Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 76 Privatbesitz 1475–um 1484

Beschreibung

Glocke des Gießers Herman van Alfter. Bronze. Sie stammt möglicherweise aus der 1447 erstmals erwähnten Antoniuskapelle bei ‚Haus Oefte’ in Kettwig.1) Die Krone ist mit kordelartigem Muster verziert, auf der flachen Haube befinden sich zwei Stege. Inschrift A mit Glockenrede (Glockenname, Widmung und Meisterinschrift) verläuft einzeilig zwischen je zwei Stegen um die Schulter. Am Mantel sind ein Pilgerzeichen (Dm. 5,0 cm) mit einer Anrufung als Umschrift (B) und ein Relief der Muttergottes mit Kind (H. 4,5 cm) zu sehen. Der Wolm ist mit einem Drillingssteg, der Schlagring mit einem Doppelsteg ausgestattet.

Maße: H. 43 cm (ohne Krone); Dm. 54,7 cm; Bu. 2 cm (A), 0,4 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), gotische Minuskel mit Versalien (B).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/7]

  1. A

    · nichaela) ·heis · ich · in · de · ere · gotz · lvdt ·ich · herman · van · alfter · govs · mich ·

  2. B

    ·S[anc]t(us) ·Quiṛ[in//us] · // protexit ·[…]

Übersetzung:

Der heilige Quirinus beschützt (…). (B)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Kommentar

Die Ausführung von Inschrift A ist von mittlerer Qualität. Die Buchstabenkanten sind teilweise zerdrückt, beispielsweise bei herman und alfter. Unsaubere Kanten sind auch an den ursprünglich rautenförmigen Anfangs- und Schlusszeichen sowie den gleich gestalteten Worttrennern zu entdecken, von denen einige ganz plattgedrückt sind. Die Brechungen sind teilweise rund geraten, was aber mehr ein Problem des Gusses als der ursprünglichen Buchstabenform ist. Die Schrift ist zwar schmal proportioniert, wirkt aber durch die kräftigen Schattenstriche, die deutlich breiter als die Schaftzwischenräume sind, wuchtig und etwas plump. An g ist rechts eine senkrechte Zierlinie angesetzt. Die Fahne des r läuft in eine Zierlinie aus. Bei h ist der Bogen leicht nach unten verlängert. v ist mit Oberlängen am linken Schaft ausgestattet. Inschrift B ist sehr klein ausgeführt und auch deshalb schwer lesbar.2) Als Worttrenner wurden vier- bis sechsblättrige Blüten verwendet.

Von dem Kölner Gießer Herman van Alfter sind Glocken aus dem Zeitraum von 1448 bis 1484 bekannt.3) Das Formular der Inschrift mit N. N. heis ich, in de ere gotz ludt ich, herman van alfter gous mich findet sich in verschiedenen Schreibweisen auf zahlreichen seiner Glocken, beispielsweise auf zwei Glocken aus St. Cäcilia in Düsseldorf-Benrath.4) Auch die Verwendung von Pilgerzeichen ist typisch für diesen Gießer, drei Viertel aller bekannten von ihm gegossenen Glocken sind damit ausgestattet.5) Das Pilgerzeichen auf der Flanke stammt aus Neuss und zeigt den heiligen Quirinus mit Lanze und Schild und zwei Wappenschilden. Für das Pilgerzeichen (und damit auch für die Glocke) lässt sich anhand der beiden Wappen, des alten und des neuen Neusser Stadtwappens, ein Terminus post quem festlegen, da das neue Wappen den Reichsadler zeigt, den Friedrich III. der Stadt 1475 nach der erfolgreich abgewehrten Belagerung durch Karl den Kühnen verlieh.6) Neusser Pilgerzeichen waren besonders stark verbreitet, der hier verwendete runde Typus war bislang allerdings nur in zwei kleineren Varianten (Dm. 2,6 cm und 2,8 cm) bekannt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Denkbar ist allerdings auch, dass sie von einem der späteren Besitzer des Hauses erworben wurde.
  2. Ich danke Harald Drös, Heidelberg, für die Entzifferung der Inschrift.
  3. Poettgen, Glockenguss, S. 107.
  4. KDM Düsseldorf, S. 83. Die Inschrift der Cäcilienglocke ist nur abschriftlich überliefert.
  5. Poettgen, Glockenguss, S. 107.
  6. Kat. Brüssel/Köln 1972 1, S. 156, Nr. VIII 42–46 (K. K[öster]). Das Pilgerzeichen entspricht in etwa dem bei Köster, Pilgerzeichen, S. 20f., vorgestellten Typ D, weicht allerdings in Details ab.
  7. Vgl. dazu die über eine Datenbank zugängliche Pilgerzeichenkartei von Kurt Köster: www.pilgerzeichen.de (besucht am 16.122008).

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 76 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0007604.