Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 161 Kettwig, Ev. Kirche am Markt 1625, 1634, 1708, 1718

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Grabstein für Anna Borcken genannt Deuß, ihren Gatten Heinrich Deuß und einen weiteren unbekannten Familienangehörigen, im frühen 18. Jahrhundert wiederverwendet für Elsabeta von Bergmann (Berchem) genannt Rombeck und deren Gatten Heinrich Benninghoven.1) Sandstein. Der Grabstein befindet sich im Raum unter dem Turm, ursprünglich war er sicher auf dem um die Kirche herum angelegten Friedhof, der 1811 aufgelöst wurde, aufgestellt. Er ist vertikal in drei Arkadenzonen gegliedert, der obere Rand ist mit Voluten ausgestattet, darunter befindet sich ein Wappen. Alle Inschriften sind eingehauen. Zum ursprünglichen Inschriftenbestand gehören ein Sterbevermerk mit Fürbitte (A) in der mittleren Arkadenzone und getilgte Sterbevermerke (B, C) in der linken und der rechten Arkadenzone. Für die Wiederverwendung wurde die Fürbitte von Inschrift A getilgt und an dieser Stelle der Sterbevermerk D für Heinrich Deuß und ein Bibelzitat mit Bibelstellenangabe (E), zwei Inschriften, die sich ursprünglich mit Sicherheit in der linken oder rechten Arkadenzone befanden, eingehauen. In die frei gewordenen Flächen in der linken und rechten Arkadenzone wurden Sterbevermerke (F, H) und Bibelzitate mit Bibelstellenangaben (G, I) eingehauen, links die Inschriften F und G, rechts H und I. Der Erhaltungszustand der in drei Teile zerbrochenen, aber wieder zusammengesetzten Platte ist gut.

Maße: H. 140 cm; B. 88,5 cm; Bu. 2,6 cm (A–C), 1,7 cm (D–I).

Schriftart(en): Kapitalis (A–C), Fraktur und Kapitalis (D–I).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/4]

  1. A

    A(NN)Oa) 1625 / DEN · 14 / FEBRVARIIb) / IST DES EHR/RENTHAFTE(N) / HENRICHEN / DEVSZ · HAVS/FRAW · ANNA / BORCKEN · / GENANT / DEVSZ · IN / DEN · HEREN / ENTSCHLAFFE(N) / DER[E(N) SEEL … / - - - / V… H - - -]

  2. B

    A(NN)Oc) 16[.. / - - -]d)

  3. C

    [ - - -] / DEN HER[EN] / E[NT]SCH[LAF]FE(N)

  4. D

    ANNO 1634 · ist der Ehr / und vester Hendrig deusz / Gewesener Kiergen Mei/ster die ganszee) Zeit alhie / bis er im herren · e(nt)·s(chlaffen) ·

  5. E

    de[nen]f) die gott lieben müsse(n) / alle din[ge a]mg) besten diene(n) / ROMER · CAPI[TEL .]2)

  6. F

    AN(N)Oh) · 17〈18〉 / den 〈3 MAIIi)〉 / ist der Ehrr/entvesterj) und / wollvor Nehmer / wie auch wolmeinen/der vorsteer dieser Ge/mein Henderycus / Benninghofenk) Ge/wesener Provisorl) und / Kirchen Meister · all/hie · Jm Herren ent ·S(chlaffen) · / 〈seines alters um 73 iahr〉

  7. G

    Herrm) Lehre Mich, dasz ein ende mit / mir haben musz, und / mein Leben ein Ziel / hat und ich davon / musz. / [PSAL]M · 39 · V(ERS) · 5 ·3)

  8. H

    AN(N)O 1708 / den 2 AUGUSTI / ist die viel Ehr / und Tugendt / Reiche Elsabeta von / Bergman genant · / Rombecke Gewesene / Ehliche Haus[z] Frau / des Ehrentvesten / Henericus Bennieg/hofen · Jm Herren / Ent Schlaffen

  9. I

    Der Mensch hat / seine bestimmte / Zeit die Zal seiner / monden stehet bey dir / du hast ein Ziel gesetzt / dasz wird er nicht über/gehenn) · HIOB · 14 · V(ERS) · 54) ·

Wappen:
Deuß.5)

Kommentar

Inschrift A zeichnet sich durch eine qualitätvolle, breit proportionierte Kapitalis mit deutlichen Serifen und erhöhten Kapitalisversalien aus. Die Mittelbalken des E und der untere Balken des F sind als kleine Dreiecke gestaltet. Bei N berührt der rechte Schaft teils nur knapp den Schrägbalken, teils steht er unverbunden daneben. Als Worttrenner dienen Quadrangel.

Die sechs Frakturinschriften, d. h. auch Inschrift D mit dem Sterbevermerk für 1634, weisen große Übereinstimmungen auf; unterschiedlich gestaltete Buchstabenformen sind nicht festzustellen. Die Übereinstimmungen betreffen alle Buchstaben, sie sind beispielsweise bei b und h zu sehen, wo der obere Bogenabschnitt gerade ausgeführt ist. Übereinstimmend sind auch die spitzovale Grundform der Bögen, die runden, offenen d, der geschwungene Schaft bei g und die Oberlängen am linken Schaft der v. Die Einheitlichkeit der Buchstaben ist auch bei den Versalien festzustellen. B, E, G, H und M treten in allen drei Inschriften als Versalien auf, K und Z in den Inschriften D und G. Bei den B aller drei Inschriften ist der Schaft gebogen, der gebrochene obere Bogen setzt auf dem größeren unteren Bogen an, der spitzwinklig auf den Schaft zeigt, diesen aber nicht berührt. Die Versalien von B und H basieren auf der Minuskelform der Buchstaben. Der Schaft des H-Versals ist stark geschwungen und wird von einer dünnen Zierlinie begleitet, oben läuft er in einer Schlinge aus. Versal-M besteht in den Inschriften D, F und G aus drei stark geschwungenen Schäften, wobei die ersten zwei Schäfte oben von Zierlinien begleitet werden und der rechte Schaft oben nach links umgebogen ist. In Inschrift H ist M ohne Zierlinien gestaltet. Die Gestaltung von k mit stark geschwungenem Schaft und kurzem, zum Schaft zurückgebogenem Schrägbalken ist nur in den Inschriften D und F zu beobachten. Die Gestaltung der Frakturversalien weist zwar keine ungewöhnlichen Merkmale auf, die deutlichen Übereinstimmungen und das Fehlen von Abweichungen sind aber wegen der unterschiedlichen Daten der Sterbevermerke von Bedeutung.

Bei Inschrift F unter der linken Arkade sind Bestandteile des Sterbedatums und die Altersangabe nachträglich eingehauen worden. Die Bibelzitate in der linken und der rechten Arkadenzone beginnen nach einer Leerzeile auf derselben Höhe. Erst durch die nachträgliche Altersangabe, die in Inschrift H fehlt, wird die Leerzeile in Inschrift F gefüllt.

Für die Inschriften D–I wurden die Inschriften B und C in der linken und rechten Arkadenzone sowie die Fürbitte von Inschrift A entfernt. Dabei wurde der Sterbevermerk für Heinrich Deuß unter die originale Inschrift von 1625 in die mittlere Arkade übertragen. Es fällt auf, dass für ihn kein Todestag angegeben ist. Alle sechs Frakturinschriften (mit Ausnahme der Nachträge in Inschrift F) wurden wohl 1708 anlässlich des Todes von Elsabeta von Bergmann eingehauen.

Wie üblich wurde die Frakturschrift für die deutschen Bestandteile der Inschriften verwendet, während die lateinischen Monatsnamen und die Bibelstellenangaben in Kapitalis ausgeführt sind.6)

Heinrich Deuß wurde nach dem Tod seiner Mutter 1608 mit dem Gut Stade an der Kettwiger Brücke belehnt, ebenso seine Ehefrau Anna, geborene Borcken, nach dem Tod ihres Schwiegervaters Johannes Deuß 1612.7) Als Kirchenmeister war Heinrich Deuß für die Verwaltung des Kirchenvermögens und -inventars zuständig.8) Elsabeta von Bergman (oder Berchem) genannt Rombeck, verheiratete Benninghoven, wurde um 1639 in Kettwig geboren.9) Nach ihrem Tod am 2. August 1708 wurde sie vier Tage später in Kettwig begraben. Ihr Gatte Heinrich Benninghoven, getauft am 5. April 1646 in Kettwig, ist in der Kettwiger Einwohnerliste von 1695 an erster Stelle genannt.10) Er wurde drei Tage nach seinem Tod ebenfalls in Kettwig bestattet. Das Bibelzitat auf seinem Grabstein wurde schon für den Grabstein von Johannes Deuß (gest. 1611) verwendet.11) Die Familien Deuß und Benninghoven gehörten zur Kettwiger Führungsschicht und waren eng miteinander verwandt, der Vater von Heinrich Benninghoven wird in den Quellen als Albert Benninghoven genannt Deuß bezeichnet.12)

Textkritischer Apparat

  1. Endbuchstabe leicht erhöht.
  2. Ligatur in Form eines Y.
  3. Kürzung durch hochgestellten Endbuchstaben.
  4. Weitere Schriftreste erkennbar in Zeile 9 und 13 der Inschrift F sowie in Zeile 9 der Inschrift G.
  5. Zunächst versehentlich langes s und z eingehauen, getilgt und mit n überschrieben.
  6. Der Stein ist an dieser Stelle gebrochen und wieder zusammengefügt. Es ist mehr Platz vorhanden, als für das Wort denen benötigt wird.
  7. Der Stein ist beschädigt, dinge kann nur anhand der Bibelstelle rekonstruiert werden, die Unterlänge von g ist nicht zu sehen.
  8. Auf der getilgten Inschrift B.
  9. Ligatur in Form eines Y.
  10. Sic!
  11. Danach ein n getilgt und mit dem folgenden G überschrieben.
  12. Am Wortende ein zweites, dünn eingehauenes und später getilgtes r sichtbar.
  13. Danach ein e getilgt.
  14. Über das u ist ein kleines e gestellt.

Anmerkungen

  1. Es werden auch die nach 1650 hergestellten Inschriften ediert und kommentiert, da der paläographische Befund der jüngeren Inschriften für die Datierung von Inschrift B, angeblich von 1634, ausschlaggebend ist.
  2. Rö 8,28.
  3. Ps 38 (39),5.
  4. Hi 14,5.
  5. Marke Nr. 35.
  6. Vgl. Drös, Schrifthierarchie, S. 95.
  7. HStAD, Kloster Werden, Akten, IX c 106. Zum Haus Sta(e)de vgl. Nr. 174.
  8. Art. Kirchenmeister, in: DRW 7 (1974–1983), Sp. 884f.
  9. Die folgenden biographischen Angaben sind der Online-Version der Kirchenbücher der Kettwiger ev. Gemeinde entnommen, www.ortsfamilienbuecher.de/kettwig/ (besucht am 13. März 2009). Die Kirchenbücher sind im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Kettwig aufbewahrt. Sie enthalten Taufen (1636–1672, 1707–1807), Konfirmationen (1636–1672), Heiraten (1641–1669) und Begräbnisse (1707–1807).
  10. Körholz, Bevölkerung, S. 51.
  11. Vgl. Nr. 145.
  12. 1642 wird für Gertraud Deuß, Patin von Heinrich Benninghoven, eine „große Hochzeit“ veranstaltet, vgl. Brüggemann, Kirchenbuch, S. 30; die Deuß-Benninghoven waren im Besitz des Gasthauses ‚Zum wilden Mann’, vgl. Körholz, Bevölkerung, S. 24f.; zudem hatten mehrere Familienmitglieder das Amt des Kirchmeisters inne. Vgl. auch Nr. 174.
Addenda & Corrigenda (Stand: 14. März 2017):

Inschrift F: streiche "din[ge a]m" setze "din[ge zu]m". Korrektur nach Heinrich Tiefenbach, Rez. DI 81, in: Beiträge zur Namenforschung 47 (2012), S. 474.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 161 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0016108.