Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 112† † Äbtissinnenbau, Kapitelsaal 1550

Beschreibung

Wandmalereien. Von mehreren Darstellungen verstorbener Essener Äbtissinnen sind im Äbtissinnenkatalog in den Farragines der Brüder Gelenius nur die Sterbevermerke als Bildbeischriften zum Tod der Äbtissinnen Sophia von Gleichen (gest. 1489) (A) und Meina von Daun-Oberstein (gest. 1525) (B) überliefert.

Nach HAStK, Best. 1039 (Farragines Gelenii).

  1. A

    Abbatissa pia de Gleichen nata Sophia Oswaldi moritur prô cras Sixti sepelitur

  2. B

    [ – – – ] anno 1522a) quinto die mai hora 10 ante meridiem [ – – – ]

Übersetzung:

Die fromme Äbtissin Sophia, geborene von Gleichen, ist gestorben am Oswalditag und wurde – ach! – am nächsten Tag, am Tag des heiligen Sixtus, begraben. (A) (…) im Jahre 1522 am 5. Mai zur zehnten Stunde vor Mittag (…). (B)

Versmaß: Hexameter, leoninisch zweisilbig rein gereimt (A).

Datum: 5. und 6. August (A), 5. Mai (B).

Kommentar

Die Ausschmückung des Kapitelsaals mit Bildnissen verstorbener Essener Äbtissinnen wurde von der Äbtissin Sibylla von Montfort 1550 in Auftrag gegeben.1) Zugehörige Inschriften sollten Todestag, -monat und -jahr überliefern. Die Reihe reichte zurück bis zu Elisabeth von Beeck (gest. 1445), die den Äbtissinnenbau mit dem Kapitelsaal wiederherstellen ließ.2) Die Existenz der Gemälde ist bislang nur bei Jodocus Nünning bezeugt, einige der Inschriften sind nur im Äbtissinnenkatalog in den Farragines Gelenii erwähnt bzw. überliefert. Sicher ist, dass von den Äbtissinnen Elisabeth von Saffenberg (gest. 1459),3) Sophia von Gleichen,4) Meina von Daun-Oberstein,5) Katharina von Tecklenburg (gest. 1560)6) und Maria von Spiegelberg (gest. 1561)7) Bildnisse mit Inschriften vorhanden waren, denn die Überlieferung ihrer Todestage wird mit „Vffen großen salet stehet“ o. ä. eingeleitet. Da die Daten aber auf Deutsch überliefert werden, ist nicht davon auszugehen, dass hier Inschriften teilweise im Wortlaut wiedergegeben wurden, es werden vermutlich nur die in den Inschriften enthaltenen Informationen mitgeteilt. Die Reihe wurde auch nach 1550 fortgesetzt, wie der Hinweis auf die Inschriften für Katharina von Tecklenburg und für Maria von Spiegelberg zeigt.

Sophia von Gleichen, Schwester des Werdener Abtes Konrad von Gleichen (1452–1478), ist 1445 als Thesauraria des Essener Stifts nachweisbar,8) 1459 wurde sie zur Äbtissin gewählt.9) In ihrer Amtszeit wurde 1471 die Johanneskirche durch einen Neubau ersetzt.10) Wie einige ihrer Vorgängerinnen lebte sie zeitweise in der Äbtissinnenresidenz in Borbeck, wo sie auch Münzen prägen ließ.

Nach dem Tod Sophias von Gleichen kam es in Essen zu einer Doppelwahl: Während Meina von Daun-Oberstein vom Kanonikerkapitel gewählt und von Herzog Johann von Kleve unterstützt wurde, stimmte die Mehrheit des Damenkapitels für ihre Konkurrentin Irmgard von Diepholz (gest. 1505). Der Streit zog sich über sechs Jahre hin und hatte verheerende Auswirkungen auf die Stadt und das Stift, es kam zu zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien.11) Meina konnte sich als Äbtissin behaupten, musste ihrer Konkurrentin aber einen Teil ihrer Einkünfte überlassen. Aus Altersgründen (die Äbtissin war zu dieser Zeit etwa 78 Jahre alt) war ihr ab 1520 eine Coadjutorin zur Seite gestellt, Margareta von Beichlingen, die 1521 zu ihrer Nachfolgerin bestimmt wurde. Meina starb am 5. Mai 1525, bei der Angabe der Jahreszahl in den Farragines handelt es sich wohl um eine Verlesung. Eine weiterer inschriftlich ausgeführter Sterbevermerk befand sich vermutlich bei ihrem Grab neben dem Magdalenenaltar.12)

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Müller, Geschichtsschreibung, S. 31.
  2. Ebd. Der Äbtissinnenbau wurde wahrscheinlich durch den Brand, der 1439 den Chor zerstörte, in Mitleidenschaft gezogen, vgl. Grevel, Abteigebäude, S. 60.
  3. HAStK, Best. 1039 (Farragines Gelenii) 8, fol. 484v: „Ist gestorben den 21 August a(nn)o 1456. Vff großen Salet stehet a(nn)o 1459.“
  4. Ebd., fol. 485r: „Vff salet findet man diese wort:“ Inschrift A.
  5. Ebd., fol. 485v: Nachtrag am Rand: „Vff große Salet stehet:“ Inschrift B.
  6. Ebd., fol. 487r: „Vffen großen salet stehet daß Sie gestorben sei a(nn)o 1561 Satertags (am Rand: nach Invocavit) den 19. Marty.“
  7. Ebd., fol. 487v: „Uff dem großen Salet Vff der Abtei Zu Essen findet man daß diese Abtissin sei gestorben a(nn)o 1561 Saterdach den 13 (novem)bris 10 Uhrn vormittags.“
  8. HStAD, Stift Essen, Urkunden, Nr. 1327 (1445 Juni 12). Zu ihrer Familie vgl. Schwennicke, Stammtafeln N. F. 19, Tf. 99.
  9. HStAD, Stift Essen, Urkunden, Nr. 1415 (1459 November 13).
  10. Seemann, Aebtissinnen, S. 16.
  11. Zu dem Äbtissinnenstreit vgl. auch Nr. 94, außerdem Eger, Herrscherinnen, S. 128–135; Küppers-Braun, Macht, S. 90f.
  12. Vgl. Nr. 102.

Nachweise

  1. HAStK, Best. 1039 (Farragines Gelenii) 8, fol. 485rv.
  2. BSBM, Cgm 2213 (Slg. Redinghoven) 17, fol. 197v (Abschrift nach Farragines Gelenii).
  3. Ribbeck, Necrologium, S. 47, Anm. 1.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 112† (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0011205.