Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 21 Domschatzkammer 1058

Beschreibung

Grabtafel der Äbtissin Theophanu.1) Kalkstein. In die querrechteckige Platte ist ein dreizeiliger Sterbevermerk eingehauen. Die Tafel wurde bei den Grabungen 1951–1953 dem Sarkophag in der Theophanu-Grabkammer entnommen.2) Die Grabkammer befand sich östlich der von Theophanu in Auftrag gegebenen Krypta.

Maße: H. 21,5 cm; B. 51,5 cm; Bu. 1,6–2,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. · III · NO(NAS) · MART(II) · OBIIT · THEOPHANV · / ABB(ATISS)A · FILIA · MAHTHILDIS · FI/LIE · OTTONIS · S(E)C(VN)DI · IMPERATOR(IS)a)

Übersetzung:

Am 3. Tag vor den Nonen des März starb Äbtissin Theophanu, Tochter Mathildes, der Tochter Kaiser Ottos des Zweiten.

Datum: 5. März

Kommentar

Die Inschrift ist rein kapital bestimmt, runde Formen wurden nicht verwendet. Die Buchstaben sind meist mit Sporen ausgestattet und z. T. mit leichten Bogenverstärkungen bei C, O und S gestaltet. Gleiche Buchstabenformen können unterschiedlich proportioniert oder in Details anders gestaltet sein. So ist B in OBIIT schmal mit zwei gleich großen Bögen ausgeführt, in ABB(ATISS)A dagegen mit einem kleineren oberen Bogen. R ist mit kurzer Cauda ausgestattet, die am Bogen nahe am Schaft ansetzt wie in MART(II) oder deutlich unter dem Bogen direkt am Schaft wie in IMPERATOR(IS). Erwähnenswert ist die asymmetrische Form von V, dessen rechter Schrägschaft senkrecht, der linke in einem 45°-Winkel ausgeführt ist. Hier hat der Steinmetz zunächst irrtümlich ein N eingehauen, dessen linker Schaft aber nicht bis zur Kerbe durchgeschlagen wurde. Die Grabtafel liefert ein anschauliches Beispiel dafür, dass unterschiedliche Buchstabenproportionen innerhalb einer Inschrift vorkommen können: In der mittleren Zeile sind die Buchstabenhöhen und -abstände ausgeglichener als in den beiden anderen Zeilen. Der Name THEOPHANV weist, wie auch in Nr. 13 und Nr. 18, einen Nexus litterarum auf, der sich hier allerdings über drei Buchstaben (THE) erstreckt. Als Worttrenner dienen halbkugelig vertiefte Punkte auf der Zeilenmitte.

Wie auch in der Inschrift auf dem von Theophanu gestifteten Vortragekreuz (Nr. 18) ist in der Grabschrift der Äbtissin ihre Abstammung von der Familie der Ottonen, insbesondere von ihrem Großvater, Kaiser Otto II., betont. Auch in einer Erinnerungsinschrift für Theophanus Schwester Ida (gest. 1060), Äbtissin des Kölner Stifts St. Maria im Kapitol, die 1766 wohl auf Grundlage einer älteren Vorlage verfasst wurde, wird auf die Verwandtschaft zu den Ottonen hingewiesen,3) genau wie in der Brauweiler Grabschrift der Mutter der beiden Äbtissinnen, der Pfalzgräfin Mathilde. Dort werden deren Großvater (Otto I.), deren Vater (Otto II.) und deren Bruder (Otto III.) genannt und ihre Abstammung von diesem „nobilius genus“ betont.4) Der Hinweis auf die familiäre Herkunft ist in Inschriften des Totengedenkens besonders dann zu finden, wenn die Verwandtschaft zur Herrschersippe betont werden soll.5)

Das Todesjahr der Äbtissin ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, vermutlich starb Theophanu am 5. März 1058.6) Sie wird zuletzt in einer nach dem 3. März 1056 ausgestellten, nur noch abschriftlich überlieferten Urkunde für das Stift Gerresheim, dem sie ebenfalls als Äbtissin vorstand, genannt.7) Ihre mutmaßliche Nachfolgerin, Äbtissin Svanhild, begegnet zum ersten Mal 1073.8) Laut dem Liber ordinarius wurden die Anniversarien für Theophanu am ersten Donnerstag des Monats März gefeiert,9) es ist zu vermuten, dass die Äbtissin an diesem Wochentag starb. Für den Zeitraum von 1056 bis 1073 fällt der 5. März nur in den Jahren 1058 und 1069 auf einen Donnerstag.

Die Äbtissin wurde in einer Grabkammer, die sich am Scheitelpunkt der von ihr in Auftrag gegebenen Krypta befindet, bestattet.10) Die Grabkammer wurde nachträglich an die 1051 geweihte Krypta angefügt.11) Für ihr Totengedenken hat die Äbtissin mit einer umfangreichen Stiftung Vorsorge getroffen. In einer Memorial-Verfügung ist detailliert aufgelistet, welche Summen Theophanu für Seelenmessen und andere Elemente des liturgischen Totengedenkens sowie für Almosen gibt.12)

Textkritischer Apparat

  1. Zwei Kürzungsstriche über O und R.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. 9b.
  2. Zimmermann, Münster, S. 106f., 148.
  3. Wesenberg, Herimannkreuz, S. 169; Text in KDM Köln 2, S. 246f.
  4. Otto auus, Otto pater fuerant huic Ottoque frater, sub quis Roma potens subdidit omne nocens, hec huius tecti structrix, dux femina facti, Mathilt nobilius suscipit inde genus. (…). Nach Stiene, Carmina, S. 39.
  5. Fuchs, Fromme Männer, S. 100; vgl. DI 70 (Stadt Trier 1), Nr. 65, Anm. 12.
  6. Zimmermann, Münster, S. 52; Kahsnitz, Svanhild, S. 34f.; Fremer, Theophanu, S. 55f.; Bodarwé, Sanctimoniales, S. 59.
  7. Rhein. UB 2, Nr. 184 (nach 1059 März 3).
  8. UB Niederrhein 1, Nr. 217 (1073 Januar 29); Essener UB 1, Nr. 31.
  9. Arens, Liber ordinarius, S. 121. Die Bezeichnung des Wochentags für die Feier der Anniversarien ist ungewöhnlich, für die an derselben Stelle genannten Anniversarien anderer Essener Äbtissinnen sind Heiligentage angegeben.
  10. Zimmermann, Münster, S. 148.
  11. Lange, Krypta, S. 178–181, vermutet, dass Theophanu sich ursprünglich in der Familiengrablege in der Abtei Brauweiler bestatten lassen wollte, und dass die Grabkammer deswegen erst nachträglich errichtet wurde. Horch, Memorial-Urkunde, S. 201f., hält dies angesichts von Theophanus „umfassende[r] Memoria“ in Essen für unwahrscheinlich.
  12. Rhein. UB 2, Nr. 176 (1039–1058 März); Essener UB 1, Nr. 30 (vor 1058); dazu Fremer, Theophanu, S. 111–130.

Nachweise

  1. Zimmermann, Grab, S. 226f.
  2. Eger, Herrscherinnen, S. 55.
  3. Zimmermann, Münster, S. 148, mit Abb. 105.
  4. Kat. Essen 1956, S. 270, Nr. 509.
  5. Abel, Familie, S. 154.
  6. Binding, Grabsteine, S. 55, mit Abb. 21 und Übersetzung.
  7. Küppers, Essen, S. 7, mit Abb.
  8. Weilandt, Hitda-Codex, S. 57, Anm. 51.
  9. Beuckers, Ezzonen, S. 38, Anm. 334.
  10. Fremer, Theophanu, S. 144, Anm. 48.
  11. Lange, Krypta, S. 181.
  12. Bodarwé, Sanctimoniales, S. 59, Anm. 367.
  13. Kat. Bonn/Essen 2005, S. 227, Nr. 87 (B. F[alk]).
  14. Horch, Memorial-Urkunde, S. 201, mit Abb. 2.
  15. Kat. Essen 2009, S. 88f., Nr. 17, mit Abb. und Übersetzung (S. Hermann).

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 21 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0002109.