Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 140 Dom, Domschatzkammer 2. H. 16. Jh., 17. Jh.?

Beschreibung

Zwei Fragmente eines doppelt verwendeten Grabkreuzes.1) Sandstein. Die genaue Herkunft ist unbekannt, wahrscheinlich stammt das Grabkreuz vom um 1824 aufgelassenen Friedhof auf dem Burgplatz.2) Auf der Rückseite (A) und auf der Vorderseite (B) befinden sich Reste von Grabinschriften, auf der Rückseite mit Fürbitte.

Maße: H. 29 cm; B. 26,5 cm; Bu. 3,3 cm (A), 5 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur (A), Kapitalis (B).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    Iohan Ni[ – – – ] / Margreet [ – – – ] / Herzen ent[ – – – ]a) / Siele(n) Gott g[ – – – ]b)

  2. B

    IAN · HE/NDRICH / NIEMOHLMAN / IN · ALTENESSEN / ANNA · CATHA/RINA · EL · 2 G · [ – – – ]

Kommentar

Das Grabkreuz ist beidseitig beschriftet, d. h. es wurde für die Bestattung der in Inschrift B genannten Person(en) wiederverwendet. Die tief eingehauenen Buchstaben von Inschrift A wirken sehr kantig, die Schrift ist aber besonders wegen des einstöckigen a als Fraktur zu erkennen. Die Versalien passen mit Ausnahme des M in das Mittelband der Minuskel. Das Versal-I ist mit einem Nodus und ausgeprägten Serifen ausgestattet, der Mittelteil des konischen M endet auf der gedachten Mittellinie. Bei o ergeben die Abknickungen der Bogenlinie eine langgezogene Wabenform, da wie beim Abknicken der Bögen bei a und g kein Unterschied zwischen Knick und Bogenlinie gemacht wurde. a ist kastenförmig gestaltet. Die einzige gespaltene Oberlänge weist h auf, bei t ist das obere Schaftende spitz ausgezogen. Die Gestaltung der Inschrift mit deutlichen Brechungen in Kombination mit den Kapitalisversalien lässt eine Datierung in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts möglich erscheinen. Das niederdeutsche Siele für neuhochdeutsch Seele findet sich noch in einer weiteren Essener Inschrift.4)

Inschrift B ist gleichmäßig in Kapitalis gehauen, A ist breit und durchgehend mit gebrochenem Balken gestaltet, der Schrägschaft des N ist leicht geschwungen. Die Datierung der Inschrift lässt sich nicht genauer bestimmen, eine Entstehung im 17. Jahrhundert ist denkbar.

Ein Hendrich Niemolmann wird in den 1668 aufgezeichneten Landmatrikel als Einwohner Altenessens genannt.5) Da die Anfangsbuchstaben des Nachnamens ebenfalls mit Ni beginnen, kann vermutet werden, dass der Grabstein in derselben Familie wiederverwendet wurde.6)

Textkritischer Apparat

  1. Vielleicht zu ergänzen zu entschlafen.
  2. Zu ergänzen zu gnädig, gnade o. ä.

Anmerkungen

  1. Ein Fragment befindet sich in der Domschatzkammer (ohne Inv.-Nr.), das zweite ist in der Sakristei eingemauert.
  2. Zur Auflassung des Burgfriedhofs vgl. Feldens, Friedhof, S. 57.
  3. Die Buchstaben- und Zahlenkombination EL 2 G kann nicht gedeutet werden. Möglicherweise handelt es sich um eine Abkürzung für einen Familiennamen wie Elzweig (für Ölzweig). Dieser Name ist allerdings in Altenessen nicht belegt. Ich danke Harald Drös, Heidelberg, für den Hinweise auf diese Interpretationsmöglichkeit.
  4. Vgl. Nr. 105; zum mittelniederdeutschen ‚sile’ vgl. Lasch, Grammatik, § 113.
  5. Siebrecht, Altenessen, S. 238.
  6. Vgl. Nr. 145.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 140 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0014009.