Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 13 Dom Mariä Geburt und St. Korbinian 1161–1205/17. Jh.

Beschreibung

Figurale Gewändereliefs mit Beischriften. In der Vorhalle auf der Westseite des inneren Hauptportals. Kalkstein. Dreifach gestuftes, rundbogiges Säulenportal mit reich skulptierter Archivolte, die Lunette ohne Reliefdarstellung und verputzt. Unterhalb der äußeren Enden des verkröpften Kämpferfrieses figurale Darstellungen: Nördlich Kaiser Friedrich I. Barbarossa mit Krone und Szepter auf einem Faldistorium sitzend1), begleitet von einer links neben ihm stehenden Figur mit Kopfbedeckung und Stab2), darüber eine zweizeilige Beischrift (I) zwischen eingeritzten Doppellinien, die über die Dienste und Kanten hinwegläuft; südlich Kaiserin Beatrix, eine Gabe in den Händen haltend, über ihr eine zweizeilige Beischrift (II) ohne Trennlinien, die Zeilenenden rechts über den Gesimsabschluß hinausreichend, unterhalb der Kaiserin an einem Dienst die beschädigte Reliefdarstellung einer Kröte. Das Portal mehrfach erneuert, teilweise zerlegt und wiederaufgebaut, zuletzt wohl im Zuge des Einbaus der Orgelempore 1621–1624, dabei wohl auch das Relief mit Darstellung der Kaiserin Beatrix samt Titulus ersetzt. Die noch deutlich erkennbare polychrome Farbfassung beider Reliefs aus der Zeit der Barockisierung 1723–1724; die Buchstaben zuletzt wohl im Zuge der Sighartschen Maßnahmen um 1870 mit schwarzer Farbe nachgezogen, die Ungenauigkeiten dieser Fassung bei der jüngsten Restaurierung 2007 korrigiert3).

Maße: Bu. ca. 7 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. I.

    FREDERIC(VS) · ROM(ANORVM) · / IMP(E)R(ATOR) · AVGVST(VS)a) ·

  2. II.

    CONIVX : BEATRIX COMITISSA / BVRGVNDIAE : A(NN)Ob) MCLXI

Übersetzung:

Friedrich, Kaiser der Römer, Augustus. (I)

Gemahlin Beatrix, Gräfin von Burgund, im Jahre 1161. (II)

Kommentar

Auf die Vergleichbarkeit des Freisinger Domportals mit italienischen Portalanlagen in der Emilia Romagna und Lombardei wies Willibald Sauerländer hin: So bestehen Übereinstimmungen hinsichtlich des architektonischen Aufbaus, der schlanken Gewändeproportionen, der dünnen Dienste mit kleinen Kapitellen sowie der unskulptierten, versenkten Lunette, sämtlich Merkmale, die seit der frühen Portalanlage des Doms zu Modena (beg. 1090) verbreitet waren4).

Der Terminus post quem für die Entstehung des romanischen Domportals liegt bei 1159, dem Jahr des großen Brandes auf dem Domberg5), den Terminus ante quem liefert die Weihe des Doms im Jahre 12056). Die neuere Forschung geht davon aus, daß der Domneubau im Bereich der Krypta begonnen und von Ost nach West unter Einbeziehung älterer Teile fortgesetzt wurde. Dabei dürften das Westportal und die Westmauer derselben Bauphase angehören wie die Langhausjoche7), wobei sich eine Baunaht nach dem ersten westlichen Langhausjoch feststellen ließ8). Der figürliche und ornamentale Schmuck des Portals, insbesondere die skulptierten Köpfe, die über die Kanten der Portalstufen aus dem Kämpferfries heraustreten, sind stilistisch vergleichbar mit einem Teil des Säulenschmuckes in der Krypta: Beide wurden möglicherweise zur selben Zeit gefertigt, auch wenn sich die Fertigstellung des Portals bis in die Jahre um 1200 hingezogen haben dürfte. Sofern die Jahreszahl 1161 überhaupt eine reale historische Basis besitzt, müßte sie auf ein für die Domkirche bedeutsames Ereignis verweisen. Allerdings ist für das Jahr 1161 nur die Translation der Reliquien des hl. Nonnosus nach Freising überliefert9).

Allgemein werden die Bildnisse von Kaiser Friedrich I. Barbarossa und seiner Gemahlin Beatrix von Burgund als Hinweise auf deren Stiftertätigkeit gedeutet, für die sich allerdings keine urkundlichen Nachweise erhalten haben10); vielleicht markierten sie als Hoheitszeichen königliche Rechte an der Domkirche11). Die Kröte am Gewände des Portales unterhalb des Reliefs der Beatrix ist zum einen als Fruchtbarkeitssymbol, zum anderen als Votivgabe zu deuten12) und könnte auf die Geburt des ersten Kindes des königlichen Paares – die zwischen 1160 und 1162 zur Welt gekommene Tochter Beatrix – verweisen, wodurch wiederum ein Zusammenhang mit der Jahreszahl 1161 herzustellen wäre13), oder auf die Geburt des ersten männlichen Nachkommens Friedrich (1164–1168/70). In jedem Fall aber ist die Darstellung der Votivkröte auf ein zeitlich zurückliegendes Ereignis zu beziehen und liefert daher keinen Beitrag zu einer Feindatierung des Portals.

Die Inschrift über Kaiser Friedrich I. fügt sich in ihrem Formenkanon gut in die spätromanische Entstehungszeit der Portalanlage ein14). Zu den Schriftformen s. Einleitung XCf.

Dagegen zeigt die Inschrift über Kaiserin Beatrix mehrfach neuzeitliche Schriftformen: So sind die Versalien gegenüber den Buchstaben im Wortinneren leicht vergrößert, das A ist ohne Deckbalken ausgeführt und ein AE-Nexus litterarum ist eingefügt, E kommt vor mit eingezogenem Mittelbalken (in runder und in eckiger Form), X in Form zweier gegenständiger C-Bögen, die durch einen Mittelbalken verbunden sind. Die als Worttrenner eingesetzten Doppelpunkte gehören eher einem neuzeitlichen als mittelalterlichen Gesamtbestand an, ebenso wie die Kontraktionskürzung von ANNO in Form eines hochgestellten kleinen O. Diese Anhaltspunkte lassen die Inschrift in das 17. oder 18. Jahrhundert datieren. Dies deckt sich auch mit dem kunsthistorischen Befund, wonach die Figur der Beatrix zwar die derbe Körperbehandlung romanischer Figuraldarstellungen imitiert, im Detail jedoch einer nachmittelalterlichen Formensprache verpflichtet ist. Schließlich gibt auch das Formular der Beischrift Anlaß zum Zweifel, da sich der Textbeginn CONIVX mit der herausragenden Stellung Beatrix’ als Kaiserin nur schwer vereinbaren läßt; stattdessen wäre ein Textbeginn mit ihrem Namen zu erwarten gewesen. Die überkommene Inschrift bedient sich daher mit einiger Sicherheit nicht eines mittelalterlichen Formulars, sondern stellt eine weitgehende inhaltliche Neuschöpfung der Neuzeit dar. Ob sich beim verlorenen Originalrelief an dieser Stelle überhaupt eine Inschrift – mit oder ohne Datierung 1161 – befand, muß offen bleiben. Zumindest zeigt bereits die früheste bekannte Nachzeichnung des Portals, die kurz vor oder während der Asam’schen Barockisierung entstand, diese Inschrift15). Da die auf Veranlassung von Bischof Eckher ergänzten mittelalterlichen Inschriften den originalen Schriftcharakter mit geradezu imitatorischer Perfektion wiedergeben, dürfte es sich hier folglich um das Ergebnis einer früheren Maßnahme handeln, die sich mit einem geringeren Qualitätsniveau zufrieden gab16). Dafür in Frage kommt jedoch nur die erste Barockisierung der Jahre 1621–1624, in deren Verlauf die Orgelempore eingebaut wurde, was den teilweisen Abbau des Westportals erforderte, wobei sich wiederum Gelegenheit zur Auswechslung schadhafter Bauteile ergab. Augenscheinlich wurde die Inschrift jedoch in situ eingehauen, da der Text am rechten Rand teils weit über die vertikale Fluchtlinie des Gesimsendes hinausragt und die Buchstaben der unteren Zeile über den Spalt des oberen Steinblocks hinweg in den unteren Steinblock mit dem Relief der Beatrix reichen.

Textkritischer Apparat

  1. Worttrennzeichen punktförmig.
  2. O hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Die halbkreisförmige, vertiefte Linie hinter dem Haupt Kaiser Friedrichs wurde in der älteren Literatur als Heiligenschein gedeutet, was zu Spekulationen über einen Zusammenhang mit der Kaiseridee Friedrich Barbarossas führte, vgl. Sturm, Bild Barbarossas 235. Wie im Zuge der 2007 vorgenommenen Restaurierung festgestellt werden konnte, handelt es sich jedoch nicht um einen eingravierten Nimbus, sondern um die Stoßkante zweier Steinblöcke.
  2. Diese Figur wird in der älteren Literatur als Bischof Albert I., der Bauherr des nach 1159 neu zu errichtenden Doms, gedeutet, vgl. Schlecht, Inschriften I 23; demgegenüber ablehnend Sauerländer in AK Bayern 317 Nr. 91. Die jüngere Literatur schließt auch Otto I., den Onkel Friedrich Barbarossas, nicht aus, vgl. Maß, Bistum 180, und Schwaiger, Christenleben Abb. nach 160; Schmidt, Historizität 105. Denkbar wäre auch eine Deutung als hl. Korbinian.
  3. Die ehemals streng vertikal ausgerichteten Schattenlinien der Nachmalungen bei O in CONIVX und COMITISSA legen nahe, daß diese Maßnahme im 19. Jh. erfolgt ist. Bei der jüngsten Restaurierung 2007 wurde die Gelegenheit wahrgenommen, sämtliche Übermalungen, die über die Einschlagkanten hinausreichen, zu entfernen, um den originalen Schriftcharakter wiederherzustellen.
  4. Sauerländer, Skulptur 46.
  5. Fischer, Brand 1159.
  6. Meichelbeck, Historia Frisingensis I,1 387; Meichelbeck, Chronica 169.
  7. Haas, Romanischer Dom 22. In Haas, Romanisches Domportal 385, begründet er diese Aussage durch den Hinweis auf die Ähnlichkeit der figürlichen Elemente des Domportales mit denen, die in der Krypta vorhanden sind.
  8. Frdl. Mittlg. von Herrn Dr. Hans Ramisch; vgl. Nr. 9.
  9. Sie wurden nach der Fertigstellung der Krypta dort aufbewahrt, s. Nr. 10†; Haas, Romanischer Dom 23; Maß, Bistum 180.
  10. So zuerst Meichelbeck, Historia Frisingensis I,1 356; Meichelbeck, Chronica 156.
  11. Haas, Romanischer Dom 20; Haas, Romanisches Domportal 385.
  12. Deischl, Kröte Nr. 7, 2f.
  13. Maß, Bistum 180, 181; Haas, Romanisches Domportal 385.
  14. Sauerländer, Skulptur 46; Haas, Romanisches Domportal 385.
  15. AEM H 57 p. 90.
  16. In Kdm Obb II 352 wird vermutet, daß es eine originale Inschrift gab, die in der Barockzeit ergänzt wurde. Schlecht, Inschriften I 24, hält dagegen die gesamte Inschrift (II) für eine Ergänzung aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts, ebenso Achim Hubel in AK Wittelsbach und Bayern I,2 5f. Nr. 3 und Schmidt, Historizität 105, welcher die Figurengruppe aufgrund der stilistischen Gestaltung der Gewänder und der Körperhaltung in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert. Für diese Einschätzung lassen sich jedoch weder stilistische noch epigraphische Indizien beibringen.

Nachweise

  1. AEM H 57 p. 90; Meichelbeck, Historia Frisingensis I,1 356, Taf. nach 356; BSB Clm 1290 p. 303; HVO Ms. 318 fol. 3r; Heckenstaller, Dissertatio 12, Taf. III; AEM B 8 I p. 703; Sighart, Dom 41-44, Taf. 1; Schlecht, Inschriften I 23f. Nr. 15, 16, Taf. III; Karlinger, Steinplastik Taf. 78, 80, 82; Sturm, Bild Friedrich Barbarossas 235; Deischl, Kröte Nr. 7, 2; Alckens, Freising 45f.; AK Bayern 317 Nr. 91 (Sauerländer, Friedrich Barbarossa und Begleiter); Benker, Dom und Domberg 27, 30; AK Wittelsbach und Bayern I/2 5f. Nr. 3 (Hubel, Kaiser Friedrich Barbarossa und der Bischof von Freising); Steiner, Diözesanmuseum Freising 14; Haas, Romanisches Domportal 384f.; Pfister, Leben aus dem Glauben II 32, 48; Glaser, Grabsteinbuch 299f. Nr. 2.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 13 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0001305.