Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 51 Domschatzkammer E. 13.–A. 14. Jh.

Beschreibung

Altarsepulchrum mit Deckel.1) Blei. Das Kästchen und der Deckel sind aus Bleiblech gefaltet und an den Ecken verlötet.2) In die Oberseite des Deckels ist eine Reliquienbezeichnung (A) eingeritzt, in die Unterseite des Bodens und in eine Außenseite ein Heiligenname (als Altarzugehörigkeitsvermerk?) (B, C), rechts daneben eine römische Zahl (D). In dem Bleikästchen befinden sich ein Siegelabdruck des Kölner Weihbischofs Hermann von Samland, zahlreiche in Stoff gehüllte Reliquien und zwei Reliquienauthentiken.3) Eine davon benennt Haare der Jungfrau Maria. Das Altarsepulchrum war wahrscheinlich in den Martinsaltar eingelassen.

Maße: H. 4,5 cm; L. 9,3 cm; B. 7 cm (Kästchen); H. 1,5 cm; L. 9,5 cm; B. 7 cm (Deckel); Bu. 0,3 cm (A), 0,6 cm (B), 1 cm (C), 0,3 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.4)

Domschatz Essen [1/3]

  1. A

    De crinibus beate virginis / marie · De cosma et dami/ano · De vestibus sanctisimia) / ioha(n)nis baptiste / etb) aliorum sanctorum

  2. B

    Martini ep(iscop)i

  3. C

    Martini

  4. D

    X

Übersetzung:

Von den Haaren der seligen Jungfrau Maria, von Cosmas und Damian, von den Kleidern des sehr heiligen Johannes Baptista und von anderen Heiligen. (A)

Kommentar

Inschrift A ist gleichmäßig mit eckigem Duktus eingeritzt. Wie bei den anderen Reliquienbezeichnungen an Essener Altarsepulchren wurde auch hier eine Buch- und Urkundenschrift verwendet. Die Bezeichnung ‚gotische Minuskel’ ist in diesem Sinne zu verstehen. Die Schrift ähnelt der auf der noch lesbaren Reliquienauthentik und stammt vielleicht von der gleichen Hand wie die Inschrift auf Nr. 52. Die Präposition De, die die Reliquienbezeichnungen einleitet, beginnt mit schwungvoll ausgeführtem Versal. Als Worttrenner dienen ein Punkt und ein kurzer senkrechter Strich. Beim e ist der Balken verlängert, t ist ohne Oberlänge ausgeführt. Die Genitivendung auf -ae ist durchweg nur als -e ausgeführt. d tritt in seiner runden Form auf. Der Bogen des h ist unter die Grundlinie heruntergezogen. Zwischen der genauen Angabe der Reliquien und der Sammelangabe et aliorum sanctorum wurde Platz gelassen, vielleicht für Ergänzungen. Die Inschriften B und C auf den Außenseiten beginnen beide mit unzialem links geschlossenem M. Ob sie von derselben Hand stammen ist wegen der flüchtigen Ausführung, besonders von Inschrift B, nicht mit Sicherheit zu sagen. Alle drei Inschriften können anhand der Schrift zeitlich etwa gleichzeitig in den Zeitraum vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts eingeordnet werden. Die Inschriften auf der Unter- und Außenseite des Altarsepulchrums deuten wahrscheinlich wie an anderen Essener Bleireliquiaren dieser Art auf die Altarzugehörigkeit hin.5) Eine einzelne römische Zahl wurde auch bei Nr. 34 eingeritzt, die Bedeutung und die zeitliche Einordnung sind nicht geklärt.6)

Reliquien von den Haaren der Jungfrau Maria, von Cosmas und Damian sowie nicht weiter spezifizierte Reliquien von Johannes Baptista sind schon in dem größten mittelalterlichen Altarsepulchrum der Essener Stiftskirche, das wahrscheinlich im Hauptaltar im Hochchor eingelassen war, enthalten.7) Es ist anzunehmen, dass daraus Reliquien entnommen und in dieses Bleireliquiar überführt wurden. Der Martinsaltar wurde laut dem Brüsseler Äbtissinnenkatalog 1311 im Hochchor errichtet,8) möglicherweise handelte es sich dabei aber auch um eine Neugründung oder -dotierung des Altars. Darauf weist die Existenz eines weiteren Altarsepulchrums hin, das vielleicht schon im 11. Jahrhundert mit der Inschrift MARTINVS als Hinweis auf die Altarzugehörigkeit versehen wurde.9) Das in dem Bleireliquiar aufbewahrte Siegel des Kölner Weihbischofs Hermann von Samland lässt vermuten, dass das Altarsepulchrum in dessen Amtszeit zwischen 1283 und 1303 in einen Altar eingelassen10) und aus diesem Anlass auch beschriftet wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Die letzte Zeile ist deutlich durch zwei Leerzeilen abgesetzt.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 233 (E/r10).
  2. Diese Technik ist auch für das Altarsepulchrum Nr. 52 verwendet worden.
  3. Eine Ampulle mit roter, eingetrockneter Flüssigkeit befand sich laut dem von Prälat Alfred Pothmann verfassten maschinenschriftlichen Inventar der Essener Altarsepulchren, das mir freundlicherweise von Birgitta Falk, Domschatz Essen, zur Verfügung gestellt wurde, ebenfalls in diesem Behältnis. Heute befindet sich die Ampulle in Nr. 35.
  4. Die Schriftbezeichnung ist im Sinne der Buch- und Urkundenschrift zu verstehen.
  5. Vgl. solche Inschriften auch bei Nr. 29, 34, 35.
  6. Röckelein, Reliquienbehältnisse, S. 123.
  7. Vgl. Nr. 17.
  8. Seemann, Aebtissinnen, S. 10.
  9. Vgl. Nr. 29.
  10. Röckelein, Reliquienbehältnisse, S. 118.

Nachweise

  1. Röckelein, Reliquienbehältnisse, S. 145, mit Abb. 16–19, S. 132ff.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 51 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0005107.