heilig-Geist-Taube mit Nimbus im querformatigen Rahmen, dieser mit Schuppenleisten belegt, oben konvex ausschwingend und am Scheitel mit einem geflügelten Engelskopf besetzt, seitlich Klammern zur architekonischen Rahmung; diese als Altarauszug gestaltet, die Restflächen mit Rollwerk und vegetabilen Versatzstücken gefüllt, unter der Sockelleiste Unterhang mit Datierung (II) in kleiner querformatiger Tafel, diese seitlich mit Beschlagwerkornamentik. Unten Darstellung der Krönung Mariens durch Christus und Gottvater, der quadratische Bildrahmen durch die hll. Korbinian (links) und Sigismund (rechts) flankiert, deren Sockel mit Maskaronen besetzt.

Sämtliche Scheiben mit mehreren Sprüngen, die Inschrift I in der unteren Hälfte etwas verblaßt, Inschrift II stärker verblaßt.

Maße: Nordöstliches Doppel-Bildfenster, untere Hälfte (I): H. 74 cm (ohne den Füllstreifen), B. 107 cm, Bu. 5 cm. Südöstliches Doppel-Bildfenster, obere Hälfte (II): H. 76 cm, B. 112 cm, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. I.

    Von · Gottes · genaden · Ernst / Der · Stifft · hilldesheim · V(nd) Frey/sing · Bischoff · Pfaltzgraue · bey / Rhein · hertzog · In · Obern · V(nd) · Ni(dern) / Bayerna)

  2. II.

    1576

Wappen:
Bischof Ernst von Bayern2).

Kommentar

Ernst von Bayern entstammte der herzoglichen Familie der Wittelsbacher. Er wurde am 17. Dezember 1554 in München als Sohn von Herzog Albrecht V. (1550–1579) und Anna von Österreich geboren3). Seine theologische und humanistische Ausbildung, die er im Hinblick auf ein Leben im geistlichen Stand erhielt, wurde maßgeblich durch jesuitische Lehrer am Münchner Hof geprägt. 1563 immatrikulierte er sich an der Universität Ingolstadt4), 1574 bis 1576 studierte er in Rom und Siena5). Um die katholische Reform in Bayern voranzutreiben und zugleich den landesherrlichen Einfluß zu sichern, veranlaßte Herzog Albrecht V. den amtierenden Freisinger Bischof Moritz von Sandizell (1559–1566, Nr. 274) zum Rücktritt und installierte dort seinen elfjährigen Sohn Ernst, der als Bischof entgegen den kirchlichen Bestimmungen nicht einmal die Priesterweihe empfangen hatte – diese sollte er erst 1577 erhalten. Zwar konnte für Ernst 1573 auch der Bischofsstuhl in Hildesheim gesichert werden, doch scheiterte er 1577 bei der Wahl zum Kölner Erzbischof. 1581 erlangte er außerdem das Bistum Lüttich und erhielt dort die Bischofsweihe. Nachdem der Kölner Erzbischof Gebhard I. von Waldburg vom katholischen Glauben abgefallen war, gelang es Ernst nach dessen Vertreibung 1583, zum Erzbischof von Köln gewählt zu werden, außerdem besetzte er 1584 das Bischofsamt in Münster. Damit hatte Ernst, der mit seiner Lebensgefährtin Gertrud von Plettenberg ohne Eheschließung zusammenlebte, fünf Bischofsstühle inne. Überdies bekleidete er die Würde eines Kurfürsten von Köln, dessen Stimme im Kurfürstenkollegium hinsichtlich des Erhalts eines katholischen Kaisertums in Deutschland von zentraler Bedeutung war. Aufgrund seiner Ämterhäufung fand er jedoch kaum mehr Zeit, sich persönlich in die Verwaltung des Freisinger Bistums einzuschalten und gründete daher 1585 einen bischöflichen Geistlichen Rat in Freising6). Die wichtigsten kirchenpolitischen Maßnahmen von Bischof Ernst waren die Unterbindung protestantischer Tendenzen, die Förderung geistlicher Bildungseinrichtungen sowie die strikte Umsetzung des priesterlichen Zölibats. Seine mehrjährige Romreise und Rundreisen, die ihm durch seine Ämterhäufung diktiert wurden, verschlangen große Summen und engten den finanziellen Spielraum des Hochstifts Freising auf Jahre hinaus ein. Am 17. Februar 1612 starb Bischof Ernst von Bayern in Arnsberg7). Er wurde im Kölner Dom in der Dreikönigskapelle beigesetzt.

Die vom Bischof nach St. Georg gestifteten Bildfenster sind als Dankesgaben für eine glückliche Rückkehr von seinem mehrjährigen Aufenthalt in Rom anzusehen8), die Stiftung der Fenster steht jedoch auch in Zusammenhang mit einer nach einem Unwetter im Jahre 1575 notwendig gewordenen umfänglichen Erneuerung der Fensterverglasung von St. Georg, vgl. Nr. 288.

Textkritischer Apparat

  1. Worttrennzeichen in Form kleiner Dreiecke.

Anmerkungen

  1. Kdm Obb II 376; Dehio Obb 317.
  2. Quadriert, 1/4. Pfalz-Bayern (Souv1 15, Tafel 18; Volkert, Wappen der Wittelsbacher 16f., Tafel 1 Nr. 8), 2/3. Bayern (Souv1 15, Tafel 18). Im Herzschild Bistum Freising (Bi 46, Tafel 76).
  3. Zu Bischof Ernst s. allgemein Weber, Reform 212-232.
  4. Matrikel LMU I Sp. 840 Z. 17, 28. April 1563.
  5. Matrikel Siena I 35 Nr. 1.
  6. Die ersten Mitglieder des Geistlichen Rates waren Dompropst Alexander Secundus Fugger als Präsident (Nr. 375), Weihbischof Bartholomäus Scholl (Nr. 427†), Domkustos Johann Christoph Herwart (Nr. 395), Domherr Christoph Stengl und Generalvikar Ludwig Schrenck (Nr. 364), s. Weber, Reform 218.
  7. Arnsberg, Hochsauerlandkreis, Nordrhein-Westfalen.
  8. Vgl. Prechtl, St. Georg 38.

Nachweise

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 377f.; HVF U XI 8 Grabsteine St. Georg p. 7; Kdm Obb II 376; Feiler, St. Georg 17.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 293 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0029304.