Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 130 Kierspe-Rönsahl (Märkischer Kreis), 1577

Beschreibung

Glocke des Gießers Wilhelm Hachman. Bronze. Die Glocke stammt ursprünglich aus St. Ludgerus in Werden. Heute hängt sie in der evangelischen Servatiuskirche in der Laterne des Turms unter dem Turmhelm. Die Kronenbügel sind mit Zopfmuster verziert. An der Schulter verläuft ein stehender Lilienfries (H. 2,5 cm) über einem von zwei kleinen Stegen begleiteten Perlband und einem weiteren Steg. Die Inschriften mit Glockenrede (A: Glockenname und Auftraggebervermerk, B: Meisterinschrift) und Initialen (C) nehmen eine volle Zeile zwischen zwei kräftigen Stegen und einen kleinen Teil der zweiten Zeile unter einem Renaissancefries ein. Dieser Zierfries im Knorpelstil besteht aus Voluten sowie kleinen Fantasiegestalten (Engel?) und ist von zwei Stegen eingerahmt.1) Auf der Flanke befindet sich der erhabene Abdruck des Siegels des Werdener Abtes Heinrich Duden sowie ein Medaillon, das Jesus als ‚Schmerzenskind’ mit Dornenkrone zeigt, begleitet von einer nur teilweise lesbaren Inschrift, vielleicht einer Anrufung, auf einem Schriftband (D).2) Der Wolm ist mit fünf Stegen, der Schlagring mit drei Stegen ausgestattet.

Die Glocke gelangte zu einem unbekannten Zeitpunkt, vermutlich im Zusammenhang mit der Aufhebung des Klosters, an die Werdener evangelische Kirche und wurde 1851, als die Gemeinde ein neues Geläut anschaffte, an die evangelische Gemeinde in Rellinghausen verkauft.3) Dort erwarb sie der Pfarrer der evangelischen Gemeinde Rönsahl für 200 Mark.4)

Maße: H. 48 cm (ohne Krone); Dm. 58,5 cm; Bu. 1,6 cm (A, B, C), 0,2 cm. (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Kapitalisversalien (A, B), Kapitalis (C), gotische Minuskel (D).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/7]

  1. A

    Benignaa) · vocor · et · R(everendus) · D(ominus) · Hinric(us)b) · duden · werthinen(sis) · et · helmonsteden(sis) · Abba · me · fieri · fecit · anno ·1 · 5 · 77 ·

  2. B

    wilhelm(us)c) · hach/man · me · fecit ·

  3. C

    · HWA ·

  4. D

    […] // namen · ihesus · hẹ[….] · ich · [....] · ṃịes · zu · //[..]ḷṭ · nid · [..] · // [ – – – ]

Übersetzung:

Benigna werde ich genannt und der hochwürdige Herr Heinrich Duden, Abt von Werden und Helmstedt, ließ mich machen im Jahre 1577. (A) Wilhelm Hachman machte mich. (B)

Kommentar

Das Mittelband der ersten Zeile von Inschrift A wird von Stegen markiert. Der Textbeginn von Inschrift A wird von einem Relief, dessen Darstellung unkenntlich ist, angezeigt. Die Inschriften A und B weisen die verbreiteten Formen einzelner Buchstaben der gotischen Minuskel auf, wie sie auch an den beiden anderen Glocken Wilhelm Hachmans im Essener Stadtgebiet vorkommen. Vorhanden sind doppelstöckiges, oben geschlossenes a, e mit dünnem Balken, der oben über den gebrochenen Bogen hinausreicht, g mit sehr kleinem unteren Bogen, der kaum in den Unterlängenbereich reicht, t mit ungewöhnlich langer Oberlänge und senkrechtem Zierstrich rechts am Balken sowie v und w mit Oberlänge am ersten bzw. an den ersten beiden Schäften. Die Ober- und Unterlängen sind gespalten und über die dünnen Stege der Linierung gelegt. Die Oberfläche der Buchstaben ist leicht gekehlt. Als Worttrenner wurden unterschiedliche Rosetten, Sterne, Masken, Vögel und Rauten verwendet.

Abt Heinrich Duden leitete das Werdener Kloster von 1573 bis 1601.5) Er stiftete bereits 1574 eine von Wilhelm Hachman gegossene Glocke für die Abteikirche, auf die sich wahrscheinlich der Hinweis auf eine „große klock“ in einer Werdener Chronik bezieht.6) Die etwas kleinere Glocke von 1577, die in dieser Chronik nicht erwähnt wird, wurde vermutlich ebenfalls für die Abteikirche angeschafft.7) Von dem Klever Gießer Hachman hat sich im Essener Stadtgebiet außer in Werden auch noch in der evangelischen Gemeinde Kettwig eine Glocke erhalten, die Inschriften von zwei von ihm für das Stift Essen gegossenen Glocken sind kopial überliefert.8) Die Initialen HWA stehen vermutlich für Hachman Wilhelm Albert. Albert Hachman, der Vater Wilhelms, war ebenfalls Glockengießer.

Textkritischer Apparat

  1. Der Inschriftenbeginn ist mit einem nicht mehr zu erkennenden Element markiert, vielleicht ein misslungenes Medaillon.
  2. Kürzung ähnlich einem y.
  3. us-Kürzung in Form eines y ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Vgl. den gleichen Zierfries bei Nr. 119.
  2. Siegel: H. 7,2 cm, B. 4,5 cm. Die Siegelumschrift lautet SIGIL(LUM) R(EVERENDISSIMI) D(OMINI) [HENRICI IMPERIAL(IUM) MONASTERIOR(UM) WERTINENSIS AC HELMS(TADENSIS)] ABBATIS, vgl. Stüwer, GS Werden, S. 350; Medaillon: Dm. 7,5 cm.
  3. Karsch, Geschichte, S. 84f.
  4. Quittung vom 3. Mai 1897, freundlicher Hinweis von Pfarrer Martin Ahlhaus, Rönsahl-Kierspe; Feldens, Glocken, S. 115.
  5. Vgl. zu seiner Biographie Nr. 144.
  6. Vgl. Nr. 128.
  7. Vgl. Karsch, Geschichte, S. 85.
  8. Vgl. Nr. 116 (dort auch ausführliche Hinweise zur Biographie), 117, 119.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 130 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0013003.