Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 132† † Haus ‚zum Stern’ 1578

Beschreibung

Glasfenster. Es befand sich noch 1727 am Haus ‚zum Stern’, das der Witwe Huyssen gehörte.1) Über einer Gruppe von vier Personen, die vermutlich Abraham, Ismael und auf der linken Seite Sarah (mit Bildbeischrift B) mit dem Kind Isaak auf dem Arm darstellten, befand sich Inschrift A (Verheißung). Unter der Abbildung folgte eine Inschrift mit Amtsträgernennung (C), darunter ein Wappen mit Initialen (D).

Nach Kuhlendahl.

  1. A

    Nun fahre ich zu meinem Vatter und GottDer ich zuvor was der gantzen welt spottIch will ein schönes reich und einen lustigen orthDenen bereiten die glauben und sich halten an mein wortDen sacrament-schandern aber nonnen münche und pfaffenSo mein wort verlachen teuschen und anders machenDie sind verwiesen in der höll an einen heißen orthWie ihnen zeigt 2. Thessaloniker 12) mein wahres wort

  2. B

    Ismael stirbt mit Isaac schonSarah wills nicht vor gut verstohn Genesis am 21. capitel3)

  3. C

    Henrich von Kempen der reformierten kirchen binnen Essen erster prediger und Margretha Schmitt von Bacharach seyn ehelich hausfraw anno 1578

  4. D

    H(EINRICH) · V(ON) · K(EMPEN)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, B).

Wappen:
Heinrich von Kempen.4)

Kommentar

Heinrich Barenbroich, der sich nach seinem Geburtsort selbst Heinrich von Kempen nannte, kam 1563 durch die Vermittlung des Essener Rats Heinrich van Aken nach Essen. Seine Predigt und die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt am 28. April 1563 in der Heilig-Geist-Kapelle markiert den Beginn der Reformation in Essen.5) Wegen des Widerstandes der Äbtissin gegen einen lutherischen Geistlichen an der Marktkirche konnte Barenbroich, der zeitweise auch wegen seiner streitbaren Art vom Rat abgelehnt wurde, erst im Dezember 1572 die ihm von Anfang an zugedachte Stelle des Pfarrers an St. Gertrud einnehmen. Seine zweite Ehefrau Margaretha Schmitt war die Tochter des Bürgermeisters von Bacharach, wo Barenbroich von 1555 bis 1561 als Prediger angestellt war.

Dass Barenbroich den anderen Konfessionen wenig bis gar kein Verständnis entgegenbrachte bzw. ihnen feindlich gegenüberstand, zeigt sich auch am Wortlaut von Inschrift A, in der „Sakramentsschander“, Nonnen, Mönche und Priester in die Hölle verwiesen werden. Als „Sakramentsschander“ wurden von lutherischer Seite die Reformierten und die Vertreter wiedertäuferischer Sekten bezeichnet.6) Barenbroich war bereits vor seiner Anstellung in Essen bemüht, den Rat vor „allerhand Sekten und Rotten“ zu warnen und daran zu erinnern, dass der Leib Christi beim Abendmahl tatsächlich in Wein und Brot anwesend sei.7) Deswegen ist es auch ausgeschlossen, dass mit der Formulierung der reformierten kirchen binnen Essen erster prediger angedeutet werden soll, dass Barenbroich sich der calvinisch-reformierten Lehre zugewendet hat.8) Vielmehr ist der Begriff ‚reformiert’ in dieser Zeit noch nicht ausschließlich auf die calvinistische Glaubensrichtung bezogen, sondern kann auch ‚reformatorisch’ meinen.

Die in Inschrift A angegebene Bibelstelle bezieht sich wie der Rest der Inschrift auf das Versprechen, dass diejenigen, die trotz Bedrängnis und Verfolgung am christlichen Glauben festhalten, am Reich Gottes teilhaben werden, und im Gegensatz denjenigen, die Gott leugnen und das Evangelium missachten, die Hölle droht.

Inschrift B ist im Zusammenhang mit Luthers Lehre der ‚sola gratia’ und seiner Predigt über die Genesis zu verstehen.9) Luther sah Ismael als Sinnbild für die Menschen, die hoffen, durch Werke fromm zu werden, ohne zu bedenken, dass allein die göttliche Gnade, auf die der Mensch keinen Einfluss hat, Heil verspricht. Ismael war zwar der erstgeborene Sohn Abrahams, da er aber ohne die göttliche Gnade empfangen worden war, wurde er mit seiner Mutter vertrieben, nachdem Abrahams Ehefrau Sarah gemäß göttlicher Voraussage Isaak geboren hatte. Luther vertrat mit seiner Gnadenlehre eine Glaubenslehre, die u. a. im Gegensatz zum Ablasswesen der katholischen Kirche stand.

Anmerkungen

  1. Das Haus befand sich an der Südostseite des Markts am Eingang zur Steeler Straße, vgl. Jahn, Geschichte, S. 227.
  2. Nach II Thess 1.
  3. Nach Gen 21,1–21.
  4. Nach Kuhlendahl: Hand mit Griffel, begleitet rechts von einer Rose, links von einem Stern, das Wappen links mit Rosen und Laubwerk beflochten (?).
  5. Biographische Angaben bei Rosenkranz, Barenbroch, passim; Müller, Reformation, S. 99–123.
  6. Grimm, Wörterbuch 14, Sp. 1677.
  7. Müller, Reformation, S. 112f.
  8. So Kuhlendahl, Einführung, S. 102; ablehnend Müller, Reformation, S. 122.
  9. Luther, WA 24, S. 375f.

Nachweise

  1. Kuhlendahl, Einführung, S. 102f.
  2. Jahn, Geschichte, S. 227 (C).

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 132† (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0013207.