Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 154† † Kapuzinerkirche 1618

Beschreibung

Grundsteinlegungsplatte. Kupfer vergoldet, graviert. Im Zentrum der Platte war der bekrönte rautenförmige Wappenschild graviert, die Wappenbeischrift A ist in zwei Zeilen oben und unten angeordnet. Die Zeilen werden durch je eine Rautenspitze unterbrochen. Der dreizeilige Grundsteinlegungsvermerk B befand sich am unteren Rand, ebenfalls unterbrochen durch die Rautenspitze. Sie war in kleineren Buchstaben ausgeführt. Nach dem Abbruch der Kapuzinerkirche zwischen 1742 und 1745 wurde die Platte im Archiv des Kapuzinerordens aufbewahrt,1) der weitere Verbleib nach Aufhebung des Klosters 1836 ist unbekannt.2) Die Gestaltung der Platte ist durch eine 1747 angefertigte Nachzeichnung des Steeler Vikars Jacob Ortmann überliefert.3)

Nach Zeichnung von Ortmann, abgedruckt bei Müller.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    M(ARIA) · C(LARA) · A(BTISSIN) ·Z(V) · // · E(SSEN) · V(ND) · N(OTTVLN) · D(ECHANTIN) ·/ Z(V) · V(REDEN) · G(EBORNE) · G(RAFIN) · // · Z(V) · S(PAVR) · P(FLAVM) · V(ND) · V(ALLIER) ·

  2. B

    MARIA CLARA // D(EI) G(RATIA) ABBATISSA / ASSINDIENSIS · // NATA EX COMI=/TIBVS DE SPAVR ea) // P(OSVIT)b) A(NN)Oc) 1618 · 17 APR(ILIS)

Übersetzung:

Maria Clara, von Gottes Gnaden Äbtissin von Essen, geborene Gräfin von Spaur, setzte (den Stein) am 17. April 1618. (B)

Wappen:
Spaur.4

Kommentar

Maria Clara von Spaur, Pflaum (Flavon) und Vallier (Valèr), geboren um 1590, entstammte einem in Tirol ansässigen katholischen Adelsgeschlecht mit engen Beziehungen zum Haus Österreich.5) Von Zeitgenossen wurde sie als mehrsprachig und glaubenseifrig charakterisiert.6) Die Äbtissin bezeichnete sich sowohl inschriftlich als auch in ihrer Korrespondenz als Gräfin (und wird auch als solche angesprochen),7) obgleich die Familie erst 1637 in der Person ihres Bruders Dominikus Vigilius in den Grafenstand erhoben wurde.8) Maria Clara von Spaur erhielt 1607 eine Präbende in Essen und wurde 1614 als Nachfolgerin von Elisabeth von Bergh (s’Heerenbergh) zur Äbtissin gewählt. Darüber hinaus war sie Dechantin in Vreden sowie Äbtissin in Nottuln und Metelen.9) Ihre Politik zeichnete sich vor allem durch die gegenreformatorischen Bestrebungen aus, die protestantische Glaubenslehre im Stiftsgebiet zurückzudrängen.10) Dazu gehörte die Ansiedlung und Förderung von Jesuiten und Kapuzinern in Essen.11) Die Äbtissin überließ dem Kapuzinerorden 1614/15 die Gebäude und Grundstücke des von ihr aufgehobenen Beginenkonvents ‚Im Kettwig’.12) Wegen Baufälligkeit der Gebäude wurde 1618 mit dem Neubau begonnen.13) Der Grundstein wurde von der Essener Äbtissin gelegt, der zweite Stein vom Werdener Abt Hugo Preutäus.14) Maria Clara von Spaur behielt lebenslang ein enges Verhältnis zu den Kapuzinern, nach ihrem Tod in Köln 1644 wurde sie in der dortigen Kapuzinerkirche beigesetzt.15)

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Statt etc.
  2. Ohne Kürzungszeichen. Die Auflösung ergibt sich aus der Verwendung der Platte als Grundstein, vgl. Arens, Kapuzinerkloster, S. 81.
  3. Kürzung durch hochgestellten Endbuchstaben.

Anmerkungen

  1. Müller, Geschichtsschreibung, S. 50.
  2. Ders., Ankunft, S. 4. Im Provinzialarchiv der Kapuziner in Ehrenbreitstein befindet sich nur eine Mappe mit Akten des Essener Kapuzinerklosters. Der Verbleib des Archivs ist nicht bekannt.
  3. LWL – Archivamt für Westfalen, Münster, Archiv Haus Ruhr, Nachlass Nünning, Nr. 724 (ohne Paginierung), abgedruckt bei Müller, Ankunft, S. 4; vgl. den Brief von Ortmann an Nünning in Müller, Geschichtsschreibung, S. 50.
  4. Siebmacher, NÖ/2, S. 168, Tf. 72, III, hier gekrönt.
  5. Wurzbach, Lexikon 36, S. 89–92; Küppers-Braun, Frauen, S. 131, 313ff.
  6. Kaufmanns Annotationsbuch, S. 155; Seemann, Aebtissinnen, S. 21f., Nr. 62.
  7. Nr. 158, 172; HStAD, Stift Essen, Akten, Nr. 34, fol. 234–237; Heidemann, Beguinenconvente, S. 23.
  8. Wurzbach, Lexikon 36, S. 90. Dominikus Vigilius von Spaur, Pflaum und Vallier bezeichnete sich aber schon 1629 in einem Brief an Maria Clara als Graf, seine Schwestern Maria Clara und Veronika als Gräfinnen, vgl. Heidemann, Beguinenconvente, Urkunden, S. 154ff., Nr. 9. Eine weitere Schwester, Catharina, Äbtissin des freiweltlichen Damenstifts Buchau, nennt sich dagegen in ihrer Siegelumschrift 1610 „geborne Freiyn zv Spaur“, vgl. Theil, GS Buchau, S. 19.
  9. Küppers-Braun, Frauen, S. 130f., 313ff.
  10. Vgl. dazu auch Nr. 158.
  11. Seemann, Aebtissinnen, S. 21f., Nr. 62; Arens, Kapuzinerkloster, S. 80–85; Müller, Ankunft, S. 1–6; Küppers-Braun, Frauen, S. 133f.; vgl. auch Nr. 155, 156, 158.
  12. [Wittgen], Stadtchronik, S. 151.
  13. Kaufmanns Annotationsbuch, S. 158; Arens, Kapuzinerkloster, S. 80; Müller, Ankunft, S. 5.
  14. PAKK, PC Sp I 10, fol. 32; Aders, Chronik Ursinus, S. 237; Arens, Kapuzinerkloster, S. 81. Beide finanzierten Teile des Neubaus, vgl. auch Seemann, Aebtissinnen, S. 22, und Nr. 155, 156.
  15. Küppers-Braun, Frauen, S. 313.

Nachweise

  1. LWL – Archivamt für Westfalen, Münster, Archiv Haus Ruhr, Nachlass Nünning, Nr. 724 (ohne Paginierung).
  2. Müller, Ankunft, S. 4f.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 154† (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0015403.