Inschriftenkatalog: Stadt Freising
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 69: Stadt Freising (2010)
Nr. 91 Dom Mariä Geburt und St. Korbinian 2. Viertel 15. Jh.
Beschreibung
Gedenkplatte für die Bischöfe Gerold Judmann von Reichersdorf und Konrad I. von Tölz. Im äußeren südlichen Seitenschiff in der Paulskapelle an der Südseite des vierten Pfeilers von Osten. Hier auch der ursprüngliche Standort. Adneter Kalkstein. In der oberen Hälfte der Platte neunzeilige Gedenkinschrift (I), der sich weitere drei Zeilen anschließen (II). In der unteren Hälfte in Ritzzeichung unter einem Halbkreisbogen zwei überkreuzte Bischofsstäbe. An den Rändern überputzt.
Ergänzt nach der Nachzeichnung in HVO Ms. 318.
Maße: H. 191 cm, B. 61 cm, Bu. 4,2-4,4 cm (I, II).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- I.
Gerold[(vs)]a) · ep[(iscopv)]sa) · hvi(vs)b) · sedis · obyt · iiij[o] / kalendas · april(is)b) · male · rexitb) · eccl(esi)amc) / annisb) · xio d) · et · sepvlt(vs) · est · extra · mo(na)/[s]teriu(m) · inb) · porticob) · Idem · alienavitb) / mvlta · bona · ab ecc(lesi)a · qve · o(mn)iab) · refo(r)/mata · fuer(vn)t · p(er) · svccessore(m) · svv(m) · ep(iscopv)m / Chvnradv(m) · Tolcznare) · sicvt · inb) · bvl=/la · Jmperialif) · avrea · et · alijsb) · scrip/t(vr)isb) · reperivntvrg) ·
- II.
Chvnradvs · ep(iscopv)s · Tolnczner · hvi(vs)b) / sedisb) · obijtb) · xiio h) · kalendas · febrv=/[a]rijb) · rexitb) · ecc(lesi)amc) · annisb) · xxvijo i) ·
Übersetzung:
Gerold, Bischof dieses Stuhles, starb am vierten Tag vor den Kalenden des April. Übel regierte er die Kirche elf Jahre lang und sein Grab liegt außerhalb des Doms im Eingang. Er entfremdete der Kirche viele Güter, die alle wiederhergestellt wurden durch seinen Nachfolger Bischof Konrad Tölzer; so wie es berichtet wird durch eine mit Goldbulle gesiegelte Kaiserurkunde und in anderen Urkunden. (I)
Konrad Tölzer, Bischof dieses Stuhles, starb am zwölften Tag vor den Kalenden des Februar. Er regierte die Kirche 27 Jahre lang. (II)
Datum: (1231) März 29, (1258) Januar 21.
Textkritischer Apparat
- Kürzungszeichen überputzt.
- Punkt über dem Schaft des/der i später ergänzt.
- Schluß-m in Form einer 3.
- Punkt über dem Schaft des i und hochgestelltes o später ergänzt.
- Kürzungsstrich über dem Wortende getilgt.
- Zweites i mit später ergänztem Punkt über dem Schaft.
- Punkt über dem Schaft des i später ergänzt; der nachfolgende Freiraum bis zum Ende der Zeile mit Rankenornament gefüllt.
- Hochgestelltes o später ergänzt.
- Punkt über dem Schaft der i später ergänzt; Worttrennzeichen punktförmig.
Anmerkungen
- BayHStA HL Freising Nr. 3c fol. 123r; MGH SS XXIV 325.
- Meichelbeck, Historia Frisingensis I,2 571 Nr. 1367.
- AEM FS 118 p. 184; Geiß, St. Peter 416.
- BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 42r; Meichelbeck, Historia Frisingensis I,1 398.
- Deutinger, Päpstliche Urkunden 9, 24. April 1227.
- Böhmer/Ficker/Winkelmann, Regesta Imperii V,1 368 Nr. 1824.
- BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 42r; Spindler, Geschichte II 34.
- Meichelbeck, Historia Frisingensis II,2 2 Nr. 3.
- BSB Cgm 1725 p. 133; BSB Clm 1291 p. 135f.; AEM H 291 p. 24; AEM B 8 II p. 59; ähnlich zuvor auch Eckher in BSB Cgm 2268 V fol. 88v. Schlecht, Inschriften II, 47, gibt irrig an, der Stein sei 1682 aufgefunden worden.
- BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163a fol. 7r; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 353r; AEM H 484 p. 384 Nr. 3.
- BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 62 fol. 12r; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 9 p. 132; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 63 fol. 11r.
- BSB Clm 21556 fol. 23r; BSB Clm 1026 fol. 30r; MGH Necrologia III Weihenstephanense 208.
- BayHStA HL Freising Nr. 617 fol. 6v; BayHStA HL Freising Nr. 569 p. 12; BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 7v; Necrologia III Liber Oblagiorum 89.
- BSB Cgm 2268 V fol. 88r.
- Monumenta Boica V 461.
- BSB Cgm 1716 Praepositi St. Candidi in Inichen in Tyrolli fol. 33r; AEM FS 118 p. 171; Monumenta Boica X 466.
- Ried, Codex Chronologico Diplomaticus I 352 Nr. CCCLXX.
- Strzewitzek, Sippenbeziehungen 231.
- Maß, Bistum 206-219.
- Meichelbeck, Chronica 181; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 10.
- BSB Clm 21556 fol. 5v; BSB Clm 1026 fol. 9r; MGH Necrologia III Weihenstephanense 204.
- BayHStA HL Freising Nr. 617 fol. 2v; BayHStA HL Freising Nr. 569 p. 3, BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 3r, 29v; Necrologia III Liber Oblagiorum 86.
- BSB Oefeleana 10 IV p. 46; AEM H 482a p. 1091; AEM H 76 p. 339; AEM H 464 fol. 13v; AEM H 8a p. 41, 503; Schlecht, Inschriften II 35 Nr. 111.
- Der Text lautet hier: Geroldus / Quondam Episc(opus) XXV Fris(ingensis) / + 29 Mart(ii) / ann(o) 1231. Plattennummer der Bauaufnahme des staatlichen Hochbauamts Freising von 1993: SI.211.
Nachweise
- BayHStA HL Freising Nr. 3c fol. 123r; BayHStA HL Freising Nr. 1 fol. 205v; BayHStA HL Freising Nr. 3 fol. 50v; HABW Cod. Helmst. 205 fol. 257r; BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 42v; BSB Cgm 1725 p. 133, 135; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 9, 48 (II); BSB Oefeleana 10 IV p. 46f.; BSB Clm 1291 p. 135f., 290; BSB Cgm 2290 XXV fol. 350r; AEM H 482a p. 741, 1091; BSB Cgm 1718 1 nach p. 364; AEM H 8a p. 34, 503; AEM H 291 p. 33, 158; AEM H 464 fol. 13v; HVO Ms. 318 fol. 19r; AEM H 465 fol. 203v; AEM H 467; AEM B 8 II p. 58, 106; MGH SS XXIV 324; Schlecht, Inschriften II 46-48 Nr. 124; Glaser, Grabsteinbuch 308 Nr. 30.
Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 91 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0009104.
Kommentar
Die Textvorlage für die Inschrift stammt aus einer Bischofschronik, die wohl bald nach 1359 angelegt wurde und zunächst die Biographien der Bischöfe von Gerold (1220–1230) bis Albertus II. (1345–1359) enthielt, danach aber schrittweise durch verschiedene Hände fortgesetzt wurde. Die letzten Einträge gehören wohl dem beginnenden 16. Jahrhundert an und enden mit dem Ableben von Bischof Sixtus von Tannberg (1473–1495, Nr. 143)1). Eine weitere Textentlehnung aus dieser Handschrift betrifft die Grabinschrift für Bischof Johannes I. (Nr. 150†). Die Inschrift fügt sich in den Buchstabenbestand der Gotischen Minuskel ein, wie er im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts auch auf figuralen Grabdenkmälern vertreten ist; vgl. Einleitung XCVIII.
Gerold – entweder der Familie Judmann von Reichersdorf oder dem Freisinger Ministerialengeschlecht der Waldecker entstammend – wird erstmals 1212 als Freisinger Domherr genannt2). Nachdem er 1219 die Propstwürde des Kollegiatstifts zu Isen erlangt hatte3), wurde er am 28. April 1220 per malam artem zum Freisinger Bischof gewählt4). Der schlechte Ruf Bischof Gerolds beruht dabei weniger auf den aktenmäßig gewordenen Beschwerden über seinen verschwenderischen Lebensstil, die sogar zu einer vom Papst angeordneten förmlichen Untersuchung Anlaß gaben5), als vielmehr auf der Abtretung der Grundherrschaft der Stadt Freising – vielleicht auch der freisingischen Herrschaft Burgrain – als Lehen an den bayerischen Herzog Ludwig den Kelheimer (1183–1231). Nach Intervention des Freisinger Domkapitels bei Papst Gregor IX. annullierte dieser – wie auch später Kaiser Friedrich II. im September 1230 – das Rechtsgeschäft6) und setzte den Bischof am 29. Juli 1230 ab7). Gerold, der weiterhin Domherr geblieben war8), starb am 29. März 1231 und sollte zunächst im Dom begraben werden. Am folgenden Tag aber wurde sein Leichnam außerhalb der Kirche in der Roßschwemme gefunden, die zwischen Dom und Stiftskirche St. Johannes Baptist lag. So ist er dort, wo bis vor einigen Jahren (anno 1680) das Siechheisel gestandten, eingescharret worden, der Stein ist anno 1682 alß der gang gebauth worden auch hinweckh khommen9). Demnach gab es einen Stein (unbestimmter Zeitstellung), der den tatsächlichen Begräbnisort des Bischofs markierte, beim Bau des Fürstenganges 1682 jedoch abhanden kam. Für Bischof Gerold bestanden Meßstiftungen in St. Andreas10), St. Veit11), Weihenstephan12) und an der Domkirche13).
Konrad von Tölz war der Sohn des Heinrich von Tölz und der Diemuth, geb. Freiin von Weilheim14). 1221 wurde er Domherr in Freising15), 1224 Propst des Kollegiatstifts zu Innichen16) und 1228 auch Domherr in Regensburg17). Wohl aufgrund seiner führenden Rolle bei der Absetzung von Bischof Gerold konnte er bei der Bischofswahl am 24. Oktober 1230 das Domkapitel hinter sich vereinen, an Pfingsten 1232 empfing er die Bischofsweihe18). Seine in der Gedenkinschrift erwähnten Bemühungen, die von Bischof Gerold zugunsten des Herzogtums Bayern vollzogenen Rechtsgeschäfte rückgängig zu machen, brachten ihn in dauernde Opposition zu Herzog Ludwig I. den Kehlheimer und Otto II. den Erlauchten. Diese wurde noch dadurch verstärkt, daß Bischof Konrad als erklärter Anhänger Kaiser Friedrichs II. auftrat, während die Herzöge der päpstlichen Partei angehörten. Während seiner Amtszeit mußte sich Bischof Konrad beständig gegen den Einfluß des bayerischen Herzogs Otto II. (1231–1253) wehren, der die Rechte der Kirche im Bistum Freising durch Besetzungen ihrer Güter und die Einforderung jährlicher Abgaben stark einschränkte19). Trotzdem gelang es ihm, weitere Güter hinzuzuerwerben, so etwa 1249 die Ortschaft Garmisch mit den umliegenden Gebieten, woraus sich später die freisingische Herrschaft Werdenfels konstituierte. Entgegen dem Datum auf der Gedenkplatte verstarb er am 18. Januar 1258 in München20). Jahrtagsmessen wurden für ihn in Weihenstephan21) und in der Domkirche22) gefeiert.
Außer der Grabplatte gab es im Dom im inneren südlichen Seitenschiff vor dem Thomasaltar eine quadratische Bodenplatte aus der Zeit von Bischof Eckher mit der Inschrift: Geroldus quondam Ep(iscop)us XXV. Fris(ingensis) O(biit) 29. Martii. A(nno) 123123). Die Platte wurde im Zuge der Erneuerung des Bodens 1842 ausgebaut und durch eine Neuanfertigung mit ähnlichem Text ersetzt24).