Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 179 Werden, Gemeindehaus ‚Haus Fuhr’, Grundstücksmauer 1650

Beschreibung

Fragment eines Türsturzes. Sandstein. Der Türsturz befand sich am Haupteingang der 1650 errichteten ersten evangelischen Kirche in Werden.1) Das längsrechteckige Fragment, auf dem etwa zwei Drittel der zentriert eingehauenen vierzeiligen Bauinschrift mit Datum und Auftraggebernennung erhalten sind, ist in die Mauer um das Gemeindehaus ‚Haus Fuhr’ der evangelischen Gemeinde Werden eingelassen.2)

Ergänzt nach Hempel/Weiß.

Maße: H. 29 cm; B. 81 cm; Bu. 3,2–3,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. ANNO PACIS VNI[VERSALIS] / M · DC · L / IN HONOREM DEI EST HAEC SACR[A OPE ET INDVSTRIA] / AMPLISSIMI SENATVS WERTHIN[ENSIS EXSTRVCTA]

Übersetzung:

Im Jahre des allgemeinen Friedens 1650 ist dieses heilige (Haus)3) zur Ehre Gottes mit Hilfe und auf Betreiben des hochachtbaren Rats von Werden errichtet worden.

Kommentar

Die Inschrift ist in ausgewogenen, schmalen Kapitalisbuchstaben eingehauen. Sie weist einige Gemeinsamkeiten mit Inschrift C des Wappensteins von Heinrich Dücker (Nr. 170) auf: Der Mittelteil des M reicht nicht bis an die gedachte Mittellinie hinab, genau wie die Bögen bei P und R, die auffallend klein gestaltet sind. Die geschwungene Cauda des R setzt gemeinsam mit dem Bogen am Schaft an. Die i-Punkte sind als kleine halbkugelige Vertiefungen ausgeführt, O hat eine spitzovale Grundform. Die Buchstaben sind mit ausgeprägten Serifen ausgestattet, bei C allerdings nur am oberen Bogenende, das untere läuft spitz aus. Es ist davon auszugehen, dass beide Inschriften in derselben Werkstatt, vermutlich sogar von demselben Steinmetz, gehauen wurden.

Die Reformation hielt in Werden in den späten 1560er Jahren Einzug. In den folgenden Jahren wurden die Nebenpfarrkirchen St. Clemens und St. Lucius von reformatorisch gesinnten Geistlichen betreut.4) Während der Amtszeit des Werdener Abtes Hugo Preutäus (1614–1646), der in seinen gegenreformatorischen Bestrebungen von den in Werden lagernden spanischen Truppen unterstützt wurde, konnten protestantische Gottesdienste zeitweise nur im Rathaus abgehalten werden.5) Rückhalt erfuhr die protestantische Seite allerdings während der Belagerung durch niederländische und hessische Truppen, die ihr die Benutzung der Klosterkirche ermöglichten.6) Preutäus’ Nachfolger Heinrich Dücker erlaubte schließlich 1650 den Bau einer evangelischen Kirche, die sich allerdings nicht von den umstehenden Häusern unterscheiden sollte, etwa durch einen Turm oder Bleidächer.7) Diese Kirche wurde 1650 am Michaelistag (21. September), der in Werden traditionell als Gründungstag der evangelischen Gemeinde gilt,8) geweiht. Sie stand bis zu ihrem Abriss in den 1820er Jahren am Werdener Markt. Die Bezeichnung des Baujahrs als ANN[VS] PACIS VNIVERSALIS wurde vielleicht in Anlehnung an den Westfälischen Frieden gewählt, in dessen Verträgen das Ziel einer ‚pax universalis’ mehrfach formuliert wurde.9)

Anmerkungen

  1. Hempel/Weiß, Geschichte, S. 30.
  2. Maßner, Vergangenheit, S. 66.
  3. In der Überlieferung bei Hempel/Weiß fehlt der Nominativ zu HAEC SACRA, möglicherweise wurde DOMVS o. ä. vergessen.
  4. Stephan-Maaser, Peter Ulner, S. 155; Stüwer, GS Werden, S. 104, 107.
  5. Zu Hugo Preutäus vgl. Nr. 155, 156, 171; zur Reformation in Werden Langenbach, Zeitalter, S. 58–91.
  6. Hempel/Weiß, Geschichte, S. 24–27; Maßner, Vergangenheit, S. 60ff.
  7. Hempel/Weiß, Geschichte, S. 28ff.; Maßner, Vergangenheit, S. 63–67.
  8. Vgl. Nr. 181.
  9. Steiger, Friedenskonzeption, S. 198–204.

Nachweise

  1. Hempel/Weiß, Geschichte, S. 30.
  2. Maßner, Vergangenheit, S. 66.
  3. Peter, Christentum, S. 50, mit Übersetzung.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 179 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0017907.