Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 175 Domkreuzgang vor 1518

Beschreibung

Figurale Grabplatte des Domkustos Tristram von Nußberg. Im Südflügel im zweiten Joch an der Südwand. Ursprünglich in der Benediktuskirche1), seit 1716 am heutigen Standort. Adneter Kalkstein. Erhaben gearbeitete Umschrift2), nach innen gerichtet. Im Mittelfeld unter einem Tudorbogen aus verschlungenem Astwerk Darstellung des Verstorbenen im Chorgewand mit Almucia, auf dem Kopf ein Birett, die Hände zum Gebet gefaltet; in den unteren beiden Ecken der Platte zwei zum Bildfeld hin geöffnete Wappenmedaillons, die Schriftleiste unterbrechend. Die Platte an der unteren Schmalseite links beschädigt.

Maße: H. 205 cm, B. 105 cm, Bu. 11 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni 〈· M · Vc · xviij / tercia · Mensis · Julya) ·〉 obyt · ven(er)abil(is) · vir · d(omi)n(u)s · Tristra(mus)b) // Nusperg(er)b) · // Can(onicus) · et · custos · eccl(es)ie · fris(ingensis) · c(uius) · a(n)i(m)a · req(ui)escat · i(n) · pa(ce)c) ·

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1518 am dritten (Tag) des Monats Juli starb der ehrwürdige Mann Herr Tristram Nußberger, Kanoniker und Kustos der Freisinger Kirche. Seine Seele ruhe in Frieden.

Wappen:
Nußberg3), Taufkirchen4).

Kommentar

Die qualitätvolle Gestaltung der Grabplatte erinnert an andere Freisinger Arbeiten aus der Werkstätte des Augsburger Bildhauers Hans Beierlein des Mittleren (vgl. Nr. 156, 157). In der Schriftgestaltung sind folgende Buchstaben vergleichbar: C und T sowie a, e, g, r. Unterschiede zeigen sich vor allem in den reicheren Zierelementen. Denkbar wäre die Ausführung der Grabplatte durch einen Nachfolger Beierleins, der nach dessen Tod um 1507 in seiner Werkstätte arbeitete. Nicht auszuschließen ist auch die Nachahmung seiner Charakteristika durch eine andere Werkstätte; vgl. auch Einleitung CIV. Das Todesdatum wurde nachgetragen, es unterscheidet sich in Duktus und Raumeinteilung von der übrigen Schrift: So weichen die Minuskelbuchstaben a (oben geschlossener Bogen relativ groß), e (oberer abgeknickter Bogenabschnitt relativ kurz), s und langes s (andere Proportionen der einzelnen Buchstabenelemente) beträchtlich von den Formen der übrigen Inschrift ab, auch sind die Worttrennzeichen hier quadrangelförmig gestaltet. Volker Liedke hat diese Grabplatte nicht der Werkstätte des Hans Beierlein zugeordnet, wohl da die figürliche Darstellung des Kanonikers hinsichtlich der Gestaltung des Kopfes und der Hände von den übrigen Werken dieses Meisters abweicht.

Tristram von Nußberg entstammte einem bayerischen Adelsgeschlecht. Sein Vater war Wilhelm von Nußberg zu Furth, von 1439 bis 1452 zu Dießenstein5) und 1455 zu Hackenberg Pfleger6), seine Mutter Barbara, geb. von Taufkirchen7). Nachdem er bereits 1447 Domizellar geworden war – er wird dabei als Passauer Kleriker bezeichnet8) –, erhielt Tristram 1463 ein Kanonikat am Freisinger Domstift und rückte 1473 ins Domkapitel auf9). Von 1474 bis 1517 hatte er das Amt des Domkustos inne10). 1495 stiftete er die sog. Gründonnerstagstafel in der unteren Domsakristei, s. Nr. 141. Von ihm ist auch eine Jahrtagsstiftung an die Domkirche belegt11).

Über der Platte befindet sich eine gemalte Tafel mit Inschrift von 1716, die voraussichtlich 2011 nach Befund und kopialer Überlieferung erneuert wird: TRISTRAMVS DE NVSPERG CAN(ONICVS) ET CVST(OS) / O(BIIT) A(NN)O 1518. 3 IVLII12).

Im Mittelschiff der Benediktuskirche befindet sich außerdem eine quadratische Bodenplatte aus der Zeit von Bischof Eckher mit folgender Inschrift: [+] / TRISTR(AMVS) / A NVSPERG. CAN(ONICVS) / O(BIIT) 1518. / 3. IVL(II) / +13).

Textkritischer Apparat

  1. Worttrennzeichen im Nachtrag quadrangelförmig.
  2. Nachfolgend Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  3. Worttrennzeichen paragraphenförmig.

Anmerkungen

  1. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 33v.
  2. Eine Kurzfassung der Inschrift in HVO Geissiana 454 p. 11 Nr. 85.
  3. BayA1 167 (Tafel 173).
  4. BayA1 186 (Tafel 189).
  5. Dießenstein, Lkr. Freyung-Grafenau, NB.
  6. BayHStA GU Vilshofen Nr. 323; vermutlich Hackenberg, Gde. Gangkofen, Lkr. Rottal-Inn, NB.
  7. Hundt, Stammenbuch III 690; Glasschröder, Nußberg 145.
  8. BayHStA Freising Urkunde 1447 April 25.
  9. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 33v.
  10. Glasschröder, Nußberg 146f.
  11. BayHStA HL Freising Nr. 569 p. 55; BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 31v; BayHStA HL Freising Nr. 573; AEM H 80 p. 27.
  12. Vgl. AEM H 482a p. 646; BSB Cgm 1718 1 nach p. 298; AEM H 64 p. 608; AEM H 465 fol. 173v.
  13. Vgl. BSB Oefeleana 10 IV p. 206; AEM H 76 p. 297, 321; Schlecht, Inschriften IV 111 Nr. 30.

Nachweise

  1. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 33v; BSB Cgm 1724 p. 158 Nr. 17; BSB Oefeleana 10 IV p. 90; BSB Cgm 1717 p. 568; BSB Cgm 2290 XVIII fol. 383v; AEM H 482a p. 644, 646; BSB Cgm 1718 1 nach p. 298, p. 300; AEM H 76 p. 332; HVO Ms. 318 fol. 66r; AEM H 477 p. 751; AEM H 61 p. 205; AEM H 465 fol. 173v, 174r; AEM H 466; Geiß, Kemnater 146 Anm. f.; HVF U XI 11 p. 10 Nr. 86; Schlecht, Inschriften III 47f. Nr. 3, Taf. XII; Glaser, Grabsteinbuch 350 Nr. 141.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 175 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0017509.