Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 122 Werden, Schatzkammer St. Ludgerus 1565

Beschreibung

Tafelbild.1) Öl auf Holz. Es wurde 1565 von Bartholomäus Bruyn dem Jüngeren für das Refektorium hergestellt.2) Die querrechteckige Tafel zeigt eine Abendmahlsdarstellung in einem zentralperspektivisch gestalteten Innenraum. In der Bildmitte sitzt Jesus in der Mitte der Langseite einer langen Tafel, umgeben von seinen Jüngern. In der linken Bildhälfte ist im Aufsatz eines halbhohen Wandschranks auf einer Tafel eine Bibelparaphrase als Bildbeischrift aufgemalt. In einem der Fenster in der rechten Bildhälfte ist das Wappen des Werdener Abtes Adolf Borcken (1667–1670) zu sehen.

Das Gemälde wurde im 17. Jahrhundert an einigen Stellen restauriert. Das ist besonders an den Gesichtern der Jünger und an der Inschrift zu sehen, auch das Wappen wurde nachträglich angebracht, vermutlich als Hinweis auf den Auftraggeber der Restaurierung. Die Gesichter wurden wahrscheinlich als Porträts von Werdener Mönchen gestaltet.3) Eine weitere Reinigung ist für 1958 belegt.4)

Maße: H. 204 cm; B. 313 cm; Bu. 1,9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit leicht erhöhten Kapitalisversalien.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/2]

  1. ET IESUS AIT DISCIPVLIS: / DESIDERIO DESIDERA=/VI HOC PASCHA MAN=/DVCARE VOBISCVM AN=/TEQVAM PATIAR5)

Übersetzung:

Und Jesus sprach zu den Jüngern: Mit Sehnsucht habe ich mich danach gesehnt, dieses Ostermahl mit euch zu essen, bevor ich leide.

Wappen:
Abt Adolf Borcken.6)

Kommentar

Die Inschrift ist in gleichmäßigen Kapitalisbuchstaben aufgemalt, denen die Orientierung an der antiken Kapitalis deutlich anzumerken ist, z. B. durch die erhöhten Versalien und die Gestaltung der Serifen. Das Verständnis von unterschiedlichen Strichstärken äußert sich im Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, Linksschrägenverstärkungen und linksschräger Schattenachse bei O. Bei B und R stoßen die Bögen unten (bzw. beim unteren Bogen oben) nicht an den Schaft an, sondern rollen sich ein. Die restaurierten Stellen der Inschriftentafel sind sowohl an dem verwischten Weiß des Untergrunds als auch an den darauf gemalten Buchstaben deutlich zu erkennen. Auffällig ist die Erneuerung von IESUS mit U, es kann aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob hier tatsächlich vorher ein V ausgeführt war.

Von Bartholomäus Bruyn dem Jüngeren ist nur ein Gemälde erhalten, das ihm dank einer Signatur und der Jahresangabe 1560 sicher zugeschrieben wird. Es handelt sich dabei um ein Diptychon mit dem Porträt des ehemaligen Werdener Konventualen und späteren Abtes des protestantisch gewordenen Klosters Berge bei Magdeburg, Peter Ulner.7) Die hier ebenfalls aufgemalte, für zwei lateinische Inschriften verwendete Kapitalis ist mit der in der Abendmahlsszene verwendeten vergleichbar. Übereinstimmungen finden sich besonders in den Proportionen und dem Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, außerdem werden auch hier U und V parallel verwendet. Allerdings sind auch Unterschiede zu erkennen: die Bögen von B und R stoßen an den Schaft an und sind nicht eingerollt; bei den M reicht der Mittelteil meist bis auf die Grundlinie.

Die Abendmahlsdarstellung wurde in der älteren Forschung nur wenig beachtet, vielleicht auch aufgrund ihres damals anscheinend sehr schlechten Erhaltungszustandes.8) Paul Clemen listet das Gemälde in den ‚Kunstdenkmälern’ nicht explizit auf, wahrscheinlich zählt er es zu einer Reihe schlecht erhaltener Bilder des 17. und 18. Jahrhunderts.9) Lambert Gisbertz datiert die Tafel aufgrund des Wappens vor 1670.10) Erst Horst Johannes Tümmers sprach das Gemälde Bartholomäus Bruyn dem Älteren zu und datierte es wegen dessen Restaurierungsarbeiten an den Tafeln des Hochaltars um 1541.11) Georg Rabeneck vermutete, dass das Gemälde der Abendmahlsszene zusammen mit den Bildern des Mannaregens, von Elias in der Wüste, des Honigwunders und des Todes des heiligen Liudger ein Altarretabel gebildet hat.12) Als Aufstellungsort schlug er den Kreuzaltar vor. Dieser Rekonstruktionsversuch wurde von Peter Wallmann aufgrund der Maße der Gemälde abgelehnt.13) Er konnte schließlich durch die Auswertung der handschriftlichen Aufzeichnungen Gregor Overhams (gest. 1687) und Peter Kampmanns (gest. 1644) belegen, dass das Bild von Bartholomäus Bruyn dem Jüngeren gemalt wurde. Dieser war mit der aus Werden stammenden Agnes Patberg verheiratet und hatte 1565 in Werden Schutz vor der in Köln grassierenden Pest gesucht. In dieser Zeit malte er die Abendmahlsszene und weitere Bilder für das Refektorium. Wallmann vermutet, dass zu diesen nicht näher beschriebenen Bildern auch die Gemälde mit der Darstellung der Mannalese und des Elias gehören könnten.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 16.
  2. Wallmann, Tafelbilder, S. 336. Zu Bartholomäus Bruyn d. J. vgl. H. J. Tümmers, Art. Bruyn, Bartholomäus d. J., in: Allgemeines Künsterlexikon 14 (1996), S. 615f.
  3. Vgl. auch Nr. 142.
  4. Tümmers, Altarbilder, S. 98, Nr. A 136.
  5. Nach Lc 22,15.
  6. Quadriert: 1/4. Doppeladler, 2/3. geflügeltes Herz, belegt mit Herzschild Klöster Werden und Helmstedt; vgl. Siebmacher, Klö, Tf. 45; Glöckner, Wappen, S. 81, Tf. V.
  7. Vgl. Stephan-Maaser, Ulner, passim, mit Abb. 56.
  8. Tümmers, Altarbilder, S. 98, Nr. A 136, beschreibt den Zustand folgendermaßen: „Das Bild ist in vielen Partien zerstört und ergänzt, dazu war es stark verschmutzt. Eine gründliche Reinigung wurde ihm 1958 zuteil.“
  9. KDM Essen, S. 96.
  10. Gisbertz, Oelgemälde, S. 55.
  11. Tümmers, Altarbilder, S. 98, Nr. A 136.
  12. Rabeneck, Verehrung, S. 278f.
  13. Die Gemälde mit der Darstellung des Mannaregens (Nr. 123) und von Elias in der Wüste (Nr. 124) messen ohne Rahmen H. 188 cm, B. 177 cm, die Abendmahlsdarstellung H. 204 cm, B. 313 cm, d. h. wenn die Gemälde von Elias und dem Mannaregen als Retabelflügel eingeklappt gewesen wären, hätten sie sich überschnitten. Vgl., auch zum Folgenden, Wallmann, Tafelbilder, S. 336.

Nachweise

  1. Tümmers, Altarbilder, S. 98.
  2. Wallmann, Tafelbilder, S. 333, mit Abb. 1, S. 334.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 122 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0012201.