Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 67† Dom 2. H. 14.–A. 15. Jh.

Beschreibung

Wandmalereien an den östlichen Vierungspfeilern. Sie wurden 1883 aufgedeckt und 1890 durch Friedrich Stummel übermalt, nachdem er Zeichnungen der ursprünglichen Malereien angefertigt hatte.1) An der Südseite des nordöstlichen Pfeilers war Christus mit zwei Bildbeischriften (A, Bibelparaphrase B auf einem Spruchband) dargestellt. An der Westseite dieses Pfeilers waren untereinander König David mit Bildbeischriften (C und Bibelzitat D), der heilige Ambrosius mit Bildbeischriften (Name E, ihm zugeschriebener Text F) sowie der heilige Augustinus mit Bildbeischriften (Name G und Bibelparaphrase H) zu sehen. Die Inschriften D, F und H befanden sich auf Spruchbändern. An der Ostseite waren untereinander der heilige Eusebius und der heilige Paulus abgebildet, auf die jedoch Ende des 19. Jahrhunderts nur noch die Namensbeischriften I und J hinwiesen. Auf dem südöstlichen Pfeiler an der Nordseite, also gegenüber der Christusdarstellung, war Maria mit einem Spruchband, auf dem ein Teil eines Gebets (K) zu lesen war, abgebildet.

Nach Tönnissen.2)

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

  1. A

    Salvator mundi

  2. B

    hic est panis qui de coelo descendit et qui manducat [ – – – ]3)

  3. C

    p(ro)ph(et)a

  4. D

    Hic est deus deus noster in eternum et in seculum seculi: ipse reget nos in secula4)

  5. E

    ambrosi(us)

  6. F

    Illa quae fuerunt in utero virginis sunt in hoc [ – – – ]5)

  7. G

    aug(ustinus)

  8. H

    Tu es deus absconditus6) in hoc pane

  9. I

    eusebius

  10. J

    paulus

  11. K

    Beatam me dicent omnes generationes7)

Übersetzung:

Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, und wer (dieses Brot) isst, (wird ewig leben). (B) Er ist Gott, unser Gott auf immer und in allen Zeiten, er wird uns in den Zeiten leiten. (D) Das, was im Leib der Jungfrau gewesen ist, ist in (diesem Sakrament). (F) Du bist Gott, verborgen in diesem Brot. (H) Alle Geschlechter werden mich selig preisen. (K)

Kommentar

Nach Wilhelm Tönnissen war die Inschrift A „in goldenen Buchstaben“ aufgemalt. Er datiert die Wandmalereien, die er in noch nicht übermaltem Zustand gesehen hat, in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Paul Clemen stellt sie nach den Zeichnungen Stummels an die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert und spricht von „mehr mittelrheinische[n] als kölnische[n] Elemente[n]“.8)

Die Inschriften B, F und H stehen in direktem Zusammenhang mit dem Fronleichnamsfest. Die Bibelparaphrase B nach Io 6,59 ist Bestandteil der Sequenz der Feier des Fronleichnamsfests. Bei der unvollständigen Inschrift F auf dem Spruchband des Ambrosius handelt es sich um die Paraphrasierung einer angeblichen Ambrosius-Stelle, die Aufnahme im Decretum Gratiani gefunden hat.9) Der Satz findet sich fast wörtlich in einer Predigt des ungarischen Franziskanermönchs Pelbartus von Temesvar zum Fronleichnamsfest, die 1502 in Augsburg gedruckt wurde.10) Eine direkte Vorlage konnte nicht ausfindig gemacht werden. In Inschrift H wird der in der geweihten Hostie verborgene Christus thematisiert. Damit sind die Wandmalereien und Inschriften an diesem Pfeiler im Zusammenhang mit dem kleinen Tabernakel zu sehen, das sich dort befand und Anfang des 16. Jahrhunderts durch ein Sakramentshäuschen ergänzt wurde.11)

Anmerkungen

  1. Tönnissen, Wandmalereien, S. 143; Clemen, Got. Monumentalmalereien, S. 239.
  2. Da Stummels Zeichnungen nur seine erneuerten Inschriften oder die verstümmelten Reste der vorhandenen Inschriften wiedergeben, wurden die Angaben von Tönnissen als Grundlage der Edition benutzt. Er gibt die Bildbeischriften teilweise mit in Klammern aufgelösten Abkürzungen an, die Inschriften auf den Spruchbändern ohne Klammern aufgelöst. Dies wurde beibehalten.
  3. Missale Romanum, Sequenz der Fronleichnamsfeier, S. 400 (neue Seitenzählung); nach Io 6,59.
  4. Nach Ps 47 (48),15.
  5. Decretum Gratiani, Kap. 74.
  6. Is 45,15.
  7. Aus dem Magnificat, nach Lc 1,46. Schott, Meßbuch, S. 375; als Antiphon in CAO 3, S. 82, Nr. 6322 belegt.
  8. Tönnissen, Wandmalereien, S. 149; Clemen, Got. Monumentalmalereien, S. 240.
  9. Vgl. Anm. 5. Ich danke Michael Oberweis, Mainz, für diesen Hinweis.
  10. Pelbartus de Temeswar, Sermones Pomerii de sanctis II. [Pars aestivalis], 1502, Sermo 5. Eingesehen wurde die digitale Version der Eötvös Loránd Universität in Budapest, Ungarn: http://emc.elte.hu/pelbart/pa005.html (besucht am 15.09.2009).
  11. Arens, Liber ordinarius, S. 176; Zimmermann, Münster, S. 199. Im Liber ordinarius, S. 93–98, ist bei der Beschreibung der Fronleichnamsfeier ein Tabernakel an dieser Stelle noch nicht ausdrücklich erwähnt, Arens berichtet aber von einer kleinen, viereckigen Öffnung im nordöstlichen Vierungspfeiler, die als Tabernakel gedient haben könnte. Die Fragmente des im 18. Jh. abgerissenen Sakramentshäuschens wurden von Zimmermann an den Anfang des 16. Jh. datiert. Zur Bezugnahme von Wandgemälden mit Inschriften auf ein Sakramentshäuschen vgl. z. B. DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1), Nr. 126.

Nachweise

  1. Tönnissen, Wandmalereien, S. 149f.
  2. Clemen, Got. Monumentalmalereien, S. 239, mit Tf. 55 (B–H, K).
  3. Goebel, Münsterkirche, S. 17 (B, K).

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 67† (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0006705.