Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 82 Domschatzkammer vor 1499

Beschreibung

Kelch.1) Silber vergoldet, getrieben, gegossen, graviert. Der Fuß besteht aus zwei gegeneinander versetzten Sechspässen, von denen der untere, auf dem sich der gravierte Stiftervermerk (A) befindet, mit hoher profilierter Zarge und abgetreppter Sockelplatte gestaltet ist. Auf einem Pass des oberen Sechspasses ist eine gegossene Kreuzigungsszene mit vertieftem Kreuztitulus (B) angebracht. Aus der Mitte der Passflächen und aus den Graten des Sechspasses steigen Rippen bis zu einem Zwischenteil mit Verkantungen und kleinen Sockeln auf. Von den Sockeln getragene Rundstäbe und tiefe Nischen bestimmen die Gestaltung des Schafts. Die Ober- und Unterseite des tellerartigen Nodus bestehen aus Maßwerk von sich durchschneidenden Rundstäben, der Rand ist profiliert. Verlängerte Rundstäbe des Schafts bilden einen kleinen Korb, der die schlichte Kuppa unterfängt.

Maße: H. 22,5 cm; Dm. 16 cm (Fuß), 12,3 cm (Kuppa); Bu. 0,6 cm (A), 0,3 cm (B).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A), Kapitalis (B).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/7]

  1. A

    D(OMI)N(V)S · IOH(ANN)IS / VORMAN / DEDIT ISTV(M) / CALICEM / CANONIC(VS) / ESSENDE(N)S(IS).

  2. B

    I N R Ia)2)

Übersetzung:

Herr Johannes Vorman schenkte diesen Kelch als Essener Kanoniker. (A)

Kommentar

Das Interpunktionszeichen ist paragraphzeichenförmig. Die Buchstaben der sorgfältig gravierten Inschrift A sind durchgehend einheitlich gestaltet, es wurden typische Buchstabenformen der frühhumanistischen Kapitalis eingesetzt: A mit beidseitig oder links überstehendem Deckbalken, offenes D, retrogrades N. Auffällig ist S mit einem waagerechten kurzen Balken über dem Mittelteil. Der Balken des H ist mit einer Ausbuchtung nach unten versehen. Die Kürzungszeichen für Kontraktionen sind als waagerechter Strich mit Ausbuchtung nach oben gestaltet, das Kürzungszeichen am Wortende hat die Form eines Apostrophs. Als Schlusspunkt dient ein kleines Dreieck, dessen untere Spitze als ausgezogene Zierlinie endet.

Johannes Vorman stammte aus Dortmund und immatrikulierte sich 1442 an der Universität Köln.3) In einem Namensverzeichnis der 1486 in Essen residierenden Kanoniker ist er als Priester aufgeführt,4) in den Urkunden des Kapitels tritt er zweimal in Erscheinung, 1463 und 1492.5) Er starb am 14. November 1499,6) für seinen Todestag wurde eine Memorienstiftung errichtet.7)

Der Kelch wurde bislang durch Stilvergleich (sich durchdringende und überschneidende Formen, starke Wulste und Rundstäbe, tellerartiger Nodus) ins erste Viertel des 16. Jahrhunderts datiert; als Herstellungsregion wurde das Rheinland in Betracht gezogen.8) Durch den Nachweis des Sterbedatums des Stifters kann die Entstehung des Kelchs nun auf die Zeit vor 1499 eingegrenzt werden.

Textkritischer Apparat

  1. Zweites I nicht sichtbar im gerollten Schriftband.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 54. Bei einer Inventarisierung 1797 wurde die Zahl 2 auf einen der oberen Pässe eingeschlagen, vgl. Pothmann, Kirchenschatzverzeichnis, S. 29.
  2. Io 19,19.
  3. Matrikel Köln 1, 1442, 215,69.
  4. MüA, Hs. 22, Vorsatzblatt.
  5. Schaefer/Arens, Urkunden, Nr. 177 (1463 Dezember 14), 217 (1492 September 27).
  6. MüA, Hs. 22, Vorsatzblatt.
  7. Müller, Memorienkalender, S. 172.
  8. Kat. Köln 1970, S. 111, Nr. 219; zum auffälligen Nodus vgl. auch Fritz, Goldschmiedekunst, S. 313, Nr. 916.

Nachweise

  1. KDM Essen, S. 52, Nr. 29.
  2. Humann, Kunstwerke, S. 351, mit Tf. 54,3.
  3. Arens, Münsterkirche, S. 70.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 82 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0008202.