Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 208 Domkreuzgang vor 1541

Beschreibung

Figurale Grabplatte des Stiftskanonikers Michael Fischer (Piscator). Im Südflügel im ersten Joch neben der Treppe an der Westwand. Ursprünglich in der Kollegiatstiftskirche St. Andreas in der Nähe der Orgel1), nach dem Abbruch der Kirche 1804 im Seminargarten, später in der Martinskapelle2), seit ca. 1901 am heutigen Standort3). Adneter Kalkstein. In der oberen Hälfte der Platte in einem von Säulchen und Zahnfries gerahmten Rundbogenfeld die Halbfigur des Verstorbenen im Chorgewand mit Almucia, auf dem Kopf ein Birett, die Hände zum Gebet gefaltet; im linken Bogenzwickel ein Medaillon mit Kelch, im rechten ein Medaillon mit dem Wappenschild des Verstorbenen. In der unteren Plattenhälfte die erhaben gearbeitete Grabinschrift zwischen erhabenen Trennleisten. Die Platte in der oberen Hälfte zweifach gebrochen.

Maße: H. 239,5 cm, B. 119 cm, Bu. 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien, Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · M · D 〈XLI〉 · die / vero 〈24〉 mensis 〈MAY〉 Obyt / venera(bi)lisa) Vir · d(omi)n(u)s · Michael / Piscatoris · Canonicus · Eccle(si)a(rum)b) / Sa(n)cti · viti 〈· Et · s(ancti) · an(dreae)c) ·〉 ac · Rector · / parrochialis · Eccl(esi)e · S(ancti) · georgy / In · poge(n)hausen · c(uius) · a(n)i(m)a · deo · viuatd)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1541 und zwar am 24. Tag des Monats Mai starb der ehrwürdige Mann Herr Michael Fischer, Kanoniker der Kirchen St. Veit und St. Andreas und Rektor der Pfarrkirche St. Georg in Bogenhausen. Seine Seele lebe bei Gott.

Wappen:
Fischer4).

Kommentar

Zu den Schriftformen s. Einleitung CIV.

Beim Textteil · Et · s(ancti) · an(dreae) · handelt es sich um eine Korrektur, die aufgrund der vom übrigen Text abweichenden Buchstabenformen wohl einige Zeit nach dessen Entstehung vorgenommen wurde. Dazu wurde der ursprüngliche, erhaben gearbeitete Text bis auf den Grund abgearbeitet, der neue Text mit erhabenen, jedoch sehr flachen Buchstaben ausgehauen und die bestehenden Textteile bei den Anschlußstellen in der Höhe des Grundes wie der Buchstaben angeglichen, um Rücksprungkanten zu vermeiden. So zeigt sich um diese Stelle eine leichte Einwölbung des Grundes und eine uneinheitliche Einschlagtiefe der Buchstaben. Gegenüber dem originalen Buchstabenbestand weist hier das E einen tiefer ansetzenden, stärker gerundeten unteren Bogen auf, das s besitzt schlankere Proportionen und der obere Bogen des a zieht enger ein. Ferner weist die extreme Kürzung s · an’ für sancti andreae darauf hin, daß dieser Textteil ursprünglich so nicht vorgesehen war und einen anderen Text ersetzt. Eine dem Platzangebot angemessene Ergänzung wäre · collegial(is) ·, die das vorhergehende Sa(n)cti · viti sinnvoll fortsetzen würde. Entsprechend verlangte der Zusatz · Et · s(ancti) · an(dreae) · auch eine Änderung des Casus von Eccles(iae) in der vorhergehenden Zeile, der durch eine mißlungene, sich in die Randleiste erstreckende Korrektur bewerkstelligt wurde.

Der Grund für die Textkorrektur mag darin liegen, daß Michael Fischer (Piscator) die Grabplatte während seines Kanonikats bei St. Veit – also zwischen 1511 und 1531 – hatte anfertigen und in St. Veit aufstellen lassen, nach Erlangung des Kanonikats bei St. Andreas jedoch einen diesbezüglichen Vermerk auf der Platte wünschte und diese nach seinem Wechsel nach St. Andreas 1531 dorthin versetzen ließ, wo sie sich noch 1803 befand.

Michael Fischer war ab 1511 Chorherr des Kollegiatstifts St. Veit5), resignierte 1531 sein dortiges Kanonikat und wechselte in das St. Andreasstift6). Außerdem versah er laut Inschrift die Pfarrei Bogenhausen7). Für St. Andreas stiftete er einen Flügelaltar (Nr. 198), außerdem veranlaßte er Jahrtagsstiftungen nach St. Johannes Baptist8), St. Andreas9), St. Veit10) und Weihenstephan11).

Er ließ sich ebenfalls ein Epitaph anfertigen, dessen Inschrift heute nur noch kopial überliefert ist, s. Nr. 212†.

Textkritischer Apparat

  1. lis hochgestellt.
  2. Nach l Textkorrektur einer Mischform aus e und a, danach Kürzungszeichen für rum.
  3. · Et · s(ancti) · an(dreae) · offenbar spätere Textkorrektur (s. Kommentar).
  4. Worttrennzeichen quadrangelförmig.

Anmerkungen

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 282.
  2. Prechtl, St. Andreas 18.
  3. Schlecht, Inschriften III 91.
  4. Ein schräggestellter, nach links gebogener Fisch, oben und unten von zwei sechszackigen Sternen flankiert.
  5. AEM FS 118 p. 123.
  6. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 162 p. 57; AEM FS 118 p. 41.
  7. Bogenhausen gehörte zu den inkorporierten Pfarreien des Kollegiatstifts St. Veit, s. Pfister, St. Veit 154; Bogenhausen, Stadt München.
  8. BayHStA KL Freising – St. Johann Collegiatstift Nr. 30 fol. 6r; BayHStA KL Freising – St. Johann Collegiatstift Nr. 31 fol. 3r.
  9. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163a fol. 7v, 27r, 28v; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 354r.
  10. BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 62 fol. 11v, 12r; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 9 p. 205, 209; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 63 fol. 41v.
  11. BSB Clm 1026 fol. 50r; Gentner, Weihenstephan 115.

Nachweise

  1. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163 p. 216; BSB Oefeleana 10 IV p. 282; AEM H 408 p. 503; Prechtl, St. Andreas 18; Schlecht, Inschriften III 92 Nr. 64.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 208 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0020800.