Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 145 Kettwig, Ev. Kirche am Markt 1611, 1717

Beschreibung

Grabstein für Johannes Deuß und das Ehepaar Benninghoven. Sandstein. Der beidseitig beschriftete hochrechteckige Stein, der für die Grabinschriften von Johannes Benninghoven und seiner Ehefrau im 18. Jahrhundert wiederverwendet wurde, steht an der östlichen Außenwand der Kirche. Die Vorderseite ist seit der Restaurierung der Kirche 2006 nach hinten gerichtet und daher nicht zu sehen. Der Stein stammt vermutlich vom 1811 aufgelösten Friedhof der evangelischen Kirche am Markt. Beide Seiten des Steins sind im giebelähnlichen oberen Teil mit Voluten geschmückt. Auf der Vorderseite befindet sich darunter ein Wappen. Inschrift A (Sterbevermerk und Grabbezeugung) für Johannes Deuß ist zeilenweise zu beiden Seiten neben und unter dem Wappen eingehauen. Von dem darunter eingehauenen siebenzeiligen Bibelzitat mit Bibelstellenangabe (B) sind große Teile abgeblättert, der Text konnte mithilfe der kopialen Überlieferung von 1943 ergänzt werden.1) Auf der Rückseite sind im oberen Teil zwischen und unter den Voluten Enten und Bäume im Halbrelief dargestellt, darunter sind ein Sterbevermerk mit Grabbezeugung (C) für Johannes Benninghoven, ein zugehöriges Bibelzitat mit Bibelstellenangabe (D) sowie vermutlich der Sterbevermerk E für seine Ehefrau eingehauen.

Ergänzungen von B nach HStAD, Nachlass Frechen.

Maße: H. 137 cm; B. 72 cm; Bu. 4,5 cm (A), 3,5 cm (B), 2 cm (C–E).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    A(NN)Oa) // D(OMINI) / 1611 // DEN · / 2 · FE//BRVA(RII) / · PIE · OBIITb) · // · IOANNES / DEVSIVS CONDITVS / HOC TVMVLOc)2)

  2. B

    DER MEN[SCH] HAT SEINE / BES[TIMBTE ZEIT · ] DIE Z[AL] / SE[INER MONDEN S]TEHE[N / BEI DIR DV HAST EIN] ZIEL / [GESETZET DAS WI]RD ER / NICHT [VBERGH]EENd). / IO[B 14] C(APITEL) [5. V(ERS)]c)3)

  3. C

    ALS DER WOHL EHR UND ACHTBAHRER · JOHAN/NES BENNINGHOVE(N) AM 2TEN AUGUSe) DES / 1717 JAHR SEINES ALTERS · 38 · DES SELELBENf) / DIESES ZEITLICHE MIT DER EWIGKEIT VERWECHSELTg) / WURDE DESSELBEN LEIB AM · 5 · TEN OBBEMELTEN / MONATHS AUF HOFNUNG EINER SEELIGEN AUFF/ERSTEHUNG ALHIER SEINER RUHESTAD[T] EINGESENCKT.

  4. D

    UNSER TRÜBsALh) DIE ZEITLICH UND LEICHT IST S[CHAF]/FET EINE EWIGE UND UBER ALL(E) MA[ – – – ] / [HERRL]IGKEIT [.] · COR[INT]ER · CAPITEL [.]4) /

  5. E

    [.....] DIE EHR UND TUGENDR[EICHE …….] / [ – – – ]

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1611 den 2. Februar starb selig Johannes Deuß, der in diesem Grab bestattet wurde. (A)

Wappen:
Deuß.5)

Kommentar

Die Inschriften der Vorderseite sind sorgfältig in Kapitalisbuchstaben mit erhöhten Kapitalisversalien im Blocksatz eingehauen. Die Buchstaben sind mit Sporen versehen, nur wenige sind durch Nexus litterarum miteinander verbunden. Der A-Versal am Anfang hat im Gegensatz zu den übrigen A einen gebrochenen Balken. Bei E ist der untere Balken verlängert, I ist mit einem kleinen Nodus ausgestattet, O leicht spitzoval. Bei R setzt die gerade Cauda am Bogen an, der wie bei B und P nicht bis zur Mitte des Schaftes herunterreicht. Y besteht aus einem kurzen linken und einem langen rechten Schaft, die durch einen Schrägschaft, der unten am linken und oben am rechten Schaft ansetzt, verbunden werden. Als Worttrenner dienen Quadrangel.

Inschrift A ist fast vollständig auf Latein verfasst, nur Bestandteile des Datums (DEN 2 FEBRVAR) sind auf Deutsch formuliert. Die Formel ANNO DOMINI wurde regelmäßig auch in deutschsprachigen Inschriften verwendet, dabei wurde die Tagesdatierung dann häufig auf Deutsch angegeben.6)

Die Inschriften der Rückseite wurden in schlanken, sorgfältig ausgeführten Kapitalisbuchstaben mit erhöhten Versalien eingehauen. Vereinzelt sind Buchstaben durch Nexus litterarum verbunden.

Johannes Deuß wurde zusammen mit seiner Frau 1589/90 mit dem Gut Stade an der Ruhr in Kettwig belehnt und betrieb dort ein Gasthaus, zudem war er Gastmeister im Armenhospital.7) Der Grabstein seiner Schwiegertochter Anna Borcken genannt Deuß (gest. 1625) und seines Sohnes Heinrich Deuß (gest. 1634) ist ebenfalls in der evangelischen Kirche am Markt vorhanden.8) Auf diesem Stein, auf dem sich Sterbeinschriften für mehrere Mitglieder der Familie Deuß-Benninghoven befinden, wurde das gleiche Bibelzitat verwendet. Die Kapitalisinschriften dieser beiden Inschriftenträger sind zu unterschiedlich, um einen Werkstattzusammenhang zu erschließen. Das Begräbnis Johannes Benninghovens ist in einem Kettwiger Kirchenbuch (Begräbnisse 1707–1807) erwähnt,9) über seine Ehefrau ist nichts bekannt. Die Familie Deuß-Benninghoven gehörte der Kettwiger Honoratiorenschicht an.10) Die Wiederverwendung eines Grabsteins ist gerade bei der Zweitverwendung für einen Familienangehörigen, wie es hier der Fall ist, nicht ungewöhnlich.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch hochgestellten Endbuchstaben.
  2. Ligatur in Form eines Y.
  3. Zeile zentriert.
  4. Sic! V mit ü-Punkten.
  5. Sic! Statt AUGUST.
  6. Sic!
  7. T auf dem erhöhten Rand eingehauen.
  8. Mit langem s.

Anmerkungen

  1. HStAD, Nachlass Frechen 3, S. 113. Die Überlieferung bei Brüggemann, Geschichte, S. 41, Anm. 1 ist zwar älter, aber weniger genau als die zeilenweise Überlieferung bei Frechen.
  2. Formelhaft, vgl. Schaller/Könsgen, Supplementband, Nr. 2571–2573, 2579; DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 249.
  3. Hi 14,5.
  4. 2 Ko 4,17: „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.“
  5. Marke Nr. 35.
  6. Glaser/Bornschlegel, Datierungen, S. 528ff.
  7. Urbare B, S. 738; Khil, Geschichte, S. 40; vgl. auch Nr. 174.
  8. Vgl. Nr. 161.
  9. Ev. Pfarramt Kettwig, Archiv, Kirchenbuch Kettwig, Begräbnisse 1707–1807, S. 21 (Fotokopie).
  10. Vgl. Nr. 161.

Nachweise

  1. HStAD, Nachlass Frechen 3, S. 113.
  2. Brüggemann, Gemeinde, S. 41, Anm. 1 (A).

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 145 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0014504.