Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 124 Werden, Schatzkammer St. Ludgerus 1565?

Beschreibung

Tafelbild.1) Öl auf Holz. Auf dem fast quadratischen Gemälde ist vor bewaldeter, hügeliger Landschaft die alttestamentliche Szene dargestellt, in der der Prophet Elias in der Wüste von einem Engel mit Brot und Wasser versorgt wird. Elias sitzt links im Vordergrund am Boden und ist durch eine Bildbeischrift (A) gekennzeichnet. Der Engel beugt sich halb über ihn und weist auf das von ihm mitgebrachte Brot und den Wasserkrug. Seine Aufforderung an Elias ist als Zitat (B) der betreffenden Bibelstelle entnommen. Die Inschriften wurden mit heller Farbe gemalt, der Versal von Surge wurde möglicherweise nachträglich rot übermalt. Die Beischrift steht waagerecht über dem Kopf von Elias, das Bibelzitat schwingt sich wie auf einem unsichtbaren Spruchband vom Mund des Engels nach unten.2) Im Hintergrund ist die Werdener Abtei mit ihrem charakteristisch gedrehten Vierungsturm dargestellt.

Maße: H. 188 cm; B. 177 cm; Bu. 1,2 cm (A), 1,3 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Kapitalisversalien.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. A

    Elias

  2. B

    Surge et comede. gra(n)dis // enim tibi restat via.3)

Übersetzung:

Steh auf und iss, denn ein weiter Weg liegt vor dir. (B)

Kommentar

Die gespaltenen Oberlängen wurden unterschiedlich sorgfältig ausgeführt: bei l in Elias ist die Spaltung deutlich zu sehen, bei b in tibi kaum, die Oberlängen der t sind wenig ausgeprägt, die Spaltung wirkt etwas unproportioniert. a ist immer kastenförmig. Die i-Punkte sind rund. Bei den d ist der Linksschrägschaft schwungvoll aufgemalt, genau wie der Bogen des g, dessen Brechung wenig deutlich ist.4) Die Schrift weist im Duktus und in Details der Buchstabengestaltung weitgehende Übereinstimmungen mit der Inschrift auf der Darstellung der Mannalese auf.5)

Beide Gemälde haben die gleichen Maße und wurden stets als zusammengehörig betrachtet und ins 16. Jahrhundert datiert,6) ihr Maler wurde im Umkreis Bartholomäus Bruyns des Älteren vermutet.7) Georg Rabeneck hat diese Gemälde als Erster in einen Zusammenhang mit einer ebenfalls in Werden befindlichen Abendmahlsdarstellung gebracht.8) Seiner Vermutung, diese drei Tafeln hätten zusammen mit zwei Leinwandgemälden mit Szenen aus dem Leben des heiligen Liudger9) ein Altarretabel gebildet, widersprach Peter Wallmann unter Hinweis auf die nicht zusammenpassenden Maße und Materialien.10) Von Eva Winkler wurde das Gemälde wenig überzeugend als Hinweis auf die 1570 abgerissene St. Johann-Baptist-Kapelle gedeutet.11) Ihre Überlegungen basieren auf der Bildkomposition und der möglichen Gleichsetzung von Elias mit Johannes Baptista. Wallmann bringt wie Rabeneck die beiden gleichformatigen Gemälde mit der querrechteckigen Darstellung des Abendmahls in Zusammenhang.12) Er konnte durch die Auswertung bislang nicht berücksichtigter Archivalien belegen, dass die Abendmahlsdarstellung 1565 von Bartholomäus Bruyn dem Jüngeren für das Refektorium des Werdener Klosters geschaffen wurden.

Sowohl die Darstellung der Speisung des Elias als auch die der Mannalese werden typologisch als Präfiguration der Eucharistie gedeutet.13) Dies wird durch das im Bild links dargestellte Brot und den Krug noch unterstrichen. Es ist durchaus naheliegend, einen Zusammenhang zwischen diesen drei im Bezug zur Eucharistie stehenden Gemälden zu sehen, deshalb wurde die Datierung der Abendmahlsdarstellung auch für das Bild der Eliasspeisung übernommen. Wallmann vermutet, dass auch die Eliasspeisung und die Mannalese im Refektorium aufgehängt waren.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 18.
  2. Vgl. auch die Gestaltung von Nr. 123 A.
  3. III Rg 19,7.
  4. Vgl. auch die Gestaltung der g in Nr. 123 A.
  5. Vgl. Nr. 123.
  6. Gisbertz, Oelgemälde, S. 55f. („nicht viel vor 1575“); KDM Essen, S. 96.
  7. [J. M.] Firmenich-Richartz, Art. Bruyn, Arnt, in: Thieme/Becker, Lexikon 5 (1911/12), S. 154; Tümmers, Altargemälde, S. 124, Nr. C 74; Kat. Essen 1999, S. 500, Nr. 363 (R. S[tephan-]M[aaser]); Winkler, Blick, S. 60f.
  8. Rabeneck, Verehrung, S. 278f.; vgl. Nr. 122.
  9. Vgl. Nr. 142.
  10. Wallmann, Tafelbilder, S. 335.
  11. Winkler, Blick, S. 56–59, sieht in den gedachten Verlängerungen der Dachschrägen der im Hintergrund des Gemäldes abgebildeten St. Johann-Baptist-Kapelle die Begrenzung eines Dreiecks, das Elias, als Präfiguration für Johannes Baptista, und den Engel direkt aufeinander bezieht. Sie deutet das Bibelzitat im Hinblick auf den abgebrochenen und an anderer Stelle wieder errichteten Johannesaltar, der ebenso wie Elias einen langen Weg zurückzulegen gehabt habe.
  12. Wallmann, Tafelbilder, S. 335f.
  13. E. Lucchesi Palli, L. Hoffscholte, Art. Elias, in: LCI 1 (1986), Sp. 607–613, besonders Sp. 609.

Nachweise

  1. Winkler, Blick, S. 56, mit Abb. 2.
  2. Wallmann, Tafelbilder, S. 333, mit Abb. 2, S. 334.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 124 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0012405.