Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 123 Werden, Schatzkammer St. Ludgerus 1565?

Beschreibung

Tafelbild.1) Öl auf Holz. Das fast quadratische Gemälde zeigt die alttestamentliche Szene der Mannalese, in der die Israeliten während des Auszugs aus Ägypten in der Wüste das vom Himmel regnende Manna aufsammeln. Das Bild vereint drei zeitlich nacheinander stattfindende Szenen in einer bewaldeten, hügeligen Landschaft, in der rechts einige Zelte der Israeliten zu sehen sind und im Hintergrund eine Stadt. In der oberen Bildhälfte in der Mitte befindet sich Mose, der flehend die Arme zu der über ihm schwebenden Gestalt Gottes erhebt. Die der Bibelstelle entnommene Antwort des Herrn (A) auf Moses Flehen schwingt sich wie auf einem unsichtbaren Spruchband von links nach rechts. Die Inschrift ist mit weißer Farbe aufgemalt. Das hostienförmige Manna regnet aus einer beleuchteten Wolkenöffnung oben rechts und wird in der Bildmitte von den Israeliten in Gefäßen gesammelt. Am rechten Bildrand sind Mose und Aaron zu sehen, gefolgt von einigen Männern. Mose weist auf die sammelnden Personen, er hält in seiner linken Hand ein weißes Spruchband mit dem zugehörigen, mit schwarzer Farbe gemalten Bibelzitat (B). Die dritte Szene spielt sich links im Vordergrund ab. Mose blickt sich zu dem hinter ihm stehenden Aaron um und weist mit der Hand auf den Mannaregen.2)

Maße: H. 188 cm; B. 177 cm; Bu. 1,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Kapitalisversalien.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    Ecce ego pluam vobis pane(m) de celo,3)

  2. B

    Iste est panis q[uem]a) / [do]minusb) dedit vobis ad vescen[dum]4)

Übersetzung:

Siehe, ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen. (A) Dies ist das Brot, das der Herr euch zu essen gab. (B)

Kommentar

Die beiden Inschriften weisen in der Ausführung zahlreiche Merkmale auf, die auch in den Inschriften auf dem Gemälde mit der Eliasspeisung festzustellen sind.5) Die zweistöckigen a sind kastenförmig (wie in Nr. 124) oder oben geschlossen ausgeführt. Die Brechung des unteren Bogens des g ist nicht sehr deutlich und wirkt eher rund und schwungvoll, genau wie der Linksschrägschaft bei d und die Unterlänge zweier p (in pluam und pane[m]). Die Oberlängen bei b, l und t sind gespalten, genau wie die Unterlänge an einem der beiden p. Der i-Punkt ist in Inschrift A rund (wie in Nr. 124), in Inschrift B als kleiner Quadrangel ausgeführt. Auffallend sind kleine Häkchen an der gegenüberliegenden Seite der gebrochenen Schäfte. Sie sind an allen vier Inschriften der beiden Gemälde festzustellen. In Inschrift B sind mehrere Übermalungen zu erkennen: Bei Iste sind mindestens I und s erneuert worden, bei [do]minus wohl mit Ausnahme des s alle Buchstaben.6) Dies ist an der leicht verwischten Farbe des weißen Schriftbands und den übertrieben großen Häkchen an den Brechungen zu sehen. Auch das letzte Wort der Inschrift wurde übermalt, deutlich zu sehen an dem aus zwei ungebrochenen Schrägschäften bestehenden v. Möglicherweise wurden noch weitere Stellen restauriert (z. B. bei pane[m]), an denen die weiße Farbe des Schriftbands unregelmäßig wirkt.

Die beiden gleichformatigen Gemälde mit Darstellungen der Mannalese und der Speisung des Elias weisen nicht nur Übereinstimmungen in der Schriftgestaltung auf, sondern auch im Stil und in der Thematik. Aus diesem Grund wurden sie stets als zusammengehörig betrachtet und beide dem Umkreis Bartholomäus Bruyns des Älteren zugeordnet.7) Die Mannalese und die Eliasspeisung können als typologische Präfigurationen der Eucharistie gedeutet werden.8) Die hostienartige Form des Mannas, die ab dem 15. Jahrhundert auch von anderen Darstellungen dieses Themas bekannt ist, unterstreicht diesen Zusammenhang. Georg Rabeneck äußerte deshalb die Vermutung, dass beide Bilder in Verbindung mit dem ebenfalls aus dem Werdener Kloster überlieferten Gemälde des Abendmahls stehen und zusammen mit den Darstellungen des Honigwunders und des Todes des heiligen Liudger ein Altarretabel bildeten.9) Peter Wallmann, der diese Überlegung aufgriff, widersprach zwar dem Zusammenhang mit den Gemälden zum Leben des heiligen Liudger, konnte aber anhand bislang nicht berücksichtigter Archivalien zeigen, dass die Abendmahlsdarstellung 1565 von Bartholomäus Bruyn dem Jüngeren für das Refektorium gemalt wurde.10) Seine Vermutung, alle drei Bilder seien von diesem Maler für das Refektorium hergestellt worden, ist überzeugend, weshalb die Datierung des Abendmahlsgemäldes auch für die beiden anderen Bilder übernommen wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Das Spruchband ist nicht vollständig dargestellt, sondern stößt an den Bildrand an. Die in Klammern ergänzten Buchstaben würden sich auf dem nicht sichtbaren Teil des Schriftbandes befinden.
  2. Die in Klammern ergänzten Buchstaben würden sich auf dem geschwungenen und deshalb nicht sichtbaren Teil des Schriftbandes befinden. Das Wort ist mit Ausnahme des s übermalt, es war ursprünglich vermutlich zu dns gekürzt. Über dem u sind noch die übermalten Reste eines Kürzungsstrichs zu sehen.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 17.
  2. Diese Szene zeigt wohl die Aufforderung Moses an Aaron, als Zeichen der Fürsorge Gottes für die nachfolgenden Generationen Manna in einen Krug zu füllen, vgl. Ex 16,33.
  3. Ex 16,4.
  4. Ex 16,15.
  5. Vgl. Nr. 124.
  6. Vgl. Anm. b.
  7. [J. M.] Firmenich-Richartz, Art. Bruyn, Arnt, in: Thieme/Becker, Lexikon 5 (1911/12), S. 154; Tümmers, Altargemälde, S. 124, Nr. C 74; Kat. Essen 1999, S. 500, Nr. 363 (R. S[tephan-]M[aaser]); Winkler, Blick, S. 60f.
  8. J. Paul, W. Busch, Art. Manna, Mannalese, in: LCI 3 (1971), S. 150–154; E. Lucchesi Palli, L. Hoffscholte, Art. Elias, in: LCI 1 (1986), Sp. 607–613, bes. Sp. 609.
  9. Rabeneck, Verehrung, S. 278f.
  10. Wallmann, Tafelbilder, S. 366.

Nachweise

  1. Wallmann, Tafelbilder, S. 335, mit Abb. 3, S. 334.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 123 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0012308.