Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 47 Dom, Westturm E. 13. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze, Gewicht ca. 1200 kg, Schlagton fis1 -1.1) Sie hängt als erste Glocke von Westen im Westturm. Die Krone hat sechs Henkel in Doppelkreuzstellung, die Haube ist flach abfallend. Die Glockenrede mit Funktionsbezeichnung verläuft an der Schulter zwischen je zwei gerundeten Zwillingsstegen. Über dem Wolm verläuft ein Wulst zwischen zwei kleineren Rundstegen.

Maße: H. 100 cm (ohne Krone); Dm. 128 cm; Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/7]

  1. + (CH)RISTVMa) · DE · LIGNO · CLAMANTEMb) · DVM · SONO · SIGNO

Übersetzung:

Während ich ertöne, drücke ich den vom Kreuz rufenden Christus aus.

Versmaß: Hexameter, leoninisch zweisilbig rein gereimt.

Kommentar

Die qualitätvolle Inschrift ist in – freilich sehr flächiger – Wachsfadentechnik hergestellt, dadurch erklärt sich auch die gerundete Oberfläche der Buchstaben. Diese wurden variantenreich ausgewählt, kapitale sowie unziale und runde Formen wurden bei M, N und T verwendet, L ist mit geradem Balken mit großem dreieckigem Sporn und mit markant gewölbtem Balken und kurzem Schaft ausgeführt. Während das erste A trapezförmig, flachgedeckt und mit Linksschrägenverstärkung gestaltet ist, erinnert das zweite A durch die leichte Bogenschwellung des linken Schafts und die daran anschließende ausgezogene, umgebogene Zierlinie an das pseudounziale A. Wie diese Zierlinie sind die Enden mancher Bögen und Cauden, z. B. beim unzialen M, beim runden T und beim L in CLAMANTEM, eng eingerollt. E ist unzial ausgeführt, aber noch nicht geschlossen. Die dünnen Schrägschäfte des kapitalen M sind fast senkrecht und berühren weder einander noch die Schäfte. Der kräftige Schrägschaft des N setzt teils unverbunden neben den Schäften an. Die sorgfältige Gestaltung der Buchstaben ist auch an den ausgeprägten Sporen fast aller Buchstaben, den über Schaft oder Balken gelegten Nodi an I, unzialem E und L, den links neben den Schaft gesetzten Halbnodi bei I, L, P und R sowie den Bogenschwellungen bei D, O, unzialen M und runden N und T sowie bei S zu beobachten. Das Invokationskreuz ist als Schneckenkreuz ausgeführt, die Kreuzschäfte bestehen aus je zwei dünnen Schäften, die nach außen eingerollt sind, in der Mitte des Kreuzes befindet sich ein Nodus. Als Worttrenner dienen halbkugelförmige Punkte. Die Inschrift lässt sich in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der campanologischen Untersuchung an das Ende des 13. Jahrhunderts datieren,2) auch wenn Merkmale wie die Verwendung vieler unzialer und runder Formen, Bogenschwellungen, ausgeprägte Sporen und ausgerundetes D bereits die späteren Entwicklungen andeuten und die Glocke sehr fortschrittlich erscheinen lassen.

Bei CHRISTVM wurden die griechischen Buchstaben XP, die eigentlich den ganzen Namen Christi abgekürzt wiedergeben, als Ersatz für die Buchstaben CH eingesetzt. Diese Schreibweise findet sich z. B. auch auf einem Ostensorium von 1385 in der Domschatzkammer.3)

Die Glockenrede ist bislang nur für die Essener Glocke bezeugt.4)

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Buchstabenbestand in griechischen und lateinischen Buchstaben: XPRISTVM. Damit ist R doppelt ausgeführt, als griechischer (P) und als lateinischer (R) Buchstabe.
  2. Retrogrades N.

Anmerkungen

  1. Stens, Glocken, S. 283.
  2. Ebd.
  3. Vgl. Nr. 59.
  4. Walter, Glockenkunde, S. 200, Anm. 2.

Nachweise

  1. Müller, Geschichtsschreibung, S. 42 (= Nünning).
  2. KDM Essen, S. 53.
  3. Kraus, Inschriften 2, S. 296, Nr. 646.
  4. Walter, Glockenkunde, S. 200.
  5. Feldens, Glocken, S. 82.
  6. Aders, Glocken, S. 146.
  7. Stens, Glocken, S. 287, mit Abb. 3–5, S. 286f.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 47 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0004703.