Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 103 Anbetungskirche St. Johann 1522–1525

Beschreibung

Altarretabel, gemalt von Bartholomäus Bruyn dem Älteren.1) Öl auf Holz. Die beidseitig bemalten Tafeln gehörten zum 1755 abgebrochenen Hochaltar, heute sind sie im südlichen Seitenschiff von St. Johann aufgestellt. Ein Gemälde zeigt die Geburt Christi. Die Szene ist in eine teilweise zerstörte Renaissance-Architektur gesetzt. Auf dem Gebetbuch der Stifterin Margareta von Beichlingen, die am linken Bildrand mit ihrem Wappen abgebildet ist, sind Initialen (A) aufgemalt, auf der Plinthe eines Pfeilers hinter ihr sind noch Reste eines Datums (B) zu erkennen. Auf dem Gemälde mit der Anbetung der Könige befindet sich vorne rechts auf einer abgebrochenen Steinplatte ein weiteres Datum (C). Auf den Rückseiten der Tafeln sind die Beweinung und die Kreuzabnahme vor offener Landschaft dargestellt, im Hintergrund der Kreuzabnahme ist die älteste bekannte Darstellung der Stadt Essen zu sehen. Beide Kreuzdarstellungen sind mit einem Kreuztitulus (D, E) versehen. Die Altarflügel wurden mehrfach restauriert, zuletzt 2008.2)

Maße: H. 235 cm; B. 154 cm (beide Tafeln); Bu. 0,8 cm (A), 3,5 cm (D), 1,6 cm (E); Ziffern ca. 1,7 cm (B), 0,7 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    O F / Da) / M M

  2. B

    15[2]5

  3. C

    1525

  4. D

    · I · N · R · I ·3)

  5. E

    · I · N · R · I ·3)

Wappen:
Beichlingen.4)

Kommentar

Für Inschrift B wurden seit Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Lesarten (1522, 1524, 1525, 1527) vorgeschlagen,5) heute sind noch Reste der ersten, der zweiten und der vierten Ziffer zu sehen. Die zweite Ziffer ist als rechtsgewendete 5 mit Deckbalken, Schaft und Bogen zu erkennen. Für die vierte Ziffer kann kein sicherer Befund geliefert werden: Deutlich zu sehen ist nur der gerade Balken, der zu einer linksgewendeten 5 oder zu einer 7 gehören kann. Für die Lesung der 7 könnte sprechen, dass die erste 5 der Inschrift klar als rechtsgewendete 5 zu erkennen ist.6) Die Lesung als linksgewendete 5 passt dagegen besser zur urkundlich belegten Lieferung und Bezahlung der Tafeln 1525. Veränderungen aufgrund einer Restaurierung sind nicht zu erkennen.

Die Initialen auf dem Gebetbuch (A) sind in frühhumanistischer Kapitalis mit offenem unzialem D und konischem M mit kurzem Mittelteil ausgeführt, über D ist eine Krone gemalt. Die Initialen wurden um 180° verdreht auf dem Buchdeckel aufgemalt, so dass sie für den Rezipienten des Gemäldes lesbar sind. Daraus kann geschlossen werden, dass es sich nicht um eine Verzierung des Buches durch beispielsweise einen abgekürzten Gebetsanfang handelt, sondern dass hier der Betrachter bzw. Adressat des Gemäldes angesprochen wird. Eine schlüssige Auflösung der Initialen ist bislang nicht gelungen. Die 1851 vorgeschlagene Erklärung O(PUS) F(ACTUM) D(ONATORES) M(EINA) M(ARGARETA),7) nach der die Äbtissin Margareta von Beichlingen und ihre Vorgängerin Meina von Daun-Oberstein genannt sein sollen, bleibt Spekulation.

Als Margareta von Beichlingen 1522 Bartholomäus Bruyn (um 1493–1555) mit der Herstellung des Retabels für den Hochaltar beauftragte, war der Maler bereits ein anerkanntes Mitglied der Kölner Malerzunft8) und hatte schon um 1515 ein Altarretabel für das Stift angefertigt.9)

Das Retabel des Hochaltars bestand ursprünglich aus einem spätgotischen Altaraufsatz und wahrscheinlich zwei gleich großen Flügelpaaren, von denen eines nach 1880 zerstört wurde.10) Bereits 1519 plante die Äbtissin Meina von Daun-Oberstein, die in den Äbtissinnenkatalogen als Auftraggeberin der Tafeln genannt wird, die Anschaffung von Tafelbildern für den im 15. Jahrhundert hergestellten Altaraufsatz.11) Ihre Nachfolgerin Margareta von Beichlingen, die ab 1520 als Coadjutorin fungierte und noch zu Lebzeiten Meinas als Äbtissin tituliert wurde, beauftragte Bartholomäus Bruyn mit der Herstellung.12) Dieser quittierte 1525 die Lieferung und Bezahlung der Tafeln.13)

Textkritischer Apparat

  1. Über dem Buchstaben eine Krone.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 222, 223 (St. Johann).
  2. Tümmers, Altarbilder, S. 64f.; Pawlik, Hochaltar, S. 55–58.
  3. Io 19,19.
  4. Siebmacher, Si2, Tf. 19.
  5. Vgl. Eger, Herrscherinnen, S. 132; Tümmers, Altarbilder, S. 64, Anm. 205; S. 67, Anm. 228.
  6. Zu den Interpretationsmöglichkeiten, die diese Lesung bietet, vgl. Ruf, Stifterbilder, S. 121ff.
  7. Eger, Herrscherinnen 8, S. 130.
  8. Merlo, Künstler, Sp. 128.
  9. Vgl. Nr. 96.
  10. Zur Geschichte und Rekonstruktion des Altars vgl. Tümmers, Altarbilder, S. 64–69; Pawlik, Hochaltar, S. 50–54. Die verlorenen Flügel zeigten vermutlich die Stiftspatrone Maria sowie Cosmas und Damian, die Kreuztragung und wohl Auferstehung oder Himmelfahrt.
  11. Schaefer/Arens, Urkunden, Nr. 249 (1519 Februar 24). Zu Meina von Daun-Oberstein vgl. Nr. 112.
  12. Schaefer/Arens, Urkunden, Nr. 268 (1522 Juli 17).
  13. Ebd., Nr. 283 (1525 Dezember 20).

Nachweise

  1. Eger, Herrscherinnen, S. 130 (A, B).
  2. Firmenich-Richartz, Flügelgemälde, Sp. 230 (A, B).
  3. Tümmers, Altarbilder, S. 64 (A, B), 67 (A), 68 (B).
  4. Ruf, Stifterbilder, S. 126 (A), 123 (B, C), mit Tf. 2, 3, S. 81f., Tf. 7–9, S. 85ff.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 103 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0010306.