Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 161† Kollegiatstiftsk. St. Veit (abgegangen) 1510

Beschreibung

Stifterinschrift der Stiftspröpste Vitus Meler und Andreas Zierenberger. An der letzten Säule beim Altar des Abendmahls Christi auf der linken Seite. Wohl im Sommer 1803 ausgebaut und dem Steinmetzen Max Einsele zur Weiterverarbeitung überlassen1). Zu diesem Zeitpunkt der Text nur noch bis Canonicus lesbar2). Genaues Aussehen nicht bekannt. Text offenbar zweigeteilt (I, II).

Standort und Text nach BSB Oefeleana 10, mit Wappennachzeichnung.

  1. I.

    Deo imortali Trino uni, Divaeque Mariae Deiparae et S(anc)to Vito. Vitus Meler de Memmingen J(uris) V(triusque) D(octor) Augusten(sis)a) Canonicus et huius S(anc)ti Viti Frisingensi Ecclesiar(um)b) Praepositus, hanc quam vides Testudinum structuram, tum propriis pecunis tum etiam ex quondam Andreae Zirenberger de Traunstain huius similiterc) Ecclesiae Praepositi Testamento relictis pro animarum remedio de novo faciend(am) Curavit. Anno Salutis 1510d).

  2. II.

    Vitae precor miseris adsis venerande Patronecum venit extremi Judicis illa diese).

Übersetzung:

Dem unvergänglichen dreieinigen Gott, und der hl. Gottesmutter Maria und dem hl. Veit. Vitus Meler aus Memmingen, Doktor beider Rechte, Kanoniker in Augsburg und Propst dieser Kirche St. Veit in Freising, ließ diesen Bau des Gewölbes, den du siehst, sowohl mit persönlichen Geldern, als auch mit dem durch das Testament des Andreas Zierenberger aus Traunstein, des Propstes der gleichen Kirche, nachgelassenen Vermögen als Heilmittel für die Seelen neu errichten im Jahre des Heils 1510. (I)

Ich bitte, steh den im Leben Elenden zur Seite, ehrwürdiger Patron, wenn jener Tag des Jüngsten Gerichts kommt. (II)

Versmaß: Distichon. (II)

Wappen:
Meler3), Zierenberger4).

Kommentar

Der um 1445 geborene Vitus Meler stammte aus Memmingen5). Studien führten ihn 1469 nach Wien6), 1471 wohl nach Siena, 1473 und 1478 – zu dieser Zeit bereits Kanoniker am Domstift Augsburg7) – nach Bologna sowie 1480 nach Rom8). 1482 und 1483 ist er als Pfarrer von St. Moritz in Augsburg9), als Sollicitator der apostolischen Briefe10) sowie als Familiar von Kardinal Raphael Sansonius Riario und Papst Julius III. belegt11). 1486 versah er die Pfarrei in Petersthal/Allgäu12), nahm 1489 ein Kanonikat in Speyer in Besitz und erlangte um diese Zeit auch die Propstwürde des Stifts St. Pelagius in Bischofszell13). In den folgenden Jahren scheint sich Meler noch für einige Zeit in Rom aufgehalten zu haben, denn 1491 wird er als Provisor der Anima und Abbreviator14), 1493 als Mitglied der Rota Romana15) genannt. Nach seiner Rückkehr erhielt er ein Kanonikat beim Kollegiatstift St. Andreas in Freising16) und trat 1508 die Nachfolge des Andreas Zierenberger als Stiftspropst von St. Veit an17). Dabei steuerte er laut der 1510 gesetzten Inschrift die finanziellen Mittel für die Erneuerung der Gewölbe der Stiftskirche bei. Diese Maßnahme steht in Zusammenhang mit der Jahrtagsstiftung für Andreas Zierenberger, die unter dem Datum des 5. September 1510 in das Jahrtags- und Oblaibuch des Augsburger Domkapitels Eingang fand, Vitus Meler agierte dabei als Testamentsvollstrecker18). Aufgrund seines finanziellen Einsatzes für das Kollegiatstift St. Veit, an dessen Kirche er später auch eine Jahrtagsmesse stiftete, wurde er im Stiftskalendarium als Wohltäter hervorgehoben19). Wenig später, am 21. Oktober 1510, veranlaßte er auch eine Stiftung an die Stadt Memmingen20). Ein 1511 erlangtes Kanonikat am Domstift Freising resignierte er bereits wieder 1512 zugunsten seines Verwandten Jakob Meler21). Vitus Meler starb am 24. November 1517 und wurde im Domkreuzgang Augsburg begraben, wo er sich von Gregor Erhart ein Epitaph als Pendant zu dem von Andreas Zierenberger anfertigen ließ22). Eine weitere Gedenkplatte stellt das unter dem Epitaph eingelassene Relief eines Santiago-Pilgers dar, das zusammen mit dem darüber angebrachten Memento-mori-Spruch auf die Pilgerschaft des Menschen in den Tod verweist, vermutlich ebenfalls ein Werk des Gregor Erhart23). Dieser wurde wohl auch mit der Stiftertafel in Freising beauftragt. Außerdem gibt es in St. Martin in Memmingen eine Gedenktafel, die auf die Stiftungstätigkeit Melers verweist24).

Andreas Zierenberger stammte aus Traunstein25). Zunächst Kanoniker am Domstift Augsburg26), wurde er zu unbestimmtem Zeitpunkt Kanoniker des Freisinger St. Andreasstifts27), 1491 auch Propst des Kollegiatstifts St. Veit und übte dieses Amt bis zu seinem Tod am 20. Dezember 1507 aus28). Begraben wurde er im Augsburger Domkreuzgang, wo sich sein von Gregor Erhart geschaffenes Epitaph erhalten hat29). Nach St. Veit stiftete er eine Jahrtagsmesse30).

Textkritischer Apparat

  1. AEM H 126: Augusteus.
  2. Sic, irrig für Ecclesiae.
  3. AEM H 126: fil(iali)s (Auflösung unsicher).
  4. AEM H 126: MDX.
  5. Die letzte Zeile zentriert gesetzt.

Anmerkungen

  1. Kurzfassung der Stifterinschrift im 1803 erstellten Grabschriftenverzeichnis des Kollegiatstifts St. Veit, s. BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 221 prod. 3 p. 5 Nr. 31; Feuchtner/Koschade, Kirchen und Grabdenkmäler 153.
  2. BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 221 prod. 3 p. 5 Nr. 31.
  3. Im Feld eine auf einer Wolke ruhende Kugel, darüber im Schildhaupt eine Wolke, aus der Strahlen niedergehen.
  4. BayA3 151 (Tafel 105); vgl. auch BSB Cgm 2290 XXX fol. 155r.
  5. Memmingen, Schw.
  6. Matrikel Wien II,1 108, SS 1469 Natio Renensium Z. 12.
  7. Haemmerle, Canoniker 115f. Nr. 567, nimmt aufgrund der Angabe bei Khamm, Hierarchia Augustana I 610, an, Meler habe erst um 1495 ein Kanonikat in Augsburg erhalten.
  8. Knod, Studenten 328 Nr. 2263. Noch 1482 tritt Vitus Meler als Prokurator der Universität Freiburg und Notar in Rom auf, s. UniversitätsA Freiburg, Bestand A001 Nr. 0288, 15. Februar 1482; BayHStA KU Roggenburg Nr. 72, 1482 Juni 13.
  9. Schlecht, Andrea Zamometic 137 Anm. 9.
  10. Scherg, Bavarica 89 Nr. 649.
  11. BSB Cgm 1716 Praepositi S. Viti Frisingae fol. 24r; Scherg, Bavarica 90 Nr. 666.
  12. Scherg, Bavarica 101 Nr. 743; Petersthal, Gde. Oy-Mittelberg, Lkr. Oberallgäu, Schw.
  13. Knod, Studenten 328 Nr. 2263; Bischofszell, Bez. Bischofszell, Kt. Thurgau, Schweiz.
  14. Schmidlin, Anima 125.
  15. Haemmerle, Canoniker 115.
  16. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 162 p. 58; AEM FS 118 p. 36; Prechtl, St. Andreas 116.
  17. BSB Cgm 1716 Praepositi S. Viti Frisingae fol. 24r; AEM FS 118 p. 105.
  18. Dazu ausführlich Kosel, Augsburger Domkreuzgang 155f.
  19. BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 62 fol. 19r; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 9 p. 163; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 63 fol. 24r.
  20. Knod, Studenten 328 Nr. 2263.
  21. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 30v.
  22. Khamm, Hierarchia Augustana II 159; Otto, Gregor Erhart 89, Taf. 91; Reindl, Loy Hering 101-105, 261f.; Kosel, Augsburger Domkreuzgang 154 Nr. 86 (hier die gesamte ältere Literatur); Kdm Dom zu Augsburg 446f. Nr. 86.
  23. Reindl, Loy Hering 105-109, 262f.; Kosel, Augsburger Domkreuzgang 157 (hier die gesamte ältere Literatur); Kdm Dom zu Augsburg 447f. Nr. 87.
  24. Die Inschrift lautet: Anno d(omi)ni 1517 auf 24 tag Nouembr(is) · starb / der Erwirdig her Veit Meler · baider recht doctr / Thumher · vnd archidiacon zu Augspurg · de(m) got / gnad · Der hat got zu lob · vnd den selen zu trost / gestift · das die spitalpfleger hie zu Memingen · / In ewig zeit · vnabgentzlich · Järlich außrichte(n) / sellen · Namlich zwayen armen schuler(n) · Jedem / 25 guldin auf hocher schul zu studieren · vnd / ainer arme(n) from(m)en tochter 14 guldi(n) zu uerhei=/raten · Die Burgermaister vnd Rat alhie auß / Iren Burgern oder Irem fundenhauß (?) zu ervelen / haben · laut der brief daruber auffgericht / Gleich wie die son(n) den schne ze(r)treibt / also auff erd nichtz bestendig bleibt, vgl. Schlecht, Andrea Zamometic 156.
  25. Traunstein, Lkr. Traunstein.
  26. Haemmerle, Canoniker 198 Nr. 988; Augsburg, Schw.
  27. Nicht in AEM FS 118; Prechtl, St. Andreas 119.
  28. BSB Cgm 1716 Praepositi S. Viti Frisingae fol. 24r; AEM FS 118 p. 108.
  29. Khamm, Hierarchia Augustana II 158; Otto, Gregor Erhart 89, Taf. 90; Reindl, Loy Hering 101-105, 260f.; Kosel, Augsburger Domkreuzgang 153 Nr. 85 (hier die gesamte ältere Literatur).
  30. BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 62 fol. 39v; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 9 p. 193; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 63 fol. 37r.

Nachweise

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 436f.; AEM H 126 p. 12.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 161† (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0016100.