Inschriftenkatalog: Stadt Essen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 81: Stadt Essen (2011)
Nr. 54 Dom 1. H. 14. Jh.
Beschreibung
Agraffe. Vergoldetes Kupfer, gegossen, getrieben, graviert, Email. Die Agraffe ist mit vier Nägeln unter einer staufischen Adleragraffe auf der Brust der Goldenen Madonna befestigt.1) Kratzspuren an der Rückseite lassen vermuten, dass ursprünglich ein Spangenverschluss angebracht war. Um die Vierpassscheibe verläuft ein Rand, in dem in blauem, transluzidem Email metall-positiv der Anfang des Mariengrußes steht. Das Email im unteren Pass ist teilweise ausgebrochen. Auf der kreuzschraffierten Binnenfläche des Vierpasses ist eine kleine gegossene Figur der auf einem Sockel thronenden Gottesmutter mit dem Jesuskind angebracht.
Maße: H. 8,5 cm; B. 7,4 cm; Bu. 0,4 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
+ AVE MARI(A)a) GRACIA PLENA Db)2)
Übersetzung:
Gegrüßt seist du Maria, voll der Gnade, (der Herr)
Textkritischer Apparat
- Sic!
- Inschrift bricht hier ab, zu ergänzen: D(OMINVS).
Anmerkungen
- Zur Goldenen Madonna vgl. zuletzt Kat. Essen 2009, S. 62, Nr. 5 (B. Falk).
- Beginn der Antiphon ‚Ave Maria’ oder des davon abgeleiteten Mariengebets ‚Ave Maria’ („Gegrüßt seist du, Maria“), das zu den Grundgebeten der katholischen Kirche zählt. Der Wortlaut der Antiphon in CAO 3, Nr. 1539, biblische Grundlage ist Lc 1,28.
- Zum Beispiel Fritz, Goldschmiedekunst, S. 206, Nr. 159.
- Zum Beispiel DI 35 (Stadt Braunschweig 1), Nr. 32; Fritz, Goldschmiedekunst, S. 219, Nr. 242.
- Fritz, Inschriften, S. 90.
Nachweise
- Didron, Jours, S. 327.
- Arens, Münsterkirche, S. 44.
Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 54 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0005408.
Kommentar
Der Beginn der Inschrift wird durch ein Tatzenkreuz markiert. Die Inschrift in Scriptura continua ist in weit entwickelter gotischer Majuskel ausgeführt, die durch Bogenschwellungen, Abschlussstriche beim C und den ausschließlich unzialen E sowie die starke Verbreiterung der Schaftenden charakterisiert wird. Die Sporen an den sich nach oben verbreiternden Schrägschäften des V sind fast zu einem Abschlussstrich geschlossen. A ist mit gebrochenem Balken und einem Deckbalken mit stark ausgeprägten, dreieckig nach unten gezogenen Sporen ausgestattet. Der Bogen des R ist nicht geschlossen, die kurze, unten verbreiterte Cauda setzt direkt am Bogenende an. Obwohl Formen wie dreieckige, ausgeprägte Sporen, Bogenschwellungen und Abschlussstriche bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts möglich sind,3) legt der Gesamteindruck der Schrift eher eine Entstehung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nahe, zumal es aus dieser Zeit zahlreiche Beispiele ähnlich gestalteter Inschriften gibt.4) Die gotische Majuskel auf dem um 1300 von der Essener Äbtissin Beatrix von Holte gestifteten Armreliquiar zeigt ebenfalls geschlossene unziale E mit Bogenschwellungen und breite Schäfte bei R, die Sporen sind aber noch nicht so ausgeprägt. Eine Datierung der Vierpassplatte nach 1300 bietet sich an. Transluzides Email wurde in Deutschland nach 1350 nur noch selten verwendet.5)