Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 3 Werden, St. Ludgerus M. 10. Jh.

Beschreibung

Wandmalereien. Sie befinden sich im Nischengewölbe im südlichen Seitenschiff der Peterskirche, d. h. des Westteils von St. Ludgerus, wo sie 1907 aufgedeckt wurden.1) Von den wohl ursprünglich fünf querrechteckigen Feldern unterschiedlicher Höhe, die das Tonnengewölbe bedeckten, sind noch die Reste von vier Feldern fragmentarisch erhalten. Dargestellt ist das Martyrium der Thebäischen Legion: Im ersten Feld (von der nördlichen Seite ausgehend) ist der mit der Namensbeischrift A gekennzeichnete römische Mitkaiser Maximianus zu sehen, wie er seine Krieger versammelt. Das Opfer für die heidnischen Götter ist im zweiten Feld dargestellt und durch die Bildbeischrift B erklärt. Im dritten, inschriftlosen Feld tragen Engel die als kleine Menschen dargestellten Seelen. Das an das Martyrium anschließende Festmahl der Mörder ist im vierten Feld mit der Bildbeischrift C zu sehen. Die Inschriften sind mit roter Farbe aufgemalt. Die Wandmalereien wurden nach der Aufdeckung überarbeitet, wobei beispielsweise die Reste der Konturen nachgezogen wurden.2) Überarbeitungen der Inschriften sind nicht erkennbar, können aber nicht ausgeschlossen werden.

Maße: Bu. ca. 5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    MAXIMIANVS REX

  2. B

    HIC SACRIFICANT DIIS ·

  3. C

    VBI EPVLANTVR · OCCISIS S(AN)C(T)[IS]a)

Übersetzung:

König Maximianus. (A) Hier opfern sie den Göttern. (B) Wo sie speisen, nachdem die Heiligen getötet wurden. (C)

Kommentar

Die Inschriften sind an mehreren Stellen verblasst oder abgeblättert. Sie zeigen in Details wie den ausgeprägten, durchgehend ausgeführten Serifen, dem bis zur Grundlinie reichenden Mittelteil des M, der Linksschrägenverstärkung bei V und teilweise bei M (nicht allerdings bei A, N und X) und den teils breiten Proportionen noch Anklänge an das klassische Ideal der karolingischen Kapitalis. Dem gegenüber stehen allerdings die unklassischen Formen des leicht trapezförmigen A mit kurzem Deckstrich, der geraden, leicht verdickten Cauda des R und die nicht immer punktsymmetrisch ausgeführten S. Die Inschriften sind zum Teil in Scriptura continua ausgeführt, daneben sind allerdings auch deutliche Wortabstände zu sehen, von denen einer mit einem punktförmigen Worttrenner versehen ist. Die Schriftgestaltung weist ins 10. Jahrhundert: Elemente wie unterschiedliche Strichstärken und die Gestalt charakteristischer Buchstaben wie M mit bis zur Grundlinie reichendem Mittelteil sind noch bekannt, werden aber nicht mehr konsequent umgesetzt.3)

Die Wandmalereien wurden laut der kunsthistorischen Einschätzung direkt nach der Erbauung der Peterskirche, die 943 geweiht wurde, ausgeführt.4) In der Nische des nördlichen Seitenschiffs sind ebenfalls Wandmalereien erhalten, die allerdings nicht mit Inschriften ausgestattet sind. Für den in der südlichen Altarnische befindlichen Altar wird 1327 das Patrozinium Johannes Baptistas genannt, Hinweise auf andere, ältere Patrozinien sind bislang nicht bekannt.5)

Der Kult um die Heiligen der Thebäischen Legion fand besonders im Rheinland (Bonn, Köln, Xanten) Verbreitung. Die Verehrung eines Thebäischen Märtyrers bzw. das Vorhandensein solcher Reliquien ist in Werden erstmals in der Inschrift einer Reliquienschüssel belegt. Die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gravierte Reliquienbezeichnung am sog. Nap des heiligen Liudger benennt als Inhalt u. a. Reliquien von Heiligen aus der Gefolgschaft des heiligen Mauritius.6) Abgesehen von den Inschriften der Wandmalerei sind keine früheren Hinweise auf eine Verehrung der Thebäischen Legion in Werden bekannt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzt nach dem bei Clemen, Roman. Monumentalmalerei, Tf. VII abgedruckten Aquarell.

Anmerkungen

  1. Zur Bezeichnung ‚Peterskirche’ vgl. Borger, Baugeschichte, S. 88.
  2. Goldkuhle, Bestand, S. 236f.
  3. Zu monumentalen Wandmalereien des Frühmittelalters vgl. Scholz, Inschriften, passim.
  4. Clemen, Roman. Monumentalmalerei, S. 87; Goldkuhle, Bestand, S. 262. Zur Weihe 943 vgl. Borger, Baugeschichte, S. 85.
  5. Borger, Baugeschichte, S. 89; Effmann, Bauten 1, S. 363; Clemen, Roman. Monumentalmalerei, S. 83f., verortet im nördlichen Seitenschiff den Altar Johannes Baptistas und im südlichen den Altar Johannes Evangelistas.
  6. Vgl. Nr. 49. Der Heilige ist auch auf einem um 1490 entstandenen Flügelaltar aus dem Kloster Werden abgebildet, vgl. Kat. Essen 1999, S. 354 (R. S[tephan-]M[aaser]) und Nr. 80.
  7. Der hl. Victor ist auf einer zu einem unbekannten Zeitpunkt aus Xanten nach Werden gelangten Kasel aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. dargestellt, vgl. Nr. 77.

Nachweise

  1. Clemen, Roman. Monumentalmalerei, S. 79f., S. 84, mit Fig. 63 und Tf. VII.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 3 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0000301.