Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 92 Domschatzkammer 1501, 1569

Beschreibung

Kelch. Silber vergoldet, getrieben, gegossen, graviert.1) In die Unterseite des Sechspassfußes mit gekehlt profilierter Zarge ist ein Sterbevermerk (A) (als Stiftervermerk) umlaufend graviert, auf der Oberseite ein Renovierungsvermerk mit Amtsträgernennung (B). In einem Kreisbogensegment ist der Kruzifixus dünn graviert. Der schlanke, sechsseitige Schaft ist mit gravierten Maßwerkfenstern verziert. Der flachkugelige Nodus hat sechs mit plastischen Blüten verzierte Rotuli und gravierte Maßwerkzungen. Die Kuppa ist weit und schlicht.

Maße: H. 18,5 cm; Dm. 15 cm (Fuß), 10 cm (Kuppa); Bu. 0,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/12]

  1. A

    OBIIT · MARGR/ETA · VXOR · BER/NARDI · DE · SC/HOILL · ANNO / 1 ·5 ·0 ·1a)

  2. B

    D(OMINVS) · WIRICVS · HILT/ROPF VICARI(VS) · ALTA/RIS · SANCTI · PET/RI · REPARARI · FE/CIT · ANNO · 1 · 5 · 6 · 9b)

Übersetzung:

Margreta, Ehefrau von Bernard von Schoill, starb im Jahre 1501. (A) Herr Wirich Hiltrop, Vikar am Altar des heiligen Petrus, ließ (den Kelch) im Jahre 1569 reparieren. (B)

Kommentar

Inschrift A ist tief graviert; Inschrift B ist sorgfältig, aber nur schwach graviert. Als Worttrenner dienen in beiden Inschriften Quadrangel mit vier oder zwei ausgezogenen Zierlinien. Auf den Graten des Fußes wurden Früchte und Blätter graviert. In beiden Inschriften zeigt die Schrift leichte Tendenzen zur frühhumanistischen Kapitalis, so ist z. B. A fast immer mit beidseitig überstehendem Deckbalken und N mit geschwungenem, links überstehendem Schrägschaft gestaltet. Besondere Formen zeigen in Inschrift A das konische M, dessen Mittelteil nur bis zum oberen Drittel der Schäfte herunterreicht, und das X, bestehend aus zwei geschwungenen Bögen. Beim E in MARGRETA stehen der obere und der untere Balken besonders weit nach links über, die Mittelbalken sind bei allen E sehr kurz. Bei T reicht der Balken weit nach rechts. Bei den R in beiden Inschriften berühren sich Cauda und Bogen meist nicht, in Inschrift B schließt auch der Bogen meist nicht an den Schaft an. In Inschrift B ist H mit nach unten ausgebuchtetem Balken ausgeführt. Die Schaft- und Bogenenden in Inschrift A sind teilweise mit kurzen, geraden Sporen ausgestattet, bei Inschrift B sind nur vereinzelte gerade Sporen zu erkennen.

Die Formen des Kelchs (besonders die kleinen Manschetten, der tauartig gestaltete Ring sowie die Rotuli mit plastischen Blüten) finden sich bei einem sehr ähnlichen Stück, das von kunsthistorischer Seite aus stilistischen Gründen ins zweite Viertel des 15. Jahrhunderts datiert wird und vermutlich in Nimwegen oder Kleve entstand.2) Eine zeitgleiche Herstellung von Kelch und Inschrift ist also nicht mit Sicherheit zu belegen, schon Georg Humann bemerkte, der Kelch sei nach Aussage der Inschriften „jünger, als man seinen Formen nach schließen möchte.“3)

Bernd van Schoill wurde 1500 in die Essener Kaufleutegilde aufgenommen.4) Wirich Hiltrop wurde in den 1530er Jahren in Essen geboren.5) Als Essener Kanoniker und Inhaber verschiedener Ämter wie z. B. des Kellneramts der acht alten Altaristen, als Werkmeister der Münsterkirche und als Dekan des Kanonikerkonvents begegnet er in zahlreichen Urkunden.6) 1558 wurde er zum Vikar am Petrusaltar ernannt, für den er auch den Kelch reparieren ließ.7) Auch Ende des 18. Jahrhunderts war der Kelch noch am Petrusaltar in Gebrauch.8) Wirich Hiltrop war als Geschichtsschreiber tätig, von seinen Werken sind ein kurzer Äbtissinnenkatalog9) und Fragmente einer ‚Historia Essendiensis’ bekannt, sein Diarium gilt mit Ausnahme kurzer Passagen als verschollen. Er starb am 7. oder 8. Oktober 1617.10)

Textkritischer Apparat

  1. Danach eine lange Zierranke als Zeilenfüller.
  2. Auf den Graten des Fußes wurden zwischen den Buchstaben Früchte graviert.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 51. Bei einer Inventarisierung 1797 wurde auf und unter dem Fuß die Zahl 13 eingeschlagen, vgl. Pothmann, Kirchenschatzverzeichnis, S. 29.
  2. Fritz, Goldschmiedekunst, S. 253, Nr. 478.
  3. Humann, Kunstwerke, S. 349.
  4. Burghard, Bücher, S. 94.
  5. Zur Biographie Wirich Hiltrops und zu seinem historiographischen Werk vgl. Müller, Geschichtsschreibung, S. 58–64.
  6. Vgl. die Registereinträge zu „Hiltrop, Wirich“ in Schaefer/Arens, Urkunden, und Müller, Urkundenbestand.
  7. HStAD, Stift Essen, Urkunden, Nr. 1885 (1558 August 31).
  8. Pothmann, Kirchenschatzverzeichnis, S. 29. Der Petrusaltar im Westbau wurde Mitte des 18. Jh. abgebrochen, vgl. Arens, Liber ordinarius, S. 268.
  9. Hiltrop, Catalogus, passim.
  10. Tönnissen, Verzeichnis, S. 189; Aders, Chronik Ursinus, S. 234f.; Müller, Geschichtsschreibung, S. 59; ders., Memorienkalender, S. 171.

Nachweise

  1. Humann, Kunstwerke, S. 349.
  2. Arens, Münsterkirche, S. 69f.
  3. Küppers/Mikat, Münsterschatz, S. 83.
  4. Müller, Geschichtsschreibung, S. 59.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 92 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0009203.