Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 160 Ev. Marktkirche 1622

Beschreibung

Grabkammer. Sie liegt unzugänglich unter dem Altarraum im Chor. An der Nordwand befinden sich ein Auftraggeber- und Herstellungsvermerk (A) und ein Datum (B), an der Ostwand ein Besitzvermerk (C).1) Die Inschriften wurden in den feuchten Putz eingeritzt. Die neunzeilige Inschrift A ist an den Seiten von senkrechten Strichen begrenzt, die Zeilen 2 bis 6 verlaufen zwischen doppelter Lineatur. Die unteren drei Zeilen sind vermutlich aus Platzmangel in humanistischer Minuskel mit Kapitalisversalien und ohne Lineatur ausgeführt worden. Auch Inschrift C verläuft mit Ausnahme der ersten Zeile zwischen doppelter Lineatur. Möglicherweise wurde in A und C die erste Zeile jeweils erst nach der restlichen Inschrift ergänzt, dies könnte die unterschiedlichen Schriften erklären.

Nach Zeichnung bei Leenen.

Maße: Bu. ca. 1,8–8,9 cm (A, B).2)

Schriftart(en): Humanistische Minuskel und Kapitalis (A, C), Kapitalis (B).

  1. A

    A(nn)oa) 1622 1 sept(ember)b) / HRMANc) / LEFKEN / REGENDEd) KERCKMES/TER HAT DISEe) / Begrebnusf) aufff) begere(n) / Conradt Von Bone(n) / lasse(n) machen

  2. B

    ANNO 1622

  3. C

    den 1 Septemb(er) / A(NN)O 1622g) / HINDRICH / ERSBERGh) PRE/DIGER · IN / Sant GERDRV/T

Kommentar

Die Inschriften A und C sind keine Inschriften des Totengedenkens, sondern markieren jeweils den Erwerb eines Begräbnisses in einer Grabkammer unter dem Chor der Marktkirche. Heinrich Kaufmann berichtet in seiner Chronik und in seinem Annotationsbuch vom Verkauf weiterer Erbbegräbnisse und nennt zahlreiche Personen, die ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts innerhalb der Kirche bestattet wurden.3) Diese Praxis wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts beibehalten.4) Erst nach der Erneuerung des Fußbodens 1796 wurden Bestattungen innerhalb der Kirche verboten, auch wegen der „gefährlichen und oft pestilenzialischen Ausdünstungen“.5)

Hermann von Rötgen, genannt Leffken, war von 1615 bis 1622 Mitglied des Essener Rats.6) In seiner Funktion als Kirchmeister (seit ca. 1619)7) war er auch für die Bereitstellung der Begräbnisstätte zuständig, die von Conrad von Bonen zum Berge und seiner Frau Johanna von der Hoven erworben wurde.8) Darauf bezieht sich die Inschrift, die Leffken als „regierenden Kirchmeister“ bezeichnet. Als erstes Mitglied der Familie wurde dort am 28. August 1622 von Bonens Schwiegermutter bestattet, später auch das Ehepaar selbst.

Heinrich Er(l)sberg war von 1600 bis Mai 1628 als lutherischer Prediger an der Marktkirche tätig.9) Nachdem es der Äbtissin Maria Clara von Spaur mithilfe spanischer Besatzungstruppen gelungen war, den protestantischen Rat abzusetzen und jede Form protestantischer Glaubenslehre zu verbieten, musste Erlsberg gleichzeitig mit einem weiteren lutherischen Prediger, Eberhard Wittgen, im Mai 1628 die Stadt verlassen.10) Er fand eine Anstellung als Prediger in Hoorn (Nordholland). Nach dem Einzug niederländischer Truppen im Oktober 1629, durch deren Unterstützung die Abhaltung protestantischer Gottesdienste in Essen wieder möglich war, konnte er zwar nach Essen zurückkehren, wurde jedoch vom Rat nicht mehr als Pfarrer eingestellt. Kaufmann berichtet, dass Erlsberg darüber in Depressionen verfallen und noch im selben Jahr gestorben sei. Er wurde im Chor „an der linken Seiten vor der Sakristei“, vermutlich also in dem 1622 von ihm erworbenen Grab, neben seinem ersten Vorgänger Heinrich Barenbroich bestattet.11) Die Grabstelle wurde 1661 mit der Platte des abgebrochenen Altars aus der Sakristei abgedeckt.12)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch hochgestellten Endbuchstaben.
  2. Lesung unsicher.
  3. Sic! Statt HERMAN.
  4. N klein nachgetragen.
  5. E aus Platzmangel klein ausgeführt.
  6. Diakritisches Zeichen über u.
  7. 1627 Eger.
  8. G klein nachgetragen.

Anmerkungen

  1. Mit Kreide oder Kohle wurden im 19. Jh. weitere Inschriften in der Kammer angebracht, vgl. die Abb. bei Mews, Marktkirche, Tf. 9f.
  2. Maße nach Leenen, Gräber, S. 72, Abb. 30. Die Buchstabenhöhe wurde aus dem Maßstab der dort abgebildeten Zeichnung ermittelt.
  3. Vgl. Leenen, Gräber, S. 20f., mit Nachweisen.
  4. Eger, Begräbnisstätte, S. 156f.; Leenen, Gräber, S. 21f.
  5. Eger, Begräbnisstätte, S. 157f.; Leenen, Gräber, S. 23.
  6. StadtA Essen, Rep. 100, Nr. 184, fol. 44rv.
  7. Kaufmanns Annotationsbuch, S. 159.
  8. Ebd., S. 160.
  9. [Wittgen], Stadtchronik, S. 144; Kaufmanns Annotationsbuch, S. 161.
  10. Kaufmanns Chronik, S. 291f.
  11. Ebd., S. 295.
  12. Kaufmanns Annotationsbuch, S. 188; Kaufmanns Chronik, S. 334.

Nachweise

  1. Eger, Begräbnisstätte, S. 146.
  2. Leenen, Gräber, S. 71, mit Abb. 30, S. 72.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 160 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0016001.